«Kostet viel Kraft» - Urteil nach Messerangriff auf Mädchen Von Aleksandra Bakmaz, dpa

Eine Vierjährige geht mit ihrer Mutter einkaufen - und wird von einem
Mann mit einem Messer attackiert. Der Fall sorgt bundesweit für
Schlagzeilen - und für emotionale Worte bei der Urteilsbegründung.

Ravensburg/Wangen (dpa) - Gut ein halbes Jahr nach dem Messerangriff
auf ein vierjähriges Mädchen in einem Supermarkt hat das Landgericht
Ravensburg die dauerhafte Unterbringung eines 35-Jährigen in der
Psychiatrie angeordnet. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der
Mann im April das Mädchen lebensgefährlich verletzt hat. Die
Schwurgerichtskammer ging bei dem Vorfall in Wangen im Allgäu von
versuchtem Mord aus. Aufgrund seiner Krankheit sei der Beschuldigte
mit syrischer und niederländischer Staatsbürgerschaft schuldunfähig.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Mann hatte den Angriff auf das Mädchen zu Prozessbeginn Anfang
Oktober gestanden. Er habe auf eine «göttliche Eingebung» hin
gehandelt, hatte er über eine Übersetzerin erklären lassen. «Ich ha
be
eine Hand gesehen und ich hatte diese Eingebung, wie groß die Person
sein soll.» Auch zu Prozessende erklärte er wieder: «Das, was
passiert ist, war eine Eingebung von Gott.» Das Motiv sei schwer
auszuhalten, sagte der Richter. 

Ein Sachverständiger hatte bei dem Mann, der vor Jahren als
Geflüchteter nach Europa gekommen war, eine paranoide Schizophrenie
diagnostiziert. Neben der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage
sprach sich auch die Verteidigung für die dauerhafte Unterbringung
des Mannes in einer Klinik aus. Das Urteil wurde von allen bei der
Sitzung akzeptiert.

Laut den Ermittlungen war es ein unvermittelter Angriff mit einem
schwarzen Küchenmesser. Eine Not-Operation hatte dem Mädchen das
Leben gerettet. Täter und Opfer kannten sich nicht. Die Vierjährige
war mit ihrer Mutter in dem Supermarkt gewesen, die unter Tränen
ausgesagt hatte. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Der Mann war den Ermittlern zufolge polizeibekannt. 

Fall schwer zu ertragen

Der Sachverhalt sei klar, der Täter sei psychisch schwer krank und
das Geschehen sei wohl nicht mit rationalen Maßstäben zu messen,
sagte der Vorsitzende Richter. Doch auf der anderen Seite habe dieser
Fall sehr viele Facetten, die schwer auszuhalten seien. Auch für
Berufsrichter, die seit Jahren in einer Schwurgerichtskammer tätig
seien und sich regelmäßig mit den schlimmsten Ereignissen
beschäftigten, die man sich vorstellen könne. 

«Selbst für uns ist dies ein absolut außergewöhnlicher Fall. Und au
ch
ein Richter muss nicht jede Emotion über Bord werfen.» In diesem Fall
koste es viel Kraft, objektiv, sachlich und ruhig zu bleiben. «Die
Vorstellung, ich gehe mit meinem vierjährigen Kindergartenkind
nichtsahnend in einen Supermarkt, um schnell etwas zu erledigen und
kann dann nur das Leben meines Kindes dadurch retten, das ich
Geistesgegenwart beweise, schnell handle und dann stundenlang nicht
weiß, ob es gereicht hat - das ist der Alptraum eines jeden
Elternteils.» Gleichzeitig warnte der Richter davor, den Fall für
politische Zwecke zu instrumentalisieren. Eine psychische Erkrankung
könne jeden treffen.

Helfer entwaffnet Mann

Die Mutter hatte ihre Tochter nach dem Messerangriff selbst in die
Notaufnahme gebracht. Auf dem Weg zum Parkplatz hatte sie noch eine
Kassiererin über den Angriff informiert. Mindestens drei Stiche hatte
die Vierjährige laut Gericht in den Bauchraum bekommen, bis sie
zusammensackte. «Mami» hätte ihre Tochter nur geschrien und
gewimmert, hatte die Mutter gesagt.

Sie habe noch versucht, dem Mann das Messer aus der Hand zu reißen.
Ein anderer Kunde sei ihr zu Hilfe gekommen und habe den Täter
entwaffnet. Der Tatverdächtige wurde kurz nach dem Angriff
festgenommen. Nach einem Unterbringungsbefehl war der Mann in ein
psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden. Dort soll er auf
unbestimmte Zeit bleiben.

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