Prozess gegen Narkosearzt: Staatsanwältin plädiert auf Mord

Ein Mann soll Kindern für eine Zahnbehandlung verunreinigtes
Narkosemittel gespritzt haben, ein Mädchen starb noch in der Praxis.
Für den vorbestraften Anästhesisten wird lebenslange Haft gefordert.

Kronberg/Frankfurt (dpa/lhe) - Nach dem Tod eines Mädchens in einer
Kronberger Zahnarztpraxis hat die Staatsanwaltschaft im Strafprozess
gegen den Anästhesisten eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes
durch Unterlassen beantragt. Auch sei der Mann des versuchten Mordes
an den drei weiteren Kindern schuldig, sagte die Vertreterin der
Anklagebehörde in ihrem Plädoyer im Frankfurter Landgericht. Er habe
unter anderem eklatante Hygienefehler begangen und verunreinigtes
Narkosemittel gespritzt, sodass die kleinen Patienten eine
Blutvergiftung erlitten. 

Um dies zu verdecken, habe er die Kinder trotz ihres kritischen
Zustands nicht in eine Klinik einweisen lassen. Bei rechtzeitiger
medizinischer Behandlung hätte das damals vier Jahre alte Opfer
überlebt. Die Staatsanwaltschaft beantragte zudem, den 67-Jährigen
mit Urteilsverkündung in Haft zu nehmen und ein lebenslanges
Berufsverbot auszusprechen. 

Angeklagter äußerlich unbewegt

Der Rechtsanwalt des Deutschen stellte in seinem Plädoyer keinen
konkreten Strafantrag. Sein Mandant habe versucht, das Leben des
Mädchens zu retten, sagte der Jurist. Es gebe keine Hinweise auf eine
Tötungs- oder Verdeckungsabsicht. Der im südhessischen Bensheim
lebende Angeklagte verfolgte die Plädoyers äußerlich unbewegt. In
seinem letzten Wort sagte er nur, er schließe sich den Ausführungen
seines Anwalts an.

Der Anästhesist hatte am 18. September 2021 in der Praxis im
Hochtaunuskreis zunächst eine erwachsene Frau und anschließend vier
Kinder für Zahnbehandlungen narkotisiert. Das Mädchen, das zuletzt
behandelt wurde, starb in der Nacht auf dem Zahnarztstuhl an einer
Sepsis. Die anderen Kinder wurden an den beiden Folgetagen auf die
Intensivstation der Frankfurter Uniklinik gebracht, zwei von ihnen
überlebten nur knapp. 

«Nicht so eine große Welle machen»

Laut Staatsanwaltschaft hatte der Anästhesist sie nach der Narkose
nicht richtig überwacht und dann trotz ihres desolaten Zustands nach
Hause geschickt. Die Fragen der besorgten Eltern, ob sie ihr Kind in
eine Klinik bringen sollten, soll er abgewiegelt haben. Zu der
Zahnärztin soll er am Tag nach dem Tod des Mädchens, als sich die
anderen drei Kinder noch in Lebensgefahr befanden, gesagt haben, man
müsse «nicht so eine große Welle machen».

«Dieser Satz sagt schon alles über seine Verdeckungsabsicht», sagte
die Staatsanwältin. «Die Nichtalarmierung brachte ihm Zeit.» Denn als

Arzt sei ihm klar gewesen, dass sich Sepsis-Erreger im Körper im
Laufe der Zeit immer schwerer nachweisen ließen. Außerdem sei die
Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass der Praxismüll und damit wichtige
Beweismittel nicht mehr hätten gesichert werden können.

Ex-Patienten melden sich 

Der Narkosearzt ist wegen der fahrlässigen Tötung einer erwachsenen
Patientin im Jahr 2019 bereits vorbestraft. Zudem meldeten sich im
Laufe des Prozesses weitere ehemalige Patienten. So hatte eine Frau
im November 2020, also zehn Monate vor den nun angeklagten Taten,
nach einer von ihm gelegten Narkose ein Multiorganversagen erlitten.
Sie soll ebenfalls nur knapp überlebt haben.

Mittlerweile befindet sich der Anästhesist und Notfallmediziner im
Ruhestand. Im Rahmen des Strafprozesses hat er zugesagt, an die
Familie des verstorbenen Mädchens 20.000 Euro zu zahlen.

Das Urteil soll am nächsten Freitag verkündet werden.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite