Spielschleim - Faszination, Ekel und mögliche Gefahren Von Irena Güttel, dpa
Spielschleim ist nicht nur zu Halloween ein Renner. Ist er einfach
nur eklig, oder hat er auch einen pädagogischen Wert? Eltern haben
oft Vorbehalte - auch was die Zusammensetzung betrifft.
Nürnberg (dpa) - Zu Halloween haben wieder Vampire, Hexen, Monster
und andere gruselige Wesen ihren großen Auftritt. Wichtige
Accessoires sind dabei: Kunstblut und widerlicher Schleim - wobei
Spielschleim eigentlich das ganze Jahr über bei Kindern beliebt ist.
Seit Generationen finden es diese faszinierend, die glibbrige,
quietschbunte Masse durch ihre Hände rinnen zu lassen oder lange
Fäden damit zu ziehen. Viele Eltern können dem Wabbelzeug dagegen nur
wenig abgewinnen und fragen sich: Welchen Wert kann so ein Spielzeug
haben? Und welche gefährlichen Chemikalien könnte es enthalten?
1976 kam der erste Spielschleim auf den Markt. Der Augsburger
Sozialpädagoge und Spielforscher Volker Mehringer kann sich noch
genau erinnern: «Den habe ich damals geliebt.» Heute seien es seine
Kinder, die zu Hause begeistert damit herummatschten - und er habe
sich selbst dabei ertappt, wie er erst einmal ablehnend reagiert
habe. «Man darf natürlich nicht zu viel erwarten von einem
Spielschleim an Lernmöglichkeiten», sagt der Experte. «Aber der
Spielwert ist höher als man eigentlich denkt.»
Faszination Schleim
Schleim habe eine Konsistenz, die es im Alltag nicht gebe, erläutert
Mehringer. Er sei elastisch, klebe nicht, spreche viele Sinnesreize
an und könne die Feinmotorik schulen. «Je nach Konsistenz kann es
eine Herausforderung sein, den so in der Hand zu halten, dass er
nicht wegfließt.»
Spannend finden Kinder aus seiner Sicht wahrscheinlich auch, dass
sich Erwachsene vor dem Schleim oft ekelten. «Es ist sozial spannend,
mit dem leichten Ekel zu spielen und eine gewisse Mutprobe, weil man
sich überwinden muss, den anzufassen.» Gleichzeitig stelle der
Schleim keine Anforderungen. «Das lässt sich einfach nebenbei in die
Hand nehmen, um sich für kurze Zeit abzulenken und dabei zu
entspannen.»
Ein Aspekt, der den Spielschleim auch zum Trend in den sozialen
Medien gemacht hat. In unzähligen Videos kann man Menschen dabei
zuschauen, wie sie Schleim formen, ziehen, Glitzer oder knisternde
Dinge hineinkneten. Auch die Geräusche, die dabei entstehen, finden
manche Nutzerinnen und Nutzer laut der Kommentare beruhigend.
Kritikpunkt Inhaltsstoffe
Doch Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer warnen seit
Jahren vor gesundheitsgefährdenden Stoffen, die Spielschleim
enthalten könnte. «Die schöne Schleimigkeit kommt dadurch zustande,
dass man Borverbindungen hinzufügt», sagt die Expertin Christine
Throl vom Magazin «Ökotest». Dieses hatte 2019 verschiedene
Wabbelmassen untersucht und zum Teil Borsäure-Mengen oberhalb der
zulässigen Grenzwerte entdeckt. Eine Untersuchung von «Stiftung
Warentest» war zuvor zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.
Seitdem habe sich nicht nennenswert etwas verbessert, sagt Throl.
Seit 2020 bis heute habe es mehr als 150 Warnungen im europäischen
Schnellwarnsystem Rapex zu Schleim-Produkten gegeben. «Das Produkt an
sich ist ein Problemprodukt. Letztlich weiß ich als Verbraucher
nicht, was drinsteckt», kritisiert Throl. Gesetzlich sei nicht
vorgeschrieben, dass die Hersteller die Inhaltsstoffe auf der
Verpackung angeben.
Borsäure und verschiedene andere Borverbindungen sind laut dem
Bundesamt für Risikobewertung (BfR) als reproduktionstoxisch
eingestuft - das heißt, sie können die Furchtbarkeit beeinträchtigen
und das Kind im Mutterleib schädigen.
Die europäische Spielzeugrichtlinie hat deshalb Grenzwerte
festgelegt, wie groß die Menge an Borverbindungen sein darf, die die
Produkte abgeben. In den nächsten Monaten werde die EU eine neue
Spielzeugverordnung verabschieden, mit der die chemischen Grenzwerte
noch einmal erhöht werden dürften, sagt Ulrich Brobeil vom Deutschen
Verband der Spielwarenindustrie.
Für kleine Kinder nicht geeignet
Das Matschen mit dem Spielschleim an sich ist bei der Borsäure
weniger das Problem. «Es wird ein geringer Teil über die Haut
aufgenommen, aber das ist vernachlässigbar», sagt Throl.
«Problematisch wird es, wenn größere Mengen verschluckt werden.»
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) gibt dagegen Entwarnung: «Die
Wahrscheinlichkeit, dass durch das einmalige versehentliche
Verschlucken auch größerer Mengen Wabbelmasse eine akute
gesundheitliche Beeinträchtigung eintritt, ist sehr niedrig»,
schreibt es in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2022. Die Behörde
hatte in einer Meta-Analyse die Daten von Proben aus verschiedenen
Bundesländern ausgewertet. «Trotzdem sollten Eltern verhindern, dass
ihr Kind die Wabbelmasse in den Mund nimmt, um den Kontakt mit
Borsäure, aber auch anderen chemischen Substanzen gering zu halten»,
heißt es vom BfR.
Viele Hersteller zeichnen ihren Spielschleim deshalb als nicht für
Kinder unter drei Jahre geeignet aus. «Ökotest»-Expertin Throl ist
aber skeptisch, ob sich das im Alltag von Familien mit mehreren
Kindern umsetzen lässt.
Auf Qualität achten
Kritisch seien vor allem Produkte aus Drittländern wie China, die
über Billig-Handelsplattformen nach Deutschland gelangten, die sich
aber nicht an die EU-Vorgaben für Spielzeug hielten, ergänzt Brobeil.
Mehringer rät deshalb beim Kauf auf die CE-Kennzeichnung zu achten.
Diese sei aber nur eine Selbstauskunft der Hersteller, merkt er an.
«Worauf man sich aber mehr verlassen kann, ist eine TÜV-Prüfung.»
Sollte man Spielschleim also lieber selbst machen, um genau zu
wissen, was drin ist? Im Internet finden sich zahlreiche Rezepte
dazu. Doch viele davon setzten ebenfalls auf kritische Inhaltsstoffe
wie Kontaktlinsenmittel, sagt Throl. «Davon raten wir ab.»
Unbedenklich seien dagegen zum Beispiel Mixturen aus Öl, Stärke und
Lebensmittelfarbe - allerdings auch nicht so schön schleimig.
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