«An jeder Schule jede Droge» - bessere Prävention gefordert
Wieder ist in Mecklenburg-Vorpommern ein junger Mensch an Ecstasy
gestorben. Experten fordern eine bessere Prävention. Ein
Wissenschaftler warnt davor, nur die Droge in den Blick zu nehmen.
Schwerin (dpa/mv) - Drogen wie Ecstasy, das zuletzt wiederholt
Ursache für den Tod junger Menschen in Mecklenburg-Vorpommern war,
sind nach Ansicht von Experten für junge Menschen leicht zu bekommen.
«Jeder kann an jeder Schule jede Droge bekommen, wenn er möchte. Ob
über Whatsapp-Kanäle, über Telegram-Kanäle. Das sind inzwischen die
gängigen Wege», sagte Daniel Meslin von der
Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Kauf laufe nicht mehr über Dealer in irgendeiner dunklen Ecke,
sondern bequem über das Internet. Damit kämen auch 12-, 13- und
14-Jährige locker an Drogen.
Der Drogenexperte der Universitätsmedizin Rostock, Gernot Rücker,
verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Corona-Pandemie. «Seit
die Pandemie ihren Einzug gehalten hat, haben sich die Vertriebswege
grundlegend geändert.» Viel werde über die Post oder das Darknet
abgewickelt. «Jeder kann es jetzt bestellen.» Pillen könne man ohne
Probleme verschicken, auch die Kosten seien überschaubar.
Appell an die Eltern
Ende September war ein 15-Jähriger in Zingst gestorben - wegen der
Einnahme gleich mehrerer Ecstasy-Pillen, wie die Polizei unter
Verweis auf ein toxikologisches Gutachten der Rechtsmedizin
mitteilte. Voriges Jahr war eine 13-Jährige aus Altentreptow nach dem
Konsum von besonders potentem Ecstasy gestorben. Weitere Mädchen
waren nach dem Konsum solcher Pillen in Kliniken gekommen.
Meslin appellierte an Eltern, die Smartphone-Nutzung ihrer Kinder
unter Kontrolle zu behalten. Aus seiner Sicht dürften Kinder unter 14
Jahren - und besser noch unter 16 Jahren - die entsprechenden
sozialen Medien nicht auf ihrem Handy haben. «Man muss es halt
schwerer machen.»
Erst kürzlich seien in einem anderen Bundesland QR-Codes an Laternen
aufgetaucht, die via Telegram einen Verkaufskanal öffneten. Die Namen
der Kanäle oder auch die Begriffe verschleierten ihren Zweck, würden
aber unter Jugendlichen schnell verteilt.
Bessere Prävention in MV gefordert
Der Mitarbeiter der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen
forderte eine bessere Aufklärung an den Schulen im Land. «Das ist
unser Problem, dass in den Schulen flächendeckend Suchtprävention
ehrlicherweise nicht stattfindet.» Ein Grund dafür sei, dass im Land
kaum Fachkräfte mit ausschließlichem Fokus auf Suchtprävention
arbeiteten. Stattdessen werde die Aufklärung von Menschen übernommen,
die sich vor allem um bereits Suchtkranke kümmerten. Dabei habe die
Betreuung der vielen Suchtkranken Priorität - und die
Aufklärungsarbeit komme zu kurz.
In anderen Bundesländern sei das anders. Als positive Ausnahme nannte
Meslin auch die Hansestadt Rostock. «Seit Frühjahr dieses Jahres gibt
es drei Menschen in der Hansestadt Rostock beim Gesundheitsamt
angestellt als Suchtpräventionsfachkräfte.» Diese machten nichts
anderes, als in Einrichtungen wie Schulen, aber auch Betrieben oder
Seniorenheimen aufzuklären. Das Land könne bei der Verteilung
entsprechender Bundesmittel stärker steuern, wie das Geld eingesetzt
werde.
Altersgrenze gesunken
Nach Aussage des Drogenexperten der Universitätsmedizin Rostock sind
vermehrt stark dosierte Pillen auf dem Markt. Die seien dann mitunter
dazu gedacht, dass sie geteilt würden. «Das setzt aber voraus, dass
der Konsument das weiß. Wenn natürlich jetzt jemand mehrere Pillen
nimmt und von der Dosierung überhaupt nichts weiß, ist es natürlich
schwierig.» Außerdem sei nie allein die Pille das Problem, sondern
die gesellschaftlichen Umstände des Konsums. Dem könne man nur mit
vernünftiger, großflächiger Aufklärung beikommen und nicht mit
Verboten.
Meslin sagte zum Ecstasy-Konsum, die Altersgrenze habe sich nach
unten verschoben. Man habe in den 1990er Jahren noch von der
«Techno-Pille» oder den «Raver-Pillen» gesprochen, das sei mehr ode
r
weniger gerechtfertigt gewesen. Damals hätten junge Leute im Alter
von 16, 17 oder 18 Jahren das erste Mal konsumiert. «Man musste halt
immer irgendwie jemanden kennen, der jemanden kennt.» Dies habe die
Digitalisierung verändert - und so sei auch das Einstiegsalter
gesunken.
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