Klimakrise spitzt sich zu - Welche Rolle spielt Deutschland? Von Simone Humml, dpa

Die Erdtemperatur steigt auf einen Höchstwert und die USA als größte

Wirtschaftsmacht der Welt wählt einen Mann zum Präsidenten, der
Ölbohrungen ausbauen will. Was tun?

Berlin (dpa) - Überschwemmungen, Dürren, Hitzeextreme - der
Klimawandel zeigt sich immer deutlicher. Zugleich stieg der weltweite
Treibhausgas-Ausstoß 2023 laut UN-Umweltprogramm um 1,3 Prozent und
damit schneller als in den zehn Jahren vor Corona. Mit der Wahl
Donald Trumps bekommen die USA nun einen Präsidenten, der verstärkt
Öl fördern will und sich in seiner ersten Amtszeit vom Pariser
Klimaabkommen abgewendet hat. Kann Deutschland langfristig gesehen da
noch etwas bewegen?

Behauptung: Deutschland hat angesichts der Weltlage nur eine geringe
Bedeutung für das Klima. 

Stimmt nicht. Deutschland hat zwar nur rund ein Prozent der
Weltbevölkerung, doch zugleich produzierte 2022 jeder Deutsche pro
Kopf im Schnitt immer noch rund 1,7-mal mehr CO2 als ein
Durchschnittsbürger der Erde, wie aus dem Statistikportal Our World
in Data hervorgeht. Mit etwa 1,8 Prozent der weltweiten Emissionen
stand es an achter Stelle. 

Deutschland habe eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz, sagt
Niklas Höhne vom NewClimate Institute in Köln. «Wir sind eins der
reichsten Länder der Welt, eins auch mit der höchsten
Wirtschaftskraft und deswegen müssen wir sozusagen als Vorreiter
vorangehen, damit andere nachziehen können.» Zum einen könne
Deutschland dann rein diplomatisch andere Länder dazu bewegen, zum
anderen könne man Technologien entwickeln, die dann von anderen
Ländern umgesetzt werden. «Wir haben, wenn man eben
Vorreitertechnologien nimmt, einen großen Einfluss.» 

So habe Deutschland die erneuerbaren Energien finanziell extrem
gefördert und tue es immer noch, was zu einem so günstigen Preis von
Wind- und Solarkraft geführt habe, dass sie weltweit genutzt würden.
Dazu habe Deutschland wesentlich beigetragen und tue das eben heute
noch. «Das ist sozusagen die größte Klimaschutzmaßnahme überhaupt

weltweit.» Eine mögliche CDU/CSU-Regierung wird die aktuelle
Förderung nach Ansicht Höhnes umbauen, sie aber nicht generell
abschaffen. 

Deutschland habe als Teil der EU auch Einfluss auf deren politische
Gesetzgebung «und die EU wiederum ist so groß, dass sie eben auch
eine Macht hat», sagt Höhne. So dürften bestimmte Produkte nur in die

EU importiert werden, wenn sie klimafreundlich produziert worden
seien oder es seien Zollgebühren fällig. «Das bedeutet, es wird sich

jeder überlegen, der weltweit so was produziert, ob das nicht auch
klimafreundlich geht, um überhaupt am EU-Markt teilnehmen zu
können.» 

Mit der Wahl Trumps komme Deutschland nun umso mehr eine
Vorreiterrolle zu. «Deutschland und die EU müssen sich nun noch mehr
international einbringen und durch gute Kooperationen mit anderen
Ländern das Thema Klimaschutz voranbringen.» Mit dem Bruch der
Regierungskoalition bekommt dieser Wunsch aktuell einen Dämpfer, der
sich auch konkret äußert: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine für
Mitte November geplante Reise zur Weltklimakonferenz im
aserbaidschanischen Baku abgesagt. 

US-Klimaschutz unter Trump

Die USA standen 2022 mit rund 14 Prozent an zweiter Stelle der
weltweiten CO2-Emissionen. Ihr CO2-Ausstoß ist im Vergleich zu 2007
gesunken. Zudem habe vor allem der Inflation Reduction Act zur
Förderung erneuerbarer Energien von US-Präsident Joe Biden
signifikante Investitionen getriggert, sagt Höhne. Es sei
unwahrscheinlich, dass dieser von Trump ganz gestrichen werde, da
besonders republikanische Bundesstaaten davon profitierten. 

Der Wahlsieg von Trump sei sicher keine gute Nachricht für den
Klimaschutz, «aber auch Trump kann nicht gegen den Markt arbeiten».
Auch in den USA seien die erneuerbaren Energien günstiger als die
fossilen. «Beim vergangenen Mal in der Regierung hat er gesagt, dass
er Kohlekraftwerke wieder nach vorne bringen will, hat das aber gar
nicht geschafft.» 

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und auch Höhne sehen jedoch

ein Problem, weil nun einer der wichtigsten Geldgeber beim Klima
wegfallen könnte: Geld, das Industriestaaten an ärmere Länder für
Klimaschutz oder auch für die Anpassung an den Klimawandel geben, war
Kernpunkt vieler Klimakonferenzen. In Baku soll ein neues Finanzziel
ausgehandelt werden. 

China Weltmeister bei Erneuerbaren Energien

Der pro Kopf Ausstoß an CO2 lag in China 2022 mit rund acht Tonnen so
hoch wie der in Deutschland. Insgesamt stand es mit 31 Prozent jedoch
an der Spitze aller Länder beim CO2-Ausstoß. China baue erneuerbaren
Energien extrem schnell aus, sagt Höhne. Zudem würden 80 Prozent der
Solarmodule und 50 Prozent der Windkraftanlagen weltweit in China
produziert. «Das wird sehr viel zum Klimaschutz beitragen, nicht nur
innerhalb von China, sondern eben auch außerhalb davon.» Chinas
Regierung habe auch schon früh die Elektromobilität vorangetrieben.
Gleichzeitig baue das Land immer noch Kohlekraftwerke. «Man kann
nicht sagen, China macht nichts, sondern es macht sehr viel. Ob China
damit seiner Verantwortung gerecht wird, darüber kann man streiten.»
Aber auch Deutschlands Klimaschutz reiche für die 1,5-Grad-Grenze des
Pariser Klimaschutzabkommens nicht aus.

Behauptung: Der Klimawandel ist real, aber Deutschland wird es schon
nicht so hart treffen

Das ist unwahrscheinlich. 2023 war die Erdtemperatur im Mittel laut
Weltwetterorganisation 1,45 Grad höher als im vorindustriellen
Zeitraum, ein neuer Rekordwert. In Deutschland lag sie laut
Umweltbundesamt um 2,8 Grad höher als in der Zeit 1881 bis 1910 -
auch weil Landregionen sich schneller erwärmen als Meere.

Auf dem jüngsten Klima-Risiko-Index von Germanwatch für die Jahre
2000 bis 2019 steht Deutschland angesichts der Klimaauswirkungen auf
Platz 18. Demnach starben in der Zeit mehr als 10.700 Menschen durch
Extremwetterereignisse - vor allem infolge von Hitzewellen. Der
wirtschaftliche Schaden habe kaufkraftbereinigt jährlich im Schnitt
3,54 Milliarden Euro betragen.

Überschwemmung werden häufiger

«Doch auch die Stärke der Niederschläge und die Häufigkeit der
Überschwemmungen haben jetzt bereits zugenommen», sagt Diana Rechid,

Leiterin der Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate
Service Center Germany (Gerics). «Dieses Jahr ist mit Dauerregen in
großen Teilen Deutschlands und Hochwasser entlang vieler Flüsse in
Niedersachsen und weiteren Bundesländern gestartet. Pfingsten gab es
Hochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz, danach im Juni in
Süddeutschland.» 

Das September-Hochwasser, das von Deutschland bis Rumänien reichte,
hat die Wissenschafts-Initiative World Weather Attribution (WWA)
genauer analysiert: Der Klimawandel habe die Wahrscheinlichkeit für
solch ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa etwa verdoppelt.
 

Die Hitzewelle im Juli 2019 in Westeuropa wäre an allen Orten bei
unverändertem Klima um 1,5 bis 3 Grad kühler gewesen, berechnete die
WWA. Aufgrund des menschengemachten Klimawandels seien Hitzewellen
deutlich wahrscheinlicher und intensiver geworden. Hitze und Dürren
führten auch zu großflächigen Schäden im deutschen Wald, der laut
Bundeswaldinventur bereits seit 2017 mehr Kohlenstoff abgibt als er
aufnimmt. 

In Deutschland wird es nach Berechnungen von Gerics zukünftig noch
mehr heiße und sehr heiße Tage geben. «Das hat ganz direkte
Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen», sagt Rechid, nicht nur
für Ältere und Säuglinge. «Dazu zählen zum Beispiel auch Menschen
,
die im Freien arbeiten müssen.» Laut Umweltministerium hat der
Klimawandel zudem die Pollensaison und damit auch die Beschwerdezeit
der Allergiker verlängert. 

Weltweite Missernten könnten auch das reiche Deutschland treffen, vor
allem die ärmeren Menschen. Beispiel Olivenöl. «Der Preis steigt,
weil die Olivenbäume durch das veränderte Klima im Mittelmeerraum
teilweise weniger Ernte abgeben», sagt Rechid. Der Preisanstieg für
viele Nahrungsmittel vergrößere die Ungerechtigkeit zwischen Arm und
Reich. 

Das Allerwichtigste sei natürlich, fossile Energieträger zu meiden:
«Wenn jeder sagt, dass er nichts machen könne, weil er nur zu einem
Prozent der Bevölkerung gehört, was machen wir denn dann?» Nötig si
nd
laut Rechid aber auch die Anpassung, zum Beispiel eine frühere und
besser verständliche Warnung vor Hochwasser oder Wasserspeicher für
Phasen mit Trockenheit und zu wenig Wasser.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite