Schlagabtausch im Bundestag zu Cannabis
Kiffen ist für Volljährige in Deutschland inzwischen in Grenzen
erlaubt. Im Parlament kocht der Streit über die Neuausrichtung der
Drogenpolitik noch einmal hoch.
Berlin (dpa) - Gut sieben Monate nach der teilweisen Legalisierung
von Cannabis in Deutschland haben sich Gegner und Befürworter einen
Schlagabtausch im Bundestag geliefert - aus den Ländern wird weitere
Kritik an der Umsetzung laut. Gesundheitsminister Karl Lauterbach
wies harsche Kritik der Union zurück und warb dafür, dem Gesetz «eine
faire Chance» zu geben. «Es gibt überhaupt keine Evidenz dafür, das
s
eine Legalisierung den Konsum erhöht», sagte der SPD-Politiker in
einer Aktuellen Stunde. Es gehe nur darum, bestehenden und zuletzt
gestiegenen Konsum sicherer zu machen und zu entkriminalisieren.
Für die Union kritisierte die CSU-Innenpolitikerin Silke Launert:
«Der Drogenmarkt ist größer denn je.» Die Berliner Justizsenatorin
Felor Badenberg (CDU) monierte, die Legalisierung werde der
Schutzpflicht des Staates vor Gesundheitsgefahren nicht gerecht. Ein
großer Teil der Konsumenten werde weiter auf den Schwarzmarkt
zurückgreifen. Das Gesetz sei «ein großes Geschenk für die
organisierte Kriminalität.» Der AfD-Gesundheitspolitiker Martin
Sichert sagte an die Adresse der Union, man könne die Legalisierung
kritisch sehen. Es sei aber verrückt, so zu tun, als wären Kiffer das
drängendste Problem der inneren Sicherheit.
Legalisierung seit April in Kraft
Nach einem Gesetz der Ampel-Koalition ist Kiffen für Volljährige seit
1. April mit zahlreichen Beschränkungen legal. Erlaubt ist auch der
Anbau von bis zu drei Pflanzen gleichzeitig in Privatwohnungen,
aufbewahren darf man bis zu 50 Gramm Cannabis. Seit 1. Juli können
außerdem nicht-kommerzielle «Anbauvereinigungen» mit bis zu 500
Mitgliedern an den Start gehen. Für sie gelten ebenfalls zahlreiche
Auflagen.
Rednerinnen von FDP und Grünen verteidigten das Gesetz. Die
FDP-Gesundheitspolitikerin Kristine Lütke sagte, nach internationalen
Erfahrungen sei die Legalisierung der beste Weg, um Dealer arbeitslos
zu machen. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) nannte die Legalisierung
einen «wichtigen Erfolg der Ampel». Beide Politikerinnen forderten
eine noch weitergehende Liberalisierung mit einer kontrollierten
Abgabe in lizenzierten Fachgeschäften.
Innenausschuss des Bundesrats für Nachbesserungen
Unter den Ländern werden derweil Kritikpunkte wegen der praktischen
Umsetzung laut. Der Innenausschuss des Bundesrats erläuterte in
Empfehlungen für die nächste Sitzung der Länderkammer, es bedürfe
Regelungen zum besseren Gesundheitsschutz, zur Beseitigung von
Unklarheiten in der Vollzugspraxis und zur Vernichtung von Cannabis.
Erklärtes Ziel sei, die regulierte Abgabe an Erwachsene zu
ermöglichen und illegalen Drogenhandel einzudämmen. «Diese Ziele
lassen sich derzeit mit den gesetzlichen Vorgaben in der Praxis nicht
umsetzen.»
Konkret fordert der Innenausschuss unter anderem genauere
Vorschriften für Vereine, in denen Erwachsene Cannabis gemeinsam
anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben können. So solle
die zulässige Abgabemenge «auf ein bedarfsgerechtes Maß» reduziert
werden. Die Begrenzung auf 50 Gramm pro Monat, die etwa 150 Joints
ergebe, «übersteigt den Bedarf eines Gelegenheitskonsumenten um ein
Vielfaches und begründet die Sorge, dass erhebliche Mengen an den
Schwarzmarkt abgegeben werden könnten».
Gefordert werden auch geeignete Entsorgungsmöglichkeiten für nicht
weitergabefähiges Cannabis, wie es in der Empfehlung des
Innenausschusses für eine Stellungnahme des Bundesrats zu einer
Änderung des Cannabis-Gesetzes heißt. Darin geht es eigentlich um
Regelungen zum Anbau von Nutzhanf in der Landwirtschaft. Ob der
Bundesrat den Ausschuss-Empfehlungen folgt, muss sich in der Sitzung
am 22. November zeigen, wenn das Plenum darüber abstimmt.
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