Studie: Kostensteigerungen durch längere Pflegezeiten
Immer mehr Menschen in Deutschland sind auf Pflege angewiesen - und
zu betreuen sind sie auch für längere Zeit. Das erhöht den Druck fü
r
eine Finanzreform weiter.
Berlin (dpa) - Der Pflegeversicherung drohen laut einer Studie auch
Kostensteigerungen wegen längerer Pflegezeiten. In den kommenden
Jahren dürfte sich die durchschnittliche Dauer, während der
Pflegebedürftige betreut werden und Leistungen erhalten, nahezu
verdoppeln, ergab eine in Berlin vorgestellte Analyse der Barmer
Krankenkasse. Demnach lag sie bei kürzlich verstorbenen
Pflegebedürftigen im Schnitt bei 3,9 Jahren. Bei aktuell
pflegebedürftigen Menschen dürfte sie sich auf durchschnittlich 7,5
Jahre verlängern.
Hintergrund sei die Einführung eines neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriffs 2017, wodurch mehr Menschen Anspruch auf
Pflegeleistungen erhielten. «Die Pflegedauer wurde dadurch erheblich
verlängert, und die Kosten wurden deutlich erhöht», sagte
Studienautor Heinz Rothgang von der Universität Bremen. So hätten
kürzlich verstorbene Pflegebedürftige im Schnitt Leistungen im Wert
von 50.000 Euro beansprucht. Bei aktuell Pflegebedürftigen dürften es
dagegen rund 76.000 Euro sein. Dabei seien in der Berechnung auf der
Grundlage von Kosten von 2023 mögliche weitere Preissteigerungen noch
nicht berücksichtigt.
Der Sozialverband VdK hob hervor, es sei positiv, dass die Menschen
früher und länger Leistungen in Anspruch nehmen könnten. «Doch um s
o
eine Pflege, die vom Pflegebedürftigen her gedacht ist, zu sichern
und noch weiter auszubauen, braucht Deutschland ein stabiles
Finanzierungssystem», forderte Präsidentin Verena Bentele. «Anstatt
weiterer kurzfristiger Beitragserhöhungen aufgrund der drohenden
Pleite der Pflegeversicherung ist eine klare und umfassende Reform
nötig.»
Reform nach Ampel-Ende vorerst ungewiss
Wegen immer mehr pflegebedürftiger Menschen und breit steigender
Kosten wird über eine große Reform seit längerem diskutiert. Nach dem
Bruch der Ampel-Koalition kann Gesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) dies nicht mehr wie geplant umsetzen. Barmer-Chef Christoph
Straub sagte, auf die Politik warte eine Mammutaufgabe, die
spätestens nach der Bundestagswahl in Angriff genommen werden müsse.
Vorerst brachte die Bundesregierung eine Anhebung des Pflegebeitrags
um 0,2 Prozentpunkte zum 1. Januar 2025 auf den Weg, um die
Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung zu sichern.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch,
kritisierte: «Während Karl Lauterbach bei vielen seiner Themen
vorangeprescht ist, hatte der Ressortchef bei der Zukunftssicherheit
der Pflegeversicherung keine Antworten. Das rächt sich jetzt mit dem
Ampel-Aus.» Allein Pflegebeiträge zu erhöhen, sei reine
Flickschusterei. Notwendig sei eine zukunftsfähige und
generationengerechte Finanzierung. Dafür brauche es einen festen
planbaren Eigenanteil und eine solide Gegenfinanzierung durch
Steuermittel.
Steigende Personalkosten
Ein Kostenfaktor sind auch steigende Personalausgaben. Seit September
2022 darf es Versorgungsverträge der Pflegekassen nur noch mit Heimen
geben, die nach Tarif oder ähnlich zahlen. Seitdem sei das Lohnniveau
deutlich gestiegen, heißt es im Barmer-Pflegereport.
Vollzeitbeschäftigte Fachkräfte in der Altenpflege verdienten heute
besser als der Durchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten, sagte
Studienautor Rothgang. Diese Lohnsteigerungen seien zwar nötig, um
die Attraktivität des Berufs zu erhöhen und so dem Pflegekräftemangel
entgegenzuwirken - sie hätten aber Auswirkungen auf selbst zu
zahlende Heimentgelte.
Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung - anders als die
Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege
trägt. Die Zuzahlungen aus eigener Tasche dafür steigen seit Jahren.
Für Heimbewohner kommen auch noch steigende Kosten für Unterkunft,
Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen hinzu. Um
Mehrbelastungen für Pflegebedürftige zu dämpfen, gibt es seit 2022
Zuschläge der Pflegekassen. Sie wurden in einer ersten Pflegereform
der Ampel-Koalition bereits erhöht.
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