Grippestamm durch Corona-Maßnahmen ausgerottet
Seit Jahren gab es die Empfehlung, zum Schutz gegen die Grippe einen
Vierfach-Impfstoff zu verwenden. Für die laufende Saison gilt das
nicht. Ursache ist ein spezieller Erfolg der Corona-Maßnahmen.
Berlin (dpa) - So mancher mag sich bereits gewundert haben: Bei der
Grippe-Impfung wird ab dieser Saison ein Dreifach- statt wie bisher
ein Vierfach-Impfstoff empfohlen. Er bietet Schutz gegen nur drei
statt vier Influenza-Virusstämme. Das ist nicht etwa eine
Sparmaßnahme, sondern geht auf einen Randeffekt der Corona-Maßnahmen
zurück: «Wir haben einen Grippestamm komplett ausgerottet», sagt
Carsten Watzl von der TU Dortmund. «Das zeigt sehr eindrücklich, wie
effektiv die Maßnahmen waren.»
Bis 2018 war in Deutschland ein Dreifach-Impfstoff Standard. Seit der
Grippesaison 2018/2019 wurde von der Ständigen Impfkommission (Stiko)
ein Vierfach-Impfstoff empfohlen. Für die beginnende Saison wurde nun
wieder zum Dreifach-Impfstoff als Standardgrippeschutz geraten - ohne
Antigene gegen den Grippestamm B Yamagata.
Verfügbar sind solche Impfstoffe hierzulande zunächst nur
eingeschränkt: «Da es für viele Hersteller nicht möglich war,
kurzfristig auf die trivalenten Impfstoffe umzustellen, wird es in
der aktuellen Saison 2024/2025 nur einen abgeschwächten
Lebendimpfstoff als trivalenten Impfstoff geben, heißt es vom
Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dem Bundesinstitut für Impfstoffe. Alle
anderen verfügbaren Impfstoffe seien Vierfach-Impfstoffe, also
tetravalente Impfstoffe. Die Verwendung dieser inaktivierten
tetravalenten Impfstoffe sei laut Stiko-Empfehlung bis maximal zur
Saison 2025/2026 weiterhin möglich.
Plötzlich keine Nachweise mehr
Schon im Jahr 2020 hatten Experten festgestellt, dass die Gruppe von
Influenza-Viren nicht mehr kursiert. Auch in den Jahren danach sei B
Yamagata nicht mehr aufgetreten, sagt Immunologe Watzl. Einem Beitrag
im Fachmagazin «Lancet» zufolge ist B Yamagata das einzige der
Atemwegserkrankungen verursachenden Viren, das im Zuge der
Corona-Pandemie zum Aussterben gebracht wurde - wobei noch Vorsicht
geboten sei: Nicht jeder Winkel der Welt werde gut überwacht,
womöglich habe B Yamagata doch irgendwo überlebt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam im September 2023 zu dem
Schluss, dass die B-Yamagata-Komponente für den Impfschutz nicht mehr
benötigt wird. Der sogenannte trivalente Impfstoff soll nun nur noch
Antigene eines Influenza-B-Stamms (B Victoria) sowie zweier
Influenza-A-Stämme enthalten. Von diesen Subtypen zirkulieren
weltweit verschiedene Varianten, in jeder Grippesaison
unterschiedlich stark.
Abwägen für die anstehende Saison
Jährlich im Februar überlegt die WHO, wie die Impfstoffe der
kommenden Saison für einen bestmöglichen Schutz konzipiert sein
sollten. Da es schwierig ist, die jeweils dominierenden Stämme
vorherzusagen, wurde seit Jahren auf einen Vierfach-Impfschutz gegen
zwei A- und zwei B-Stämme gesetzt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass der Impfstoff gegen die tatsächlich zirkulierenden Stämme
gut wirksam ist.
Die Grippe ist eine hochansteckende Infektionskrankheit. Der Verlauf
ist wesentlich schwerer als bei «grippalen Infekten», wie die von
anderen Erregern verursachten Erkältungskrankheiten häufig genannt
werden. Meist kommt es ganz plötzlich zu Abgeschlagenheit, hohem
Fieber und trockenem Husten. In Deutschland erkranken im
Winterhalbjahr jeweils zigtausend Menschen an Influenza.
Etliche Todesfälle jährlich
Influenza-Viren mindern die Abwehrkräfte und machen den Körper für
lebensgefährliche Komplikationen anfällig: Influenza-bedingte
Todesfälle werden dem RKI zufolge meist durch eine bakterielle
Lungenentzündung verursacht, nachdem die Influenza-Viren die Lunge
vorgeschädigt haben. Die Zahl der Todesfälle schwankt von Saison zu
Saison stark - von mehreren Hundert bis über 25.000 wie in der Saison
2017/18.
Die Stiko empfiehlt eine jährliche Schutzimpfung im Herbst für
Menschen ab 60 Jahren oder bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung
etwa infolge einer Grunderkrankung. Hundertprozentigen Schutz vor
Erkrankung bietet eine Impfung zwar nicht, sie sorgt aber für mildere
Verläufe. Antibiotika hingegen sind bei Influenza wie bei allen von
Viren verursachten Erkrankungen wirkungslos. Sie kommen aber zum
Einsatz, wenn zusätzlich bakteriell verursachte Komplikationen
auftreten.
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