Wie ein ICE durchs Gehirn - Der rasche Aufstieg von Crack Von Jenny Tobien und Boris Roessler , dpa

Crack gilt als besonders gefährlich und breitet sich schnell in
Deutschland aus. Das macht sich vor allem in den Großstädten
bemerkbar. Wie konnte es dazu kommen - und was sind mögliche
Lösungen?

Frankfurt/Main (dpa) - Crack ist in den deutschen Großstädten
angekommen. Mit den neuen Herausforderungen für Konsumierende,
Kommunen und die Drogenhilfen beschäftigt sich Experten auf einer
Fachtagung in Frankfurt. Die wichtigsten Fragen und Antworten: 

Was ist Crack überhaupt und warum ist die Droge so gefährlich?

Crack wird auf Kokainbasis, oft vermischt mit Backpulver,
hergestellt. Die weiß-gelblichen Kristalle werden erhitzt, bevor sie
meist mit einer Pfeife geraucht werden. Der Name Crack bezieht sich
auf das knackende Geräusch, das dabei zu hören ist. «Es ist eine
Potenzierung des Kokainrausches. Die Droge hat ein enormes
Suchtpotenzial - und das macht sie so gefährlich», sagt Drogenexperte
Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences. Man
erfahre viel stärker als bei Kokain eine enorme Euphorie, die aber
nur Minuten andauere und dann in eine Dysphorie zurückfalle - die in
etwa das Gegenteil ist. Die Euphorie würden viele als «einen ICE-Zug
durchs Gehirn» beschreiben und das sei etwas, was sie schnell
wiederholen wollten. 

Wie verbreitet ist Crack in deutschen Städten?

Crack hat sich in den vergangenen Jahren massiv verbreitet. «Man kann
sagen, dass Crack in fast jeder größeren Großstadt in Deutschland
angekommen ist. Und das ist sehr besorgniserregend», sagt Stöver. Bis
vor einigen Jahren habe es eigentlich nur in Hamburg, Frankfurt und
Hannover eine Szene gegeben. «Doch seit sieben, acht Jahren merken
wir in vielen anderen Städten, dass der Crack-Konsum dort Einzug
gehalten hat, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität» - sei es in
Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bremen oder München.

Auch Raphael Schubert von der Drogenhilfe Fixpunkt Berlin beobachtet
einen enormen Anstieg von Crack-Konsum in der Hauptstadt. Ein
Beispiel: In einem Konsumraum im Stadtteil Kreuzberg lag der Anteil
von Crack an allen dort eingenommen Drogen im Jahr 2020 bei 12
Prozent, wie er berichtet. Im vergangenen Jahr waren es dagegen knapp
60 Prozent. 

Gibt es Ursachen für die rasche Verbreitung?

Das hat auch mit dem riesigen Angebot zu tun. Laut Bundeskriminalamt
wurden 2023 rund 43 Tonnen Kokain sichergestellt, mehr als doppelt so
viel wie im Vorjahr. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach
von einer «Kokainschwemme». Und Frankfurts Sozialdezernentin Elke
Voitl (Grüne) betont: «Die Straßen in unseren Städten werden gerade

mit Drogen geschwemmt. Crack breitet sich rasend schnell in ganz
Europa aus.»

Und wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Städte aus? 

«Es bilden sich wieder offene Szenen mit großen
Verelendungserscheinungen. Das ist vielerorts nicht mehr zu
übersehen», sagt Stöver. «Was wir bisher eigentlich nur so massiv a
us
den USA in den 90er Jahren kannten, hat jetzt hier Einzug gehalten.»
Der hohe Suchtdruck von Crack bestimme schnell den Alltag, sagt auch
der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). «Die Betroffenen
vernachlässigen schnell ihre Grundbedürfnisse, verwahrlosen in
kürzester Zeit und verlieren vielfach ihre Wohnung.»

Zu sehen ist das etwa im Frankfurter Bahnhofviertel. Dort ist Crack
längst die dominierende Droge. «Mit massiven Auswirkungen: Während
Heroin eher beruhigt, putscht Crack innerhalb weniger Sekunden auf
und macht mitunter sogar aggressiv», sagt Voitl. Und die Drogenhilfe
habe es wiederum mit einer ganz veränderten Situation zu tun, «mit
völlig ruhelosen und aufgeputschten Klienten, die eben eine ganz neue
Ansprache und sehr niedrigschwellige Hilfe brauchen.» Nicht zuletzt
löse der Konsum ganz neue offene Szenen aus, die unsere Städte
veränderten und die auch immer mehr Konflikte im öffentlichen Raum
provozierten. 

Wie sieht die typische Nutzergruppe aus?

«Crack ist und bleibt erst mal eine Straßendroge», sagt
Wissenschaftler Stöver. Im Gegensatz zum Kokain sei sie nicht in die
Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Nach seiner Einschätzung
konsumieren Crack größtenteils Männer - überwiegend im dritten oder

vierten Lebensjahrzehnt, «die bereits in der Drogenszene unterwegs
waren und dann auf Crack kamen». Die Deutsche Aidshilfe weist darauf
hin, dass die Crack-Szene in Berlin und anderen Städten von Migranten
geprägt sei, die mitunter erst kürzere Zeit in Deutschland seien.

Was sind mögliche Auswege?

Ein klassischer Entzug ist schwer, da es keine pharmakologische
Antwort auf Crack gibt. «Etwas Vergleichbares zu Methadon, das
Heroinabhängigen als Ersatzmittel verabreicht wird, haben wir hier
nicht», sagt Stöver. Schubert vom Fixpunkt Berlin betont jedoch, dass
viele Abhängige neben Crack auch Heroin konsumieren würden. Somit
könne Methadon zumindest zur Stabilisierung beitragen. 

Und was kann noch getan werden? 

Bei Suchterkrankungen müssten Beratung und Hilfe genauso
sichergestellt werden wie bei einem Knochenbruch oder bei einer
Krebsbehandlung, betont der Drogenbeauftragte Blienert.
«Drogenkonsumräume, Straßensozialarbeit, Drugchecking - all das ist
dringend erforderlich, um in der Crackproblematik in unseren Städten
auch adäquat Antworten zu geben.» Doch leider würden mancherorts
ideologische Blockaden einer wirkungsvollen Hilfe im Weg stehen, das
betreffe besonders die Konsumräume. «Es ist nach wie vor für mich ein

Unding, dass manche Länder sich dieser Maßnahme und diesem Weg
weiterhin versperren.»

Wie steht es aktuell um die Drogenkonsumräume?

Die Hilfsangebote sind sehr ungleich über Deutschland verteilt. Laut
Bundesregierung gibt es etwa 30 Konsumräume in 17 Städten, die 8
Bundesländer umfassen. Das heißt: Die Hälfte aller Länder - wie
beispielsweise Bayern - hat keine dieser Einrichtungen. In Frankfurt,
wo es bereits vier Räume gibt, ist eine weitere Einrichtung in
Planung, die speziell auf die Bedürfnisse von Crack-Abhängigen
ausgerichtet werden soll. 

Doch Dezernentin Voitl betont auch: «Alleine können wir Kommunen das
Problem nicht bewältigen.» Und: «Wir brauchen Geld.» In der
Mainmetropole sorgt schon länger für Diskussionen, dass laut einer
Erhebung die Hälfte der Konsumenten in den Einrichtungen gar nicht
aus Frankfurt stammen. «Die kommen aus anderen hessischen Kommunen,
die kommen sogar aus anderen Bundesländern, besonders aus Bayern»,
betont Voitl. Manche kämen sogar aus dem Ausland. «Wir werden in
Frankfurt auf Dauer diese Hilfe nicht stellvertretend für das ganze
Land stemmen können, das ist völlig klar.»

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