Truppenpsychologe: Wir sind zu mehr fähig als wir glauben Von André Klohn, dpa

Patrick Hattenberg begleitet Soldaten auf Auslandseinsätzen. Der
Psychologe hilft beim Umgang mit Ängsten und bereitet sie auf Risiken
vor. Dabei wollte er ursprünglich einen ganz anderen Job.

Eckernförde (dpa) - Ob beim Schutz von Handelsschiffen oder im
Libanon. Deutsche Soldaten sind im Rahmen internationaler Missionen
teils Monate von zu Hause fort und dabei auch in Gefahr. «Ich kann
ihnen vielleicht nicht die Angst nehmen, aber einen Umgang damit
zeigen», sagt Patrick Hattenberg. «Weil Angst lähmt uns und Lähmung

tötet uns.» Der 32-Jährige ist seit 2019 Truppenpsychologe im
Marinestützpunkt Eckernförde in Schleswig-Holstein.

Es gibt etwas mehr als 300 Psychologinnen und Psychologen im
Psychologischen Dienst der Bundeswehr. Davon sind knapp 100
Truppenpsychologen. Sechs davon sind bei der Marine. Hattenberg
bereitet Soldatinnen und Soldaten nicht nur auf Gefahren und Risiken
vor. Er war mehr als ein halbes dutzendmal selbst im Auslandseinsatz,
zuletzt im Rahmen der UN-Friedensmission Unifil vor der Küste des
Libanon.

Ob die Soldaten Berührungsängste haben? «Nein. Und das wundert mich
bis heute», sagt der Notfallpsychologe. Soldaten gingen damit
untereinander offen um. Toxische Maskulinität gebe es bei der Truppe
nicht mehr. «Wir sehen aber, dass die Zahl der
Kriegsdienstverweigerer zugenommen hat.»

Rat suchen im Bunker

Seit 1978 setzen sich Blauhelm-Soldaten für Frieden zwischen Libanon
und Israel ein. Hattenberg war zuletzt zweimal gut eine Woche im
Hauptquartier in Naqoura nördlich der Grenze zu Israel. «Wir haben
dort Kameraden, die schon sehr lange unter dem Eindruck der
indirekten Kampfhandlungen stehen», sagt er. «Unifil ist zwar nicht
das Ziel, aber die Raketen fliegen trotzdem über deren Köpfe. So viel
darf ich sagen: Es ist interessant, als Psychologe mit Weste und Helm
im Bunker ein Entlastungsgespräch mit einem Soldaten zu führen.»

Im Ausland betreut der Psychologe Soldaten aus ganz Deutschland. Die
meisten dieser Gespräche seien nicht Leid behaftet, sagt Hattenberg.
«Das klingt jetzt blöd, aber manchmal hilft es schon, wenn der Psycho
in Helm und mit Weste vorbeikommt und fragt: Wie geht es Euch?» Ein
Soldat habe ihm gesagt: «Mir geht es eigentlich ganz gut, ich komme
damit klar. Aber meine Angehörigen zu Hause haben Schwierigkeiten.»

Wenn Familien zu Hause von Gefechten hörten und das Blut förmlich aus
dem Fernseher fließe, könne Angst aufkommen, sagt Hattenberg. Er rate
zu Offenheit. «Wenn man Angst hat, darf man das auch nach Hause
kommunizieren. Das kann entlastend sein.»

Eigentliches Ziel

2012 war Hattenberg nach dem Abitur freiwillig zur Bundeswehr
gegangen. Nach dem Uni-Abschluss 2018 arbeitete er zunächst in einer
Wirtschaftsberatung («Das hat mich nicht beseelt») und ging 2019 zur
Bundeswehr. Zunächst war er in der Panzergrenadierbrigade 41 in
Mecklenburg-Vorpommern stationiert. Seit 2023 kümmert er sich in
Eckernförde um die Marineinfanterie und um U-Boot-Fahrer.

Als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022
begann, war Hattenberg für vier Monate im Auslandseinsatz in Litauen.
Zu Hause wartete sein damals fünf Monate alter Sohn auf ihn. Der
Kriegsausbruch habe auch die Einsatzkräfte beunruhigt. «Soldaten sind
genauso Menschen wie Du und ich. Nur in Uniform», sagt Hattenberg.

Nur wenige Fälle erlebe er, in denen Soldaten gar nicht mehr mit
Gefahren klarkommen. «Ich hatte bisher keinen Kontakt mit Soldatinnen
und Soldaten, die posttraumatisch bedingt den Dienst quittieren
mussten», sagt Hattenberg. Werde jemand durch den Dienst
traumatisiert, fange ihn bei der Bundeswehr ein weltweit
einzigartiges Netz an Unterstützung auf. Die Wahrscheinlichkeit sei
bei Soldaten aber geringer als bei der Zivilbevölkerung.

In Litauen hätte er unter 1.500 Soldaten nur zwei oder drei Fälle
gehabt. In den meisten Fällen könne er diese überreden, sich selbst
an Vorgesetzte zu wenden. «Mein Job ist es zu sagen: Es wäre besser,
wenn Du nach Hause gehst.»

Einsatzvorbereitungen

«Keiner von meinen Jungs geht in den Einsatz, der nicht vorher mit
mir eine psychologische Einsatzvorbereitung gemacht hat», sagt
Hattenberg. Wichtig sei es, sich vorher mit möglichen Belastungen wie
Hitze oder dem scharfen Schießen im Einsatz zu befassen. «Wenn ich
mich vorher mit einem möglichen Bedrohungsszenario mental
auseinandergesetzt habe, kann ich mich psychisch darauf vorbereiten.»
Dazu gehöre aber auch, die Familie auf eine längere Abwesenheit
vorzubereiten.

«Wir sind dazu fähig, weit über das hinauszuwachsen, was wir
eigentlich glauben», sagt Hattenberg. Das erlebe er bei der Marine
jeden Tag. Angesichts der Konflikte in der Welt müsse auch die
Gesellschaft eine Resilienz entwickeln. «Wir müssen uns bewusst mit
allen Szenarien auseinandersetzen in der breiten Öffentlichkeit. Dann
nehmen wir vielen Menschen damit die Angst. Denn überall, wo nicht
gesprochen wird, entstehen Unsicherheiten.»

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