«Wie eine Narbe» - fünf Jahre Wildschweinzaun Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa
Als der dänische Wildschweinzaun an der Grenze zu Deutschlands gebaut
wurde, gab es Proteste. Schützen sollte er vor der Afrikanischen
Schweinepest. Wie sieht es fünf Jahre später aus?
Harrislee/Greifswald (dpa) - Der Bürgermeister von Harrislee, Martin
Ellermann, steht am Grenzübergang im Ortsteil Niehuus. Der Schlagbaum
ist seit 2001 dauerhaft geöffnet, doch links und rechts des Weges
verläuft ein Zaun. Vor fünf Jahren wurde entlang der rund 70
Kilometer langen Landesgrenze zwischen Dänemark und Deutschland
dieser damals sehr umstrittene Wildschweinzaun errichtet. Er ist eine
von mehreren Maßnahmen, mit denen Dänemark seine gewinnbringende
Schweinezucht vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) schützen will.
Am 2. Dezember 2019 befestigten Bauarbeiter das letzte Zaunteil nahe
dem Grenzübergang Sofiedal knapp 20 Kilometer nordwestlich von
Harrislee. Was hat sich seither getan?
Unverhältnismäßig, nutzlos, schlecht für Tiere - die Gegner des Zau
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nannten viele Gründe. Es gab Protestaktionen beiderseits der Grenze,
Unterschriften gegen den Zaun wurden gesammelt. Auch die Gemeinde
Harrislee hatte frühzeitig gegen den Bau interveniert.
Mittlerweile sagt Ellermann, sei es vielleicht wie mit einer kleinen
Narbe am Körper. «Am Anfang stört sie noch enorm, im Laufe der Jahre
gewöhnt man sich daran, nimmt es als Selbstverständlichkeit schon
hin.» Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und das Zusammenleben
würden nicht wirklich beeinträchtigt, als optische Manifestation
einer Grenze störe der Zaun ihn aber weiterhin.
Zaun ist durchlässig für kleine Tiere und Menschen
Der stabile Stahlzaun ist eineinhalb Meter hoch. Etwa einen halben
Meter reicht er in den Boden. An den permanenten Öffnungen für
Grenzübergänge sollen Wildschweine durch Viehgitter vom Überqueren
der Grenze abgehalten werden. Verläuft die Grenze am Wasser, sollen
Sperren, die ins Wasser ragen, verhindern, dass die Wildschweine als
gute Schwimmer diesen Weg nehmen. Für kleinere Tiere sind alle
hundert Meter kleine Öffnungen im Zaun eingelassen. Für Fußgänger u
nd
Radfahrer gibt es Tore auch außerhalb von Wanderwegen.
ASP mittlerweile in Deutschland angekommen
Als der Zaun fertiggestellt wurde, gab es in Deutschland noch keinen
Fall der für Menschen ungefährlichen Tierseuche, die bei Schweinen
häufig nach kurzer Krankheit zum Tod führt. Ein Dreivierteljahr
später, am 10. September 2020, trat der erste ASP-Fall bei einem
Wildschwein in Deutschland auf.
Seither wurden nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in
Deutschland 6.330 Fälle bei Wildschweinen und 19 Ausbrüche in
Schweinehaltungen (Stand: 21. November 2024) erfasst. Aktuell gibt es
demnach Fälle in Brandenburg und Sachsen sowie in Hessen,
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Zwischenzeitlich waren auch
Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern betroffen. Einen Impfstoff
gegen die Infektion gibt es nicht.
Der Ausbruch in Hessen hat auch das FLI überrascht, da er fern des
Geschehens bei Wildschweinen in Brandenburg und Sachsen auftrat, wie
eine FLI-Sprecherin sagte. Genetische Analysen des Virus zeigten
zudem, dass es auch nicht von dort nach Hessen gelangte, sondern das
nächst-verwandte Virus aus dem südosteuropäischen Raum stammt. «Die
Entfernung zu den bisher betroffenen Gebieten und die
Charakterisierung des Virus legen den Verdacht nahe, dass der Mensch
das Virus nach Hessen brachte», sagte die FLI-Sprecherin.
Es gibt verschiedene Maßnahmen, um das Virus nicht zu verbreiten
Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) verbreitet sich das
ASP-Virus vorrangig über den direkten Kontakt zu infizierten
Schweinen, tierischen Produkten oder Speiseabfällen und Blut. «Die
Gefahr ist sehr groß, dass der Mensch das ASP-Virus an Kleidern,
Schuhen oder über Fahrzeuge verbreitet.»
Aus von der ASP betroffenen Gebieten dürfen nach FLI-Angaben weder
lebende Wildschweine noch Wildschweinerzeugnisse nach Deutschland
mitgebracht werden. Aus in Deutschland eingerichteten ASP-Sperrzonen
dürfen weder lebende Wildschweine noch Produkte davon gebracht
werden.
An vielen Rastplätzen in betroffenen Gebieten stehen Mülltonnen und
Hinweisschilder, wie Rohprodukte aus Schweinefleisch für Wildschweine
unzugänglich zu entsorgen sind. «Diese bringen aber nichts, wenn das
angebissene Salamibrötchen neben der Tonne landet», sagte die
FLI-Sprecherin.
FLI: Zäune zum Eindämmen aktiver Geschehen sinnvoll
«Im Seuchenfall haben sich Zäune bewährt», sagte die FLI-Sprecherin
.
Es komme immer auf die Zielsetzung und die genauen Umstände an.
Weitere geeignete Maßnahmen zur Eindämmung aktiver Geschehen sei die
Suche nach Wildschweinkadavern, die Einrichtung verschiedener
Restriktionszonen sowie die Reduktion der Wildschweinpopulation.
Fast keine Wildschweine in Dänemark
In Deutschland werden nach Angaben des DJV jährlich mehrere
Hunderttausend Wildschweine erlegt. Da sich die Schweine schnell
vermehren, wird der Bestand dennoch auf mehr als eine Million Tiere
geschätzt. In Dänemark hingegen dürfte der Wildschweinbestand gegen
null tendieren. Ende 2020 hieß es von der dänischen Naturverwaltung
(Naturstyrelsen), der Bestand sei seit Anfang 2018 von etwa 150 auf
knapp 10 freilebende Tiere reduziert worden. Eine Anfrage zu
aktuellen Zahlen und eine Bilanz zum fünfjährigen Bestehen ließ die
Behörde zunächst unbeantwortet.
Auf dem Wanderweg bei Niehuus nähert sich ein älteres Paar. Es wohnt
etwa 300 Meter vom Zaun entfernt. Sie seien damals sehr gegen den
Zaun gewesen, sagen die beiden. Mittlerweile hätten sie sich daran
gewöhnt, den Zaun akzeptiert. Dennoch: Es wäre gut, wenn er wieder
weg wäre. «Weil wir nicht ganz den Sinn einsehen, warum er überhaupt
da sein soll, weil hier noch nie ein Wildschwein gesichtet wurde.»
Bürgermeister Ellermann sagt, man habe die dänische Seite schon vor
Jahren gefragt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der
Wildschweinzaun wieder demontiert werde. Er wisse es bis heute nicht.
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