Bundesrat segnet Steuerentlastung und Deutschlandticket ab Von Ulrich Steinkohl, dpa

Kann in Berlin nach dem Ampel-Crash überhaupt noch Politik gemacht
werden? Es geht. Das zeigt die letzte Sitzung des Bundesrates in
diesem Jahr. Diese beginnt mit einem Moment des Gedenkens.

Berlin (dpa) - Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung des Jahres
mehrere erst kurz zuvor vom Bundestag beschlossene Gesetze
abgesegnet. So kann nun zum Beispiel zum Jahresanfang das Kindergeld
steigen. Auch die Steuerentlastung für Bürgerinnen und Bürger kommt.

Dem steht eine Belastung durch einen steigenden Pflegebeitrag
gegenüber. Finanziell abgesichert für das kommenden Jahr ist das
Deutschlandticket für den Nahverkehr.

Mehr Kindergeld und weniger Steuern

Ab Jahresbeginn steigt das Kindergeld um fünf Euro auf 255 Euro im
Monat. Für den Staat bedeutet das laut Bundesfinanzministerium Kosten
von rund 790 Millionen Euro. Ein ebenfalls beschlossenes weiteres
Kindergeld-Plus um vier Euro im Jahr 2026 kostet noch einmal rund 635
Millionen Euro. Der steuerliche Kinderfreibetrag wird zum Januar um
60 Euro auf 6.672 Euro angehoben. Im Jahr 2026 steigt er um weitere
156 Euro auf 6.828 Euro. Der Kindersofortzuschlag für Familien mit
geringem Einkommen steigt ab Januar um fünf Euro auf 25 Euro
monatlich.

Eine steuerliche Entlastung gibt es für die Bürgerinnen und Bürger.
Ohne die beschlossene Reform müssten sie durch den ansteigenden
Steuertarif ab Januar auch dann mehr an den Fiskus zahlen, wenn ihre
Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Diesen Effekt nennt man
kalte Progression. Um das zu verhindern, werden mehrere Eckwerte im
Steuertarif so verschoben, dass höhere Steuersätze erst später
greifen.

Deutschlandticket für ein Jahr gesichert

Zumindest für 2025 steht die Finanzierung des Deutschlandtickets für
den Nahverkehr. Allerdings steigt der monatliche Preis für die rund
13 Millionen Nutzer von derzeit 49 Euro auf dann 58 Euro. Nach dem
Bundestag stimmte auch der Bundesrat einer Änderung des
Regionalisierungsgesetzes zu. Im Kern geht es um die Übertragbarkeit
von Restmitteln aus staatlichen Zuschüssen auf Folgejahre. Wie es
langfristig mit dem Ticket weitergeht, ist aber vor allem wegen
Finanzierungsfragen offen. 

Bundesverfassungsgericht besser abgesichert 

Das Bundesverfassungsgericht ist künftig besser gegen
demokratiefeindliche Kräfte geschützt. Zentrale Vorgaben zur Struktur
und Arbeitsweise des Gerichts sind nun im Grundgesetz
festgeschrieben, so dass sie nur noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu
ändern sind. Bislang waren diese Regeln in einfachen Gesetzen
festgeschrieben, die auch mit einfachen Mehrheiten zu ändern waren. 

Im Grundgesetz ist nun verankert, dass das Gericht 16 Richter und
zwei Senate hat, dass die Amtszeit der Richterinnen und Richter zwölf
Jahre beträgt und eine Wiederwahl nicht möglich ist. Damit die
Arbeitsfähigkeit des Gerichts in keinem Fall gefährdet ist, wurde
festgelegt, dass Richter die Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines
Nachfolgers weiterführen. Und es wurde ein Verfahren für den Fall
festgeschrieben, dass in Bundestag oder Bundesrat politische Kräfte
eine Sperrminorität gegen die Wahl neuer Richter haben und diese für
eine Blockade des Gerichts missbrauchen wollen. 

Pflegebeitrag steigt

Die Pflegeversicherung wird wegen steigender Milliardenkosten im
neuen Jahr erneut teurer. Der Beitrag steigt um 0,2 Prozentpunkte.
Der Bundesrat stimmte der entsprechenden Verordnung der
Bundesregierung zu. Zuletzt war der Pflegebeitrag im Sommer 2023
erhöht worden.

Die konkrete Beitragshöhe hängt von der Zahl der Kinder ab. Für
Versicherte mit einem Kind sind es künftig 3,6 Prozent des
Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder steigt der Beitrag auf 4,2
Prozent. Mit zwei Kindern liegt der Beitrag dann bei 3,35 Prozent,
mit drei Kindern bei 3,1 Prozent, mit vier Kindern bei 2,85 Prozent
und mit fünf und mehr Kindern bei 2,6 Prozent. Darin enthalten ist
jeweils ein Arbeitgeberanteil von 1,8 Prozent.

Elektronische Fußfessel bei häuslicher Gewalt

Zum besseren Schutz der Opfer häuslicher Gewalt wollen die Länder die
Täter künftig mit Hilfe elektronischer Fußfesseln überwachen lassen
.
Eine entsprechende Initiative des Landes Hessen erhielt eine
Mehrheit. Maßnahmen wie Kontaktsperren und Näherungsverbote wirkten
nicht effektiv genug, hieß es zur Begründung. Der Bundesrat forderte
die Bundesregierung auf, dazu zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt

Der Bundesrat beschloss auf Initiative des Landes Bayern einen
Gesetzentwurf zur frühen Integration von Asylbewerbern in den
Arbeitsmarkt. Er sieht vor, dass jedem Ausländer während eines
laufenden Asylverfahrens nach drei Monaten die Aufnahme einer Arbeit
erlaubt werden kann. Bisher geht das nur für Asylbewerber, die nicht
verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. In einer
Einrichtung Wohnenden wird die Arbeitsaufnahme frühestens nach sechs
Monaten gestattet. Der Gesetzentwurf wird nun in den Bundestag
eingebracht.

Hilfe für angeschlagene Autoindustrie

Die Länder wollen erreichen, dass der EU-Beschluss, ab 2035 keine
Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zuzulassen, nicht erst
2026, sondern schon 2025 überprüft wird. Die auf Initiative des
Saarlandes gefasste Entschließung will bewirken, dass der Wandel hin
zu nachhaltigen Antriebstechnologien in Europa und Deutschland nicht
zum Verlust von Arbeitsplätzen und Marktanteilen führt. Die
Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die dann
entscheiden muss, ob sie sich damit befasst oder nicht. 

Bundesrat gedenkt ermordeter Sinti und Roma

Zum Auftakt der Sitzung gedachte die Länderkammer der von den
Nationalsozialisten ermordeten Sinti, Roma und Jenischen. Europaweit
seien 500.000 von ihnen dem verbrecherischen NS-Regime zum Opfer
gefallen und in Vernichtungslagern ermordet worden, sagte
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger. «Heute stehen wir hier, um
diesen Menschen zu gedenken und um damit dazu beizutragen, dass ihr
Leid nie vergessen wird.»

Die SPD-Politikerin betonte: «Unser aller Aufgabe ist, dafür Sorge zu
tragen, dass Rassismus und Diskriminierung niemals wieder eine Chance
haben.» Heute seien rund 70.000 Roma und Sinti in Deutschland
heimisch.

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