Krank zur Arbeit? Streit um Krankenstand

Gehen Beschäftigte in Deutschland oft krank zur Arbeit oder macht der
eine oder andere einfach mal blau? Der Allianz-Chef stößt mit einem
brisanten Vorschlag zu den Fehltagen auf Widerspruch.

Berlin (dpa) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt vor einer
zunehmenden Tendenz bei Beschäftigten in Deutschland, trotz Krankheit
zu arbeiten. ««Präsentismus», also krank bei der Arbeit zu
erscheinen, ist branchenübergreifend weit verbreitet», sagte Anja
Piel von der DGB-Führung am Montag in Berlin. Piel reagierte damit
auf einen Vorstoß von Allianz-Chef Oliver Bäte. Bäte empfiehlt, die
Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen.

Piel hielt dem entgegen, die Entgeltfortzahlung bei Krankheit sei ein
hohes Gut angesichts des Umstands, dass immer mehr Menschen trotz
Krankheit arbeiteten. Das DGB-Vorstandsmitglied sagte: «Niemand
braucht aktuell Vorschläge, die noch mehr Beschäftigte dazu bringen,
krank zu arbeiten.»

Streit um Karenztag

Bäte hatte vorgeschlagen, den Karenztag wieder einzuführen. «Damit
würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag
selbst tragen», sagte der Vorstandschef dem «Handelsblatt». Die
Arbeitgeber würden so entlastet. In der Bundesrepublik gilt - anders
als in einigen anderen Ländern - seit Jahrzehnten die Lohnfortzahlung
ab dem ersten Krankheitstag. 

Der Allianz-Chef sieht den hohen Krankenstand in Deutschland als
Kostenproblem. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland 2023
durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. Die Krankenkasse
DAK-Gesundheit weist für 2023 sogar einen noch höheren
Durchschnittswert aus: Demnach hatte weit über die Hälfte der
DAK-Versicherten von Januar bis Dezember 2023 mindestens eine
Krankschreibung. Im Gesamtjahr waren es laut DAK im Durchschnitt 20
Fehltage pro Kopf.

DGB warnt vor «Präsentismus»

Piel sagte dagegen, das Bild zu Krankschreibungen zeige keinen
Handlungsbedarf. Die Gewerkschafterin führte Zahlen der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an, die
keinen dramatischen Anstieg der Fehlzeiten in Deutschland zeigten,
weder im Vergleich mit anderen EU-Staaten, noch im Zeitverlauf. 

«Schon vor Corona gaben etwa 70 Prozent der Beschäftigten an,
mindestens einmal im Jahr krank zur Arbeit erschienen zu sein und im
Durchschnitt fast neun Arbeitstage pro Jahr trotz Erkrankung
gearbeitet zu haben», sagte Piel unter Berufung auf eine
repräsentative Umfrage. Präsentismus schade der eigenen Gesundheit
und könne auch zur Ansteckung von Kolleginnen und Kollegen oder
Unfällen führen - mit hohen Folgekosten.

Die IG Metall bezeichnete es als unverschämt und fatal, den
Beschäftigten Krankmacherei zu unterstellen. «Wer Karenztage aus der
Mottenkiste holt, greift die soziale Sicherheit an und fördert
verschleppte Krankheiten», sagte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban.
«Die deutsche Wirtschaft gesundet nicht mit kranken Beschäftigten,
sondern im Gegenteil mit besseren Arbeitsbedingungen.»

Unionspolitiker offen für «neue Ideen»

Der Unions-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) zeigt sich offen für die
Idee, dass Arbeitnehmer am ersten Krankheitstag keinen Lohn erhalten.
«Unsere Sozialsysteme werden immer weiter beansprucht», sagte Müller

dem Nachrichtenportal «Politico». «Aus diesem Grund sollten wir uns
meiner Meinung nach nicht vor neuen Ideen verschließen und diese
diskutieren. Auch wenn das Thema der Karenztage sich nicht in unserem
Wahlprogramm findet, könnte dies ein altbewährter Ansatz sein.» 

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge
(CDU), sagte dem Portal hingegen: «Nur die allerwenigsten Menschen
melden sich aus Spaß krank.» Sorge forderte einen
«Krankenstands-Gipfel», um mit den beteiligten Akteuren über die Lage

zu beraten.

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