Prozess: Arzt soll betäubte Patientinnen vergewaltigt haben Von Britta Schultejans, dpa

Ein Arzt steht in München vor Gericht, weil er sich an betäubten
Patientinnen vergangen haben soll. Er vermutet eine Verschwörung,
Mitarbeiterinnen erzählen eine andere Geschichte.

München (dpa/lby) - Es sind schockierende Vorwürfe: Über Jahre soll
ein Münchner Arzt betäubte Patientinnen vergewaltigt haben. Laut
Staatsanwaltschaft verging er sich an ihnen, während sie bei
Darmspiegelungen wehr- und bewusstlos auf dem Behandlungstisch lagen.
Der 52 Jahre alte Gastroenterologe bestreitet das. Er selbst sagt zu
Prozessbeginn am Landgericht München I zwar nichts zu den Vorwürfen,
seine Anwältin aber weist sie in einer Erklärung «vollumfänglich»

zurück: «Er hat sich immer an alle medizinischen Grundsätze
gehalten.» 

Ehemalige Mitarbeiterinnen des Mannes sehen das anders: Vier
medizinische Fachangestellte geben laut Staatsanwaltschaft an, der
Arzt habe die Darmspiegelungen, bei denen sie als Assistentinnen
anwesend waren, genutzt, um immer wieder seinen Finger in die Vagina
der jeweiligen Patientin einzuführen, ohne dass es dafür einen
medizinischen Grund gab und ohne dass die betroffenen Frauen es
bemerkten oder sich dagegen wehren konnten. 

Der 52-Jährige saß zeitweise in Untersuchungshaft, inzwischen wurde
der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. 19 Fälle hat die
Staatsanwaltschaft angeklagt. Ihm wird Vergewaltigung und sexueller
Missbrauch vorgeworfen. Die mutmaßlichen Taten erstrecken sich über
vier Jahre von 2017 bis 2021. 

«Ich hab die Gewalt über Dich, Du liegst da grad.»

Die mutmaßlichen Opfer seien «junge, schlanke Frauen» gewesen, sagt
eine 36-Jährige, die eine dieser vier Zeuginnen ist. Oft seien diese
Frauen stärker mit Propofol sediert worden, weil der Arzt sie als
schwierige Fälle eingestuft habe. «Die Patientinnen wurden sehr oft
nachgespritzt, dass sie auch wirklich tief und fest schlafen», sagt
sie.

Was die Motivation des Angeklagten gewesen sein könne, wisse sie auch
nicht. Es seien immer nur sehr kurze Momente gewesen. Vielleicht habe
der Mediziner seine Macht ausüben wollen, mutmaßt sie: «Ich hab die
Gewalt über Dich, Du liegst da grad.» 

Auch als sie ihre Beobachtungen mit einer Kollegin teilte und diese
ähnliche machte und auch als eine Patientin sie nach der
Darmspiegelung gefragt habe, ob ein Brennen in der Scheide normal
sei, habe sie sonst niemandem etwas gesagt. Das bereue sie heute und
erklären könne sie sich das auch nicht. «Man will das nicht
wahrhaben», sagt sie. «Wer glaubt mir? Wie hätte ich es in dem Fall
beweisen können?»

Verteidigung vermutet Verschwörung

Auch als immer mehr Mitarbeiterinnen ähnliche Beobachtungen gemacht
hätten, habe sie den Mann nicht angezeigt - auch nicht, nachdem sie
gekündigt hatte und er nicht mehr ihr Chef war.

Da setzt die Verteidigerin des Angeklagten an. Sie wittert eine
Verschwörung zwischen den Fachangestellten und dem Arzt-Kollegen des
Mannes, mit dem er die gastroenterologische Gemeinschaftspraxis in
München führte. 

Dass Mitarbeiterinnen, die bei den Darmspiegelungen anwesend waren,
diese Vorwürfe gegen ihren Chef erheben, könne daran liegen, dass der
Arzt einen Streit mit seinem Kollegen um die Praxisgemeinschaft hatte
und die Mitarbeiterinnen diesem Kollegen näher standen als ihm. 

Neun Verhandlungstage

Ziel der Anschuldigungen könne gewesen sein, «ihn nicht nur aus
seiner Praxis, sondern auch aus seinem Beruf zu drängen», sagte die
Anwältin. «Das ist die einzige Erklärung, die man dafür hat.» Nur
so
sei auch zu erklären, dass die Vorwürfe erst Jahre nach den ersten
mutmaßlichen Taten im Jahr 2017 erhoben wurden. Die erste Zeugin
weist dies zurück. «Es belastet uns ja all die Jahre jetzt schon»,
sagt sie. «Wir haben das lange genug totgeschwiegen.» 

Das Gericht hat neun Verhandlungstage angesetzt, das Urteil könnte
damit am 31. Januar fallen.

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