Lauterbach schwärmt von E-Akte - und betont deren Sicherheit

In wenigen Tagen wird die elektronische Patientenakte in Arztpraxen
eingeführt - zunächst nur in Testregionen, später bundesweit. Karl
Lauterbach schwärmt davon - doch es gibt Sicherheitsbedenken.

Köln (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kurz
vor dem Start der elektronischen Patientenakte (ePA) deren Vorteile
und vor allem Sicherheit betont. «Die Daten der Bürger sind sicher
vor Hackern», sagte Lauterbach bei einer Präsentation der ePA in
einer Arztpraxis in Köln mit Blick auf kürzliche geäußerte Warnunge
n
von IT-Experten. 

Ab dem 15. Januar 2025 wird die ePA in einer vierwöchigen Pilotphase
in Nordrhein-Westfalen, Franken (Bayern) und Hamburg im Praxisbetrieb
erprobt. Die Praxen und Krankenhäuser außerhalb der Modellregionen
werden erst nach Abschluss der Pilotphase angebunden und können die
ePA erst dann mit Dokumenten füllen. 

Lauterbach zufolge solle diese bundesweite Anbindung zwischen Februar
und April noch unter Aufsicht der aktuellen Bundesregierung
geschehen. Es wird mit mehr als 70 Millionen E-Akten gerechnet.

IT-Experten warnen vor Sicherheitslücken

Der Chaos Computer Club, eine Gruppe von digitalen
Sicherheitsforschern, hatte Ende Dezember mitgeteilt, dass die
digitale Infrastruktur der ePA eklatante Sicherheitslücken aufweise
und somit gehackt werden könne. Die IT-Spezialisten warnten, dass die
Daten von mehr als 70 Millionen Versicherten in Gefahr sein könnten.

Die nationale Agentur für digitale Medizin «Gematik» teilte mit,
diese Hinweise sehr ernst zu nehmen. Die skizzierten
Angriffsszenarien seien zwar technisch möglich, in der Praxis aber
unwahrscheinlich. Die technische Sicherheit werde fortlaufend
geprüft. Lauterbach sagte dazu: «Die elektronische Patientenakte wird
nicht ans Netz gehen, wenn es auch nur ein Restrisiko für einen
großen Hackerangriff geben sollte.» Das sei aber nicht zu
befürchten. 

Es gebe noch technische «Kleinigkeiten», die zu lösen sind, räumte
er
ein. Für die Pilotregion seien sie bereits gelöst und sollen nun auch
bundesweit behoben werden. Dazu stehe man auch mit dem Chaos Computer
Club sowie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in
Kontakt. «Wir werden von diesem Bundesamt grünes Licht bekommen, wenn
wir die Punkte umgesetzt haben, auf die wir uns jetzt geeinigt
haben», sagte Lauterbach.

E-Akte soll «Zehntausenden» das Leben retten

«Die ePA bringt enorme Vorteile für den Patienten», sagte Lauterbach.

Die Medikation sei deutlich sicherer. «Schon bei der Einführung
werden wir Zehntausenden Menschen das Leben retten können.» Die
Behandlung sei langfristig schlicht besser und komfortabler, weil die
Ärzte alle Daten vorliegen hätten und die Behandlung so optimieren
könnten.

Für alle gesetzlich Versicherten soll eine E-Akte von ihrer Kasse
angelegt werden - es sei denn, man lehnt es für sich ab. Es soll auch
im Nachhinein möglich sein, eine einmal angelegte Akte wieder löschen
zu lassen. Sie soll ein digitaler Speicher etwa für Befunde,
Laborwerte und Angaben zu Medikamenten sein und Patienten ein Leben
lang begleiten.

Die Patientenakten starten laut einer Umfrage mit einer breiten
grundsätzlichen Zustimmung. Fast vier von fünf Menschen (79 Prozent)
halten sie für sehr sinnvoll oder eher sinnvoll, wie die Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen
Presse-Agentur ergab.

E-Akte kann auch mit KI verbunden werden

Praktisch läuft die ePA über eine Smartphone-App der jeweiligen
Krankenkasse. Versicherte können darüber selbst Dokumente in der Akte
ablegen, zum Beispiel Befunde oder alte Laborergebnisse einscannen
und hochladen. Auch selbst geführte Tagebücher mit Blutdruckmessungen
können angelegt werden. Beim Arztbesuch befüllt dieser wiederum die
Akte über seinen Praxis-Computer mit Befunden zu aktuellen
Behandlungen.

Außerdem laden die Krankenkassen in die Akte hoch, welche Leistungen
bei ihnen abgerechnet wurden. Nachvollziehbar wird somit noch einmal
schwarz auf weiß, wann welcher Arzt besucht, welche Diagnose dort
gestellt oder welches Medikament wann verschrieben wurde. Hilfreich
könnte das auch beispielsweise bei Umzügen sein: Ein neuer Arzt hätte

so Einblick in die Krankheitshistorie des Patienten, beispielsweise
in seine Vorerkrankungen.

Patienten können Lauterbach zufolge die E-Akte später einmal auch in
Verbindung mit künstlicher Intelligenz nutzen und sich beispielsweise
Krankheitsbilder erläutern lassen oder über Diagnosen und
Behandlungen informieren. «Das ist eine Art der Medizin, die man
sicher bisher noch gar nicht vorstellen kann», betonte Lauterbach.

Dokumente können verborgen oder gelöscht werden

In der App sollen Versicherte selbst festlegen können, welches
Dokument für wen sichtbar ist. Ein Dokument in der E-Akte wird
entweder als freigegeben für alle markiert, die über das Stecken der
Versichertenkarte Zugriff haben, oder es wird nur für bestimmte Ärzte
freigegeben oder als gesperrt markiert, sodass nur der Patient selbst
es sehen kann.

«Sie können jederzeit Inhalte einsehen, einfügen, löschen oder
verbergen, Zugriffsrechte erteilen oder beschränken und Widersprüche
einlegen», heißt es bei den Verbraucherzentralen.

Technikscheue Menschen können Vertrauensperson festlegen

Transparenz und eine größere Informiertheit von Patienten werden
zudem häufig als Vorteile aufgeführt, weil diese selbst einen
Überblick über die eigenen Gesundheitsdaten bekommen. Mit Hilfe der
Daten könnte es auch leichter werden, sich Zweitmeinungen einzuholen
oder gezieltere Rückfragen beim Arzt zu stellen. Angeführt wird
zudem, dass Doppeluntersuchungen vermieden werden könnten. 

Kritik gibt es daran, dass die Steuerung der Akte per Smartphone-App
ältere oder wenig technikaffine Menschen abschrecken könnte.
Betroffene können in einem solchen Fall eine vertrauenswürdige Person
festlegen, die sich für sie um die technische Betreuung der Akte
kümmert. Unabhängig davon besteht die Akte, wenn ihr nicht
widersprochen wurde, auch ohne eigenes Zutun und wird dann
hauptsächlich von behandelnden Ärzten befüllt.

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