Ernüchterung bei Cannabis-Clubs - was bringt die Wahl? Von Christine Schultze, dpa

Cannabis im Club anbauen - diese Aussicht sorgte nach der
Legalisierung für «Goldgräberstimmung» in der Szene. Doch viele sin
d
durch strenge Auflagen und die baldige Bundestagswahl verunsichert.

Darmstadt/Fulda (dpa/lhe) - Nach der Cannabis-Teillegalisierung und
der Freigabe des Anbaus in speziellen Vereinen hat sich bei einigen
hessischen Cannabis-Clubs Ernüchterung breitgemacht. Der
Genehmigungsprozess sei kompliziert und langwierig, heißt es aus dem
Umfeld der Clubs. Man kämpfe mit restriktiven Vorgaben und hohen
Kosten, und manche Club-Initiatoren hätten ihre Pläne wegen
schwieriger Rahmenbedingungen auch schon aufgegeben.

Bislang nur zwei Genehmigungen in Hessen

Hessenweit haben bislang zwei Clubs eine Genehmigung des zuständigen
Regierungspräsidiums Darmstadt für den Cannabis-Anbau erhalten -
darunter die Broccoli Buddies aus dem Landkreis Fulda und ein Club
aus dem Landkreis Gießen. Beantragt haben die Genehmigungen derzeit
28 Clubs, wie sich der Homepage der Behörde entnehmen lässt. «Bislang

wurde kein Antrag abgelehnt. Vielmehr setzen wir auf den Dialog mit
den Vereinigungen, um sie bei der Antragstellung zu unterstützen»,
erklärt ein Sprecher. Zwei Anträge seien zurückgezogen worden, zu den

Hintergründen könne man keine Auskunft geben.

Kritik an den Vorgaben für Clubs 

Als Bearbeitungszeit peilt das Regierungspräsidium einen Zeitraum von
drei Monaten an. Um eine Anbaugenehmigung für Cannabis zu erhalten,
müssen die Clubs beispielsweise die Zahl der Mitglieder angeben sowie
die Lage des Grundstücks und Größe der Anbauflächen und
Gewächshäuser. Auch Angaben darüber, wie viel Cannabis pro Jahr -
getrennt nach Marihuana und Haschisch - angebaut und abgegeben werden
soll, sind zu machen.

Schon die Angaben zu Grundstück und Anbauflächen seien vor dem
eigentlichen Beginn schwierig zu machen, sagt einer der Initiatoren,
der aus Sorge vor möglichen Folgen für einen Genehmigungsprozess
nicht namentlich genannt werden möchte. Dafür müssten die Gebäude
beziehungsweise Anbauflächen bereits angemietet oder gekauft sein,
was angesichts rechtlicher Unsicherheiten mit hohen finanziellen
Risiken verbunden sei. 

Man müsse sich darauf einstellen, monatelang quasi leer zu mieten -
und schließlich vielleicht gar keine Anbaulizenz zu erhalten. Hinzu
kämen anwaltliche Beratungskosten und weitere finanzielle
Belastungen, noch lange bevor die ersten Pflanzen gedeihen oder gar
Cannabis tatsächlich an Clubmitglieder abgegeben werden könne. Das
Regierungspräsidium Darmstadt wies darauf hin, dass für die
Antragstellung die Datenangabe zu in Aussicht stehenden Gebäuden und
Anbauflächen ausreiche. Wenn dann tatsächlich eine Genehmigung
erteilt werde, könne ein entsprechender Miet-, Pacht- oder
Kaufvertrag auch noch nachträglich vorgelegt werden.

Politische Unsicherheit angesichts der Bundestagswahl

Das größte Problem für die Clubs sei aber die politische Unsicherheit

angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar. So hatten
die Unionsparteien mehrfach angekündigt, die Cannabis-Legalisierung
wieder kippen zu wollen. Ein Antrag auf Anbaugenehmigung zum jetzigen
Zeitpunkt macht deshalb aus Sicht von Fynn von Kutzschenbach wenig
Sinn. Der Jungunternehmer ist Gründer eines Cannabis-Vereins in Mainz
sowie mehrerer solcher Vereine in Hessen.

Fachgeschäfte als Konkurrenz?

Auch er hat beobachtet, dass die anfängliche «Goldgräberstimmung»
eher einem Kater gewichen sei. Für von Kutzschenbach gibt es noch
einen weiteren wichtigen Grund, derzeit keine Anbaugenehmigung zu
beantragen: Selbst wenn es bei der Legalisierung bleibt und die Droge
künftig in einigen Städten tatsächlich über Fachgeschäfte verkauf
t
werden sollte, würde dies Anbauvereinen in die Quere kommen. 

Man sei deshalb froh, keine Immobilien gemietet oder gar angekauft zu
haben. «Wo ist der Reiz eines Cannabis Social Clubs, wenn man es auch
im Geschäft kaufen kann?», sagt von Kutzschenbach. Beantragt ist ein
solcher Testlauf beispielsweise in Frankfurt: Hessens größte Stadt
will den Verkauf an Erwachsene in Fachgeschäften testen, bis zu vier
solcher Verkaufsstellen sind geplant.

Gesellschaftlicher Querschnitt unter Vereinsmitgliedern

Von Kutzschenbach selbst konsumiert das Rauschmittel nach eigenen
Worten nicht, sondern beschäftigt sich «ehrenamtlich» mit dem Thema.

Wenn Alkohol oder sogar Lachgas bisher erlaubt seien, stelle sich für
ihn die Frage, warum Cannabis nicht legal sein sollte, sagt er.
Sollte die Legalisierung wieder aufgehoben werden, will er mit seinen
Vereinen aktiv bleiben - und sich dann in der Prävention und
Suchtberatung engagieren. 

Betätigungsfeld dafür dürfte es aus Sicht des Jungunternehmers genug

geben, denn nach seiner Einschätzung bauen seit der Legalisierung
Anfang April vergangenen Jahres sehr viel mehr Menschen Cannabis zu
Hause an. Das Thema ziehe sich quer durch die Gesellschaft, sagt von
Kutzschenbach. Das sei auch in seinen Vereinen festzustellen - unter
den Mitgliedern und Interessenten fänden sich Politikerinnen und
Politiker ebenso wie Ärzte, Anwälte und Polizisten.

Poseck: Teillegalisierung gehört zum «Scherbenhaufen» der Ampel

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) bezeichnete die
Teillegalisierung erneut als «gravierenden Fehler». Das Gesetz gehöre

«zum Scherbenhaufen, den die Ampel hinterlässt. Wenn die kommende
Bundesregierung das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung rückgängig
machen möchte, hat sie meine Unterstützung», erklärte der Minister.

Dass bislang im Bundesland lediglich zwei Anbauvereinigungen
genehmigt werden konnten, zeige zum einen, «dass das Interesse eher
gering ist», so Poseck. «Zum anderen wird deutlich, wie aufwendig das
Genehmigungsverfahren ist.»

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