Sorgen vor der Seuche - Virus bedroht Tiere und Exportmärkte

Ein weiterer Verdachtsfall der Maul- und Klauenseuche hat sich nicht
bestätigt. Vollständige Entwarnung gibt es aber noch nicht. Warum die
Agrarbranche vor dem Virus zittert.

Berlin (dpa) - Auf diese Nachricht hatten alle gehofft: Der
Verdachtsfall auf die für Menschen ungefährliche Maul- und
Klauenseuche im Landkreis Barnim hat sich nach Angaben von
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) nicht bestätigt. «Der Stand

ist heute, dass es keinen zweiten weiteren positiven Fall gibt»,
sagte Özdemir am Morgen im Deutschlandfunk. 

Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts hätten noch in der Nacht
die Untersuchung vorgenommen. Die Ziege sei frei von Maul- und
Klauenseuche. Damit bleibe es bei dem einen bekannten Ausbruch.
«Deutschland ist weiterhin nicht maul- und klauenseuchenfrei, aber
immerhin die Tierseuche hat sich Stand heute nicht ausgebreitet»,
fügte Özdemir hinzu. Die Sorgen seien aber weiterhin groß. Solange
nicht sicher sei, dass Deutschland vollständig frei von der Seuche
sei, dürfe es bei den Schutzmaßnahmen kein Nachlassen geben.

Warum die Seuche für Tiere so gefährlich ist und welche Folgen der
Agrarbranche nun drohen: 

Was ist die Maul- und Klauenseuche? 

Verursacht wird die Krankheit durch ein Virus. Anstecken können sich
vor allem Klauentiere wie Rinder und Schweine, Schafe und Ziegen. Die
betroffenen Tiere haben hohes Fieber, starke Schmerzen und lahmen,
außerdem bilden sich an Zunge und Lippen, an Klauen und Zitzen viele
Bläschen. 

Von der Infektion bis zu den ersten Symptomen dauert es nur zwei bis
sieben Tage, deswegen kann sich die Seuche schnell ausbreiten.
Tödlich verläuft sie nur selten, allerdings ist die Sterblichkeit bei
Jungtieren höher. Tiere, die genesen sind, bleiben oft geschwächt.
Kühe geben oft kaum noch Milch. Auch können diese Tiere das Virus
noch lange Zeit ausscheiden.

Wie verbreitet sich die Seuche?

Das Virus kann monate- oder gar jahrelang infektiös bleiben, auch
wenn es im Erdboden ist oder eingetrocknet. Es kann direkt von Tier
zu Tier weitergegeben werden, etwa über den Atem, aber es kann sich
auch über die Räder von Fahrzeugen oder an Schuhsohlen und Kleidung
verbreiten. In Deutschland wurde das Virus vor dem aktuellen Fall
zuletzt vor mehr als 35 Jahren nachgewiesen. Auch in der übrigen EU
gab es zuvor seit Jahren keinen bestätigten Fall.

Ist die Seuche für den Menschen gefährlich?

Nein, das Virus stellt kein Risiko für die öffentliche Gesundheit
dar. Normalerweise können sich Menschen auch nicht anstecken. Fleisch
und Milch können bedenkenlos verzehrt werden. Fachleuten zufolge kam
es ganz vereinzelt dazu, dass sich Menschen infiziert haben, die
direkten, engen Kontakt zu erkrankten Tieren hatten. Aber auch dann
verliefen diese Erkrankungen ziemlich harmlos mit milden Symptomen. 

Oft wird die Maul- und Klauenseuche mit der Hand-Fuß-Mund-Krankheit
verwechselt. Auch diese wird von Viren ausgelöst, aber ganz anderen.
Die Symptome wie etwa Bläschen an den Schleimhäuten sind ähnlich -
aber die Krankheiten haben nichts miteinander zu tun.

Gibt es einen Impfstoff gegen die Maul- und Klauenseuche?

Impfstoffe könnten anhand einer Impfstoffdatenbank in kurzer Zeit
hergestellt werden. Solch eine Notimpfung hätte aber starke
Handelsrestriktionen zur Folge, erklärte die Leiterin des Instituts
für Epidemiologie am Friedrich-Loeffler-Institut, Carola
Sauter-Louis. «Viele Drittländer wollen kein Risiko eingehen und
wollen keine Importe aus Ländern, die impfen.»

Was ist die Ursache für den Ausbruch?

Das ist noch nicht bekannt. Infrage kommen etwa Wildtiere wie
Wildschweine, die das Virus von einem Ort zum anderen gebracht haben
könnten. Aber das ist bislang reine Spekulation, einen Nachweis dafür
gibt es nicht. 

Häufige Verbreitungswege sind auch neu in die Herde eingeführte
infizierte Tiere, kontaminierte Transportfahrzeuge oder Ausrüstung,
mit dem Virus belastetes Futter oder Wasser. Das Virus kommt in
manchen Gegenden der Welt verbreitet vor, unter anderem in
verschiedenen Teilen Asiens. Von dort stammt auch der zuerst in
Brandenburg aufgetauchte Virustyp.

Welche Folgen hat das Virus für die Landwirte? 

Die Folgen für die betroffenen Landwirte als auch für die gesamte
Agrarbranche sind verheerend. Sämtliche Tiere eines betroffenen Hofs
werden getötet. Im aktuellen Fall wurden selbst auf einem Betrieb in
Schöneiche (Landkreis Oder-Spree) Ziegen, Schafe und Rinder
vorsorglich getötet, weil der Hof Heu vom betroffenen
Ursprungsbetrieb aus Hönow bezogen hatte.

Der Deutsche Raiffeisenverband hat erstmals eine konkrete Schätzung
zu den wirtschaftlichen Schäden abgegeben, die bisher insgesamt für
die Agrarbranche infolge des Ausbruchs entstanden sind. «Entlang der
Wertschöpfungskette gehen wir Stand heute bereits jetzt schon von
einem Umsatz-Verlust in Höhe von einer Milliarde Euro aus», sagte der
Hauptgeschäftsführer des Verbands, Jörg Migende. Der Verband der
Fleischwirtschaft war bisher von Schäden im mittleren dreistelligen
Millionenbereich ausgegangen.

Wie kommen diese Schadenssummen zustande? 

Das Problem ist vor allem der Export. Innerhalb der EU, wo die
wichtigsten Abnehmer sitzen, kann der Handel mit tierischen Produkten
aus Deutschland weitergehen. Hier herrscht das sogenannte
Regionalisierungsprinzip. Das heißt, deutsche Produkte, die nicht aus
den betroffenen Gebieten stammen, können in andere Mitgliedstaaten
exportiert werden. Zu den großen Handelspartnern außerhalb der EU
zählen Großbritannien, Südkorea und Vietnam. Sie haben bereits
Importstopps für viele Produkte aus ganz Deutschland verhängt.
Bauernpräsident Joachim Rukwied fürchtet, dass diese selbst bei
rascher Eindämmung noch monatelang aufrechterhalten bleiben -
wahrscheinlich bis zu sechs Monate.

Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen nannte es problematisch,
dass einige Staaten außerhalb der EU schon Importstopps für Fleisch
aus ganz Deutschland verhängt haben. Es gelte nun, mit diesen Staaten
in den Dialog zu gehen. Denn die Beschränkungen in Deutschland
beträfen nur die Region in der Schutzzone, aber nicht die anderen
Bundesländer. Der Kommissar wies zudem darauf hin, dass gemästete
Tiere auch irgendwann geschlachtet werden müssten, sonst entstünde
ein Problem an Schlachthöfen.

Welche Produkte sind besonders betroffen? 

Besonders vom Export abhängig sind Schweinehalter. Noch Anfang dieser
Woche sprach die Interessengemeinschaft der Schweinehalter
Deutschlands (ISN) von überschaubaren Auswirkungen der Tierseuche auf
den deutschen Schweinemarkt. Aber diese Einschätzung habe sich
inzwischen geändert, sagte ein ISN-Sprecher. «Das Geschehen ist
hochdynamisch.» Allerdings gehen 80 Prozent der Exporte in EU-Länder,
wo Restriktionen noch geringer ausfallen.

Auf den Rindfleischmarkt habe der Ausbruch der Seuche bislang kaum
Auswirkungen gehabt, sagt der Marktexperte der Landwirtschaftskammer
Niedersachsen, Albert Hortmann-Scholten. Der Sektor sei nicht so
exportabhängig wie der Schweinefleischmarkt. Es gelte aber für Kälber

derzeit ein Importverbot für die Niederlande.

Auch der Markt für Molkereiprodukte hat inzwischen die Auswirkungen
des MKS-Ausbruchs zu spüren bekommen. Länder außerhalb der EU haben
ein Einfuhrverbot für Milchprodukte verhängt, erklärt
Hortmann-Scholten. Deutschland sei nach den USA der zweitgrößte
Käseproduzent der Welt. 

Werden Butter und Milch jetzt billiger?

Branchenexperten können sich vorstellen, dass einige Produkte im
Supermarkt wie Butter und Milch wegen der Seuche für Verbraucher
etwas günstiger werden könnten, allerdings erst mit ein paar Wochen
Verzögerung. «Weil nicht die komplette Ware wie vorher abverkauft
werden kann, kommt es zu einem Überangebot», sagt der
Agrarmarktexperte des Thünen-Instituts, Josef Efken. Dadurch würden
bei Landwirten die Preise für Milch und Schlachtschweine sinken.

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