Der Streit der Kleineren - Bei Asyl prallen Positionen aufeinander Von Basil Wegener, Axel Hofmann und Leonie Asendorpf, dpa
Sind die Menschen quasi überall mit illegaler Zuwanderung
konfrontiert - oder verunsichert die Debatte Millionen Migranten?
Eine Talkrunde zeigt, wie die kleineren Parteien über Asyl streiten.
Berlin (dpa) - Fokus Migration: Auch eine Talkrunde von sechs
kleineren Parteien gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl ist von
Zuwanderung und Flucht bestimmt worden. Scheinbar unversöhnlich
prallten in der ZDF-Sendung «Schlagabtausch» Forderungen nach
radikalen Veränderungen auf die Verteidigung bereits beschlossener
Reformen. Auch die Wirtschaft und das Soziale liegen den vertretenen
kleineren Parteien nach Auskunft ihrer Spitzen am Herzen - wie auf
die Frage nach dem drängendsten Thema direkt nach der Wahl deutlich
wurde.
Der Streit der Kleineren um Asyl
Angesichts des Streits um Asyl schlug der FDP-Vorsitzende Christian
Lindner einen «parteiübergreifenden Schulterschluss» ohne und gegen
die AfD vor. Unionspositionen sollten in einen rot-grünen
Gesetzentwurf eingearbeitet werden. So könne man die AfD kleinmachen.
«Die AfD wird man nicht kleinmachen mit Lichterketten», ergänzte
Lindner an die Adresse von Grünen-Chef Felix Banaszak. «Die AfD macht
man nur klein, indem man Probleme kleinmacht, die diese Partei einst
groß gemacht haben.»
Banaszak entgegnete: «Die AfD macht man vor allem nicht klein, indem
man die Geschichten und die Narrative übernimmt, die diese Partei
seit Jahren durchs Land treibt.» Der Grünen-Chef kritisierte damit
Forderungen nach einem schärferen Asylkurs bei anderen Parteien.
Vergangene Woche hatte die Union erst mit Stimmen der AfD einen
Bundestagsbeschluss für einen härteren Migrations-Kurs durchgesetzt.
Für den Antrag stimmte auch die überwiegende Zahl der
FDP-Abgeordneten. Ein CDU/CSU-Gesetzentwurf zur Begrenzung der
Migration scheiterte daraufhin aber im Parlament.
Grünen-Chef verteidigt Kanzlerkandidaten
Ein umstrittenes Migrationspapier von Grünen-Kanzlerkandidat Robert
Habeck wurde vom Parteichef verteidigt. Es sei Ausweis dafür, dass
die Grünen um Differenzierung bemüht seien. Habeck hatte in einer
«Sicherheitsoffensive» mehr Abschiebungen gefordert. Banaszak sagte,
die Migrationsdebatte gehöre «raus aus der Zuspitzung». Deutschland
brauche nicht nur ausländische Fachkräfte, sondern könne auch
Menschen aufnehmen, «die auf der Suche nach Schutz sind, weil sie vor
Bomben, vor Hunger, vor Bedrohung fliehen».
Banaszak stellte sich der Position entgegen, beim Asylsystem müsse
komplett neu angesetzt werden. Er verwies auf das europäische
Asylsystem, das im vergangenen Frühjahr nach jahrelangen
Verhandlungen von den EU-Mitgliedern beschlossen wurde und ab 2026
gelten soll.
Parteien warnen vor wachsender Überforderung
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht wiederum verwies auf das Grundgesetz,
das nur demjenigen Anspruch auf Asyl gewähre, der nicht aus einem
sicheren Drittstaat komme. Nach dem EU-weiten sogenannten
Dublin-Verfahren ist in der Regel das europäische Land für einen
Flüchtling zuständig, über das er in die EU eingereist ist.
Wagenknecht sagte, diesen Grundsatz könnten nur Privilegierte
bestreiten, die nicht betroffen seien. Denn die Systeme etwa für die
Gesundheitsversorgung oder die öffentliche Sicherheit seien
überfordert.
Auch Lindner, AfD-Chef Tino Chrupalla und CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt beklagten eine Überforderung vieler Kommunen bei
der Zuwanderung. Wagenknecht nannte als Beispiel den Wohnungsmarkt:
«Jede neue Sozialwohnung bekommt eher eine Zuwandererfamilie. Das ist
für die Menschen, die eine Sozialwohnung brauchen, eine richtig harte
Situation.» Aus Sicht des Linke-Vorsitzenden Jan van Aken liegt die
Überforderung hingegen daran, dass die Kommunen «kaputtgespart»
worden seien.
Dobrindt: Illegale Migration überall im Alltag spürbar
Dobrindt sagte: «Wir sind ein weltoffenes Land.» Doch für jene, die
nicht Teil der Gesellschaft sein wollten, müsse diese sagen können:
«Sie müssen dieses Land auch wieder verlassen.» Ständig - so der
CSU-Politiker - sei die Realität der Menschen mit der illegalen
Migration konfrontiert - «im Kindergarten, in der Schule, am Bahnhof,
am Marktplatz». Die Zahlen seien zu hoch.
Wagenknecht sagte in Anspielung auf den tödlichen Messerangriff von
Aschaffenburg, «schreckliche Dinge» geschähen, weil die Zahl der nach
Deutschland kommenden Flüchtlinge zu hoch sei.
Schlagabtausch Wagenknecht - van Aken
Heftig geriet Wagenknecht mit dem Chef ihrer ehemaligen Partei Die
Linke aneinander. Van Aken sagte: «In Deutschland leben über 21
Millionen Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Wenn die hier
zugucken, fragen sie sich: Ist das überhaupt noch das Land, in dem
ich leben kann?» Der Linke-Politiker erzählte von eigenen Freunden
mit ausländischen Wurzeln, die verunsichert seien - sie sagten: «Alle
hetzen gegen jede Art von Migration.» Seinen Mitkonkurrenten warf van
Aken vor, ein KIima der Unsicherheit für Millionen zu schaffen.
Wagenknecht entgegnete, das wirkliche Problem sei «dieses Wegreden
dessen, was die Menschen real in ihrem Leben sehen an Problemen und
täglich erleben». Wagenknecht: «Die These, dass die Debatte über
Migration verantwortlich dafür ist, dass es Probleme gibt, das ist so
was von absurd.» Wer diese wegrede, lebe «jenseits der Realität der
Menschen».
Und was wollen die Parteien für die Wirtschaft?
Mit der Sozialpolitik und der Wirtschaft kamen auch zwei andere
Felder ausführlicher zur Sprache. Auf die Frage nach dem Thema, das
«an Tag eins nach der Wahl» oben stehe, nannte Lindner eine
Wirtschaftswende. Denn für alles andere brauche es ein stabiles
wirtschaftliches Fundament. Auch Dobrindt zählte mehr wirtschaftliche
Wettbewerbsfähigkeit zu seinen Kernanliegen.
Für Banaszak waren dies Investitionen in Infrastruktur, Schulen und
Kitas und Klimaschutz. AfD-Chef Tino Chrupalla stellte ins Zentrum,
dass die Energiepreise gesenkt werden müssten und nannte etwa
russisches Gas und Kernenergie als Mittel. Van Aken stellte einen
Mietendeckel ganz nach vorn, denn Mieten seien das «große soziale
Problem unserer Zeit».
Auch die Außenpolitik wurde gestreift. Anstatt Geld für «immer mehr
Waffen» auszugeben, brauche es das für Schulen, Krankenhäuser,
Renten, sagte Wagenknecht. Chrupalla forderte diplomatische
Bemühungen gegen Russlands Krieg in der Ukraine und generell eine
Friedenspolitik.
Und als Nächstes folgt das Duell
Moderator Andreas Wunn meinte zum Schluss, es sei ihm ganz gut
gelungen, die Runde im Zaum zu halten. Am Sonntag - zwei Wochen vor
der Wahl - treffen dann Kanzler Olaf Scholz (SPD) und
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bei ARD und ZDF in 90 Minuten
zusammen. Dann heißt es: «Das TV-Duell - Scholz gegen Merz».
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.