Selbsttests für die Gesundheit - sinnvoll oder schädlich? Von Irena Güttel, dpa
Blut, Speichel oder Stuhl können viel über die Gesundheit eines
Menschen verraten. Selbsttests versprechen eine bequeme Anwendung für
zu Hause. Wieso das nicht immer gute Idee ist, erklären Fachleute.
Altdorf/Berlin (dpa) - Ständig müde, schlapp und kraftlos? Wer im
Internet sucht, findet dafür vielerlei Erklärungen. Ist es Vitamin
B12-Mangel, ist die Darmflora nicht in Ordnung oder ist es gar Krebs?
Vermeintliche Gewissheit sollen medizinische Selbsttests bringen, die
man einfach zu Hause machen kann. Im Internet, in Drogeriemärkten und
Apotheken findet man sie für alle möglichen Anwendungsbereiche. Doch
wie zuverlässig sind solche Tests?
Schwangerschaft-Schnelltests und Blutzuckertests für Menschen mit
Diabetes gibt es schon lange. Wer befürchtet, sich mit HIV infiziert
zu haben, kann das seit Herbst 2018 mit einem Selbsttest überprüfen.
Mit der Corona-Pandemie ist es dann für viele Menschen auch
selbstverständlich geworden, sich selbst auf bestimmte
Krankheitserreger zu testen.
Selbsttest-Boom merken Ärzte in der Sprechstunde
Da scheint es nur konsequent, Selbsttests auch für andere
Gesundheitsfragen zu nutzen. Schließlich sind viele es auch schon
gewohnt, ihren Gesundheitszustand mit Smartwatch oder Smartphone
selbst zu vermessen.
Dass der Markt für Tests boomt, bekommt die Gastroenterologin Birgit
Terjung in ihrer Sprechstunde in Bonn deutlich zu spüren. Sie sehe
mittlerweile oft Patientinnen und Patienten mit unklaren
Bauchschmerzen, die einen Mikrobiom-Selbsttest gemacht haben - also
eine Stuhlprobe an einen kommerziellen Anbieter geschickt haben, um
die Zusammensetzung ihrer Darmflora auswerten zu lassen.
Kostspielige Angelegenheit
Doch solche Tests seien wenig aussagekräftig und kostspielig, warnt
die Expertin von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Der Stuhltest komme nur von
einem Abschnitt des Darms, das Ergebnis sei zudem von der Tageszeit
und dem Essen abhängig, erläutert Terjung. Nach der Analyse erhalte
man von Anbietern oft eine aufwendige Ernährungsempfehlung und
speziell zusammengestellte Probiotika, die die Darmflora optimieren
sollen.
«Diese Therapien sind sehr teuer, bis in den vierstelligen Bereich»,
sagt Terjung. «Und ob das hilft, ist fraglich.» Solide
wissenschaftliche Beweise gebe es jedenfalls nicht, schreibt ein
internationales Expertengremium im Fachjournal «The Lancet
Gastroenterology & Hepatology». Die Zeit sei noch nicht reif, um aus
Mikrobiom-Analysen Frühdiagnosen für Krankheiten oder Behandlungen
abzuleiten. «Aber der Markt ist schneller als die Wissenschaft, wie
es bereits in der Vergangenheit bei den Gentests für den Hausgebrauch
der Fall war», so die Autoren.
Ovulationstest kann Sinn machen
Vorsicht geboten ist auch bei Hormontests. Cortisolmangel könne die
Ursache dafür sein, dass man sich gestresst fühle, heißt es von
Herstellern. Ein Speicheltest bringe Gewissheit. Ähnliche Versprechen
gibt es auch für Sexual- oder Schilddrüsenhormone.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Altdorf rät
davon ab, solche Tests in Eigenregie zu machen. Die Qualität sei
nicht gesichert und die Ergebnisse könnten ungenau sein, weil der
Hormonspiegel abhängig zum Beispiel von der Tageszeit sei, betont
DGE-Experte Alexander Mann. «All diese Faktoren werden bei der
Bewertung in einer Fachpraxis berücksichtigt.» Sinnvoll könnten
dagegen Ovulationstests bei Frauen mit Kinderwunsch sein.
Ergebnisse richtig einordnen
Ungenaue Selbsttests können Patientinnen und Patienten verunsichern,
zu überflüssigen Behandlungen führen - oder sogar dazu, dass
notwendige verschleppt werden, sagt der Bremer Mediziner Hans-Michael
Mühlenfeld. «Viele Menschen fühlen sich müde oder kraftlos und
bekommen in der Werbung zu sehen, dass dies und das hilft.» Es sei
aber nicht hilfreich, wahllos auf Vitamin- oder Mineralstoffmangel zu
testen und Nahrungsergänzungsmittel zu schlucken.
Von Beschwerden auf eine Krankheit zu schließen, sei ein komplexer
Vorgang, sagt der Experte für hausärztliche Praxis der Deutschen
Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. «Das ist nicht
damit getan, dass man irgendwelche Tests macht.» Außerdem sei es
wichtig, die Ergebnisse einzuordnen. Ein Beispiel dafür sei
Cholesterin. Ein hoher Wert sei nicht per se schlecht, sondern werde
erst im Zusammenspiel mit anderen Merkmalen wie Übergewicht, hohem
Blutdruck oder Rauchen ein Risiko.
Es gibt Menschen, die sehr um ihre Gesundheit besorgt sind. Andere
dagegen zögern lange, bis sie zum Arzt gehen. Selbsttests könnten das
noch befördern, meint Mühlenfeld. Müdigkeit etwa könne verschiedene
,
oft harmlose Ursachen haben, aber manchmal stehe eine ernsthafte
Erkrankung dahinter. «Wenn man dann erst einmal mit
Nahrungsergänzungsmitteln arbeitet, verzögert man natürlich unter
Umständen die Diagnostik und vielleicht eben auch eine gezielte
Therapie.»
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