Ärztin zu sein, war ein «Traum» - Hochstaplerin vor Gericht
Der Arztberuf hat ein besonders hohes Renommee. Eine junge Frau
träumte davon und gesteht jetzt, sich unberechtigterweise als Ärztin
ausgegeben zu haben. Nun steht sie vor Gericht.
Osnabrück (dpa) - Sie ist erst Anfang 20 und hat angeblich schon ein
abgeschlossenes Medizinstudium vorzuweisen: Verantwortliche in zwei
niedersächsischen Kliniken wurden nicht misstrauisch, als sich im
Jahr 2022 eine junge Frau als Assistenzärztin bewarb. Sie legte den
Angaben nach eine gefälschte Approbationsurkunde vor und konnte für
kurze Zeit in Krankenhäusern in Debstedt (Landkreis Cuxhaven) und im
emsländischen Meppen arbeiten.
Die Frau flog als Hochstaplerin auf - und steht nun vor dem
Landgericht Osnabrück. Am ersten Verhandlungstag räumte die heute
23-Jährige die Vorwürfe ein.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr gewerbsmäßigen Betrug, gewerbsmäßi
ge
Urkundenfälschung sowie den Missbrauch von Berufsbezeichnungen vor.
Außerdem soll sie in Meppen sieben Patienten in der Notaufnahme
behandelt haben und ihnen dabei Betäubungsspritzen verabreicht und
Schnittwunden vernäht haben. Das wertet die Staatsanwaltschaft als
gefährliche Körperverletzung.
Kollege von Ex-Freund wurde misstrauisch
Es war ein Rettungssanitäter, Ex-Kollege ihres damaligen Freundes,
der angesichts des sehr jungen Alters der vorgeblichen Ärztin
misstrauisch war. Als er sie persönlich kennenlernte und sich länger
mit ihr unterhielt, habe sich sein Eindruck verfestigt, dass die
junge Frau nur eine falsche Ärztin sein konnte, schilderte der in
Bremerhaven arbeitende 59 Jahre alte Zeuge dem Gericht.
Ihm sei aufgefallen, dass es mit den Fachkenntnissen der aus Bremen
stammenden Frau nicht allzu weit her gewesen sei. Als er sie nach
ihrer Fachrichtung gefragt habe, und sie als Antwort Neurochirurgie
gab, habe für ihn festgestanden, dass sie keine echte Ärztin sein
könne. «Wann will sie denn dann mit dem Studium angefangen haben,
etwa als Achtjährige?», fragte er rhetorisch.
Schule und angebliches Studium in den USA
Die junge Frau hatte angegeben, in den USA aufgewachsen zu sein und
dort studiert zu haben. Auch Hochschulen in Österreich habe sie
besucht, so lautete der zum großen Teil ausgedachte Lebenslauf.
Immerhin war sie mit ihren Eltern tatsächlich im Jahr 2006 in den
US-Bundesstaat Kansas gezogen und hatte dort einen
Highschool-Abschluss gemacht. Der entsprach aber nicht den
Anforderungen des deutschen Abiturs.
Eine Bescheinigung des Landes Bremen, wonach sie die allgemeine
Hochschulreife besitze, habe sie gefälscht, räumte sie auf Nachfrage
des Staatsanwalts ein. Im Jahr 2019 kehrte sie mit ihrer Familie
zurück.
«Mehr als Mist gebaut»
Seine Mandantin habe mehr als Mist gebaut, sagte der Verteidiger zu
Beginn der Verhandlung. «Das weiß sie auch.» Sie räume alle in der
Anklageschrift genannten Vorwürfe vorbehaltlos ein. Das Motiv sei
Geltungsbewusstsein gewesen, aber auch ihr damaliger Freund, der es
toll gefunden habe, eine Ärztin als Partnerin zu haben, habe Druck
auf sie ausgeübt.
«Sie hat gerne Ärztin sein wollen, das war ein Traum», sagte der
Verteidiger. Eine Ausbildung als Krankenpflegerin schloss sie nicht
ab. Inzwischen habe seine Mandantin ein Medizinstudium begonnen und
sei «relativ erfolgreich» im vierten Semester. Die Hochschulreife
habe sie inzwischen nachgeholt, versicherte die Angeklagte.
Ex-Freund belastet
In ihrer Aussage belastete sie ihren damaligen Freund. Der habe sie
mit Gewalt dazu gezwungen, als Ärztin zu arbeiten. Er habe auch die
gefälschte Approbationsurkunde für rund 600 Euro besorgt. Versuche,
sich von ihm zu trennen, seien nicht erfolgreich gewesen.
In der Klinik in Debstedt lief die junge Frau nur mit erfahrenen
Ärzten mit, ohne Patienten zu behandeln. Dort fielen ihre fehlenden
Kenntnisse schnell auf und das Krankenhaus kündigte ihr. Aber es war
der misstrauische Rettungssanitäter, der dem dortigen Chefarzt den
Tipp gab, sich wegen der offenkundig gefälschten Approbation bei der
angeblich ausgebenden Behörde in Hamburg zu melden.
Rettungssanitäter gab den Tipp
Als er über Kollegen erfuhr, dass die junge Frau wenige Wochen später
in Meppen arbeitete, habe er dort angerufen und ebenfalls den Tipp
gegeben, mal wegen der Approbation in Hamburg nachzufragen, sagte der
Rettungssanitäter. Dadurch flog der Schwindel im Emsland auf.
Dort hatte sie bereit in der Notaufnahme gearbeitet und sieben
Patientinnen und Patienten mit Schnittwunden Betäubungsspritzen
gegeben und Wunden vernäht - ohne jemals dafür ausgebildet worden zu
sein.
Ausstellende Behörde gibt es schon seit 20 Jahren nicht mehr
Eine Vertreterin der Hamburger Sozialbehörde erläuterte als Zeugin,
woran man an der Approbationsurkunde der jungen Frau die Fälschungen
erkennen konnte. Unter anderem sei die dort genannte ausstellende
Behörde schon vor etwa 20 Jahren aufgelöst worden. Und auch die
Person, die das Dokument unterschrieben haben soll, sei schon seit
bestimmt 20 Jahren im Ruhestand.
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Dann sollen unter
anderem der Ex-Freund der Angeklagten und die geschädigten Patienten
als Zeugen gehört werden.
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