Schweine als Organspender - «eine große Hoffnung» Von Doreen Garud, dpa

Tausende Menschen warten allein in Deutschland auf ein Spenderorgan.
Könnten Nieren und Herzen bald von genetisch veränderten Schweinen
kommen? Klinische Studien dazu starten in den USA.

Washington/Hannover/München (dpa) - Ein Schweineherz, das in einem
Menschen schlägt: In Einzelfällen ist das bereits kurzzeitig
gelungen. Auch Nieren der Tiere wurden bereits transplantiert. Ein
62-Jähriger lebte im vergangenen Jahr sogar fast zwei Monate lang mit
einer Schweineniere, ehe er an einer plötzlichen Herzerkrankung
starb, wie jüngst im «New England Journal of Medicine» berichtet
wurde.

Die Hoffnung wächst, dass Organe von Tieren den weltweiten Engpass an
Spenderorganen beseitigen können. Allein in Deutschland stehen laut
Eurotransplant mehr als 8.000 Menschen auf Wartelisten. Geforscht
wird an der Übertragung von tierischen Organen auf Menschen,
Xenotransplantation genannt, bereits seit Jahrzehnten. 

Doch nur ganz vereinzelt wurden solche Eingriffe bisher genehmigt. In
Deutschland noch gar nicht, in den USA nur durch Ausnahmeregelungen.
Nun allerdings erlaubte die US-Arzneimittelbehörde FDA erstmals
klinische Studien zur Transplantation von Schweinenieren. Das
Biotech-Unternehmen United Therapeutics will im Sommer bis zu 50
Menschen in die Studie einschließen, bei dem zweiten Unternehmen
handelt es sich um eGenesis.

Genetisch veränderte Schweine

Damit die Organe von den Empfängerinnen und Empfängern nicht gleich
abgestoßen werden, muss das Erbgut der Spendertiere verändert werden.
Die Tiere werden dafür gezielt entwickelt und gezüchtet - nicht nur
in den USA, sondern auch zum Beispiel an der Technischen Universität
München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität München. 

Der Leiter der TUM-Sektion Xenotransplantation, Konrad Fischer,
erklärt, im Erbgut der Spendertiere werde genetisch verändert. Dabei
gehe es unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der
Oberfläche von Schweinezellen, gegen die Menschen von Natur aus
Antikörper hätten. Bei diesen Entwicklungen seien die Münchener
«weltweit ganz vorn mit dabei».

Auch die Forschung in Deutschland wäre so weit

Bei der ersten Herztransplantation in einen Menschen seien die USA
den Münchenern zuvorgekommen, meint Fischer. «Diese individuellen
Heilversuche könnten wir in Europa auch jederzeit durchführen - wir
haben die Tiere verfügbar, wir haben das Know-how verfügbar und wir
wären so weit.» Doch in den USA gebe es mehr Geld an Universitäten,
eine hohe Industrie-Kooperation und mehr Infrastruktur, etwa was die
Haltung der Schweine unter sehr sauberen Bedingungen betrifft.

Schweine haben sich als besonders vielversprechende Spender erwiesen.
«Man nutzt deswegen Schweine, weil diese eine hohe Vergleichbarkeit
zum Mensch initial aufzeigen und von den anatomischen Strukturen her
eigentlich gut geeignet sind», sagt der Transplantationschirurg
Philipp Felgendreff von der Medizinischen Hochschule Hannover. Er
verbinde mit dem Ansatz «eine große Hoffnung».

Mehrere Monate überleben vs. mehrere Jahre

Allerdings sei es noch zu früh um abzuschätzen, wann sich dieses
Verfahren etablieren und dann Tausenden Menschen zur Verfügung stehen
könnte. «Das hängt natürlich vor allen Dingen jetzt auch von den
anlaufenden Studien in den USA ab.» Bisher, so Felgendreff, hätten
Menschen mit Schweineorganen wenige Monate überlebt, bei menschlichen
Organen liege die Überlebenswahrscheinlichkeit schon lange bei 10, 15
oder gar 20 Jahren. «Da ist die Lücke noch sehr, sehr groß.»

Eine Herausforderung: Es muss sichergestellt sein, dass die
tierischen Organe frei von Mikroorganismen sind, welche Menschen
schaden könnten. Wie groß die Gefahr einer Infektion über die
Transplantation ist, sei nicht einfach einzuschätzen, sagt Joachim
Denner von der Freien Universität Berlin. Denn Viren würden am
Schutzsystem der Haut vorbei in das System eingetragen. Auch gebe es
Viren, die in gesunden Menschen nichts anrichteten, bei kranken
Menschen aber schon.

Einmal sei ein Schweine-Herpesvirus nachweislich übertragen worden
und habe zum Tod des Patienten beigetragen, erinnert sich Denner. Er
und zahlreiche andere Fachleute arbeiteten daran, das Risiko einer
Übertragung zu vermindern. So sei - als reine Vorsichtsmaßnahme - zum
Beispiel ein Impfstoff gegen Retroviren des Schweins entwickelt
worden. Diese sind im Genom des Schweins integriert und können nicht
durch Zucht unter keimfreien Bedingungen eliminiert werden.

Ein Schwein für möglichst viele Transplantationen gleichzeitig

Derzeit liegt ein Fokus auf Nieren und Herz, doch können Menschen
viel mehr tierische Organe empfangen. Geforscht wird auch an der
Transplantation von Lebern und Lungen, von Gelenkzellen sowie
Inselzellen für an Diabetes Erkrankte, außerdem an Herzklappen sowie
der Transplantation von Haut- und Knochenteilchen zum Beispiel nach
Verbrennungen. «Fast alle Organe und Gewebe des Schweins können zur
Heilung von Patienten verwendet werden», erläutert Fischer.

Welche Menschen aber kommen für so einen riskanten Eingriff infrage -
und welche wollen das? United Therapeutics möchte unter anderem
Patienten in die Studie einschließen, die aus medizinischen Gründen
nicht für eine menschliche Transplantation infrage kommen, sowie
solche, die wahrscheinlich eher sterben, als innerhalb der nächsten
fünf Jahre eine Niere zu erhalten. 

Chirurg: Tierorgane für Wartende «wirklich zeitnah» denkbar

Auch der Transplantationschirurg Felgendreff meint, man sollte nicht
jemandem ein Xeno-Organ geben, der eine gute Chance auf ein humanes
Organ habe. Vorstellbar sei auch, dass jemand beispielsweise bei
akutem Leberversagen rasch eine Leber benötige. Möglicherweise diene
dann das Schweineorgan erst einmal als «Überbrückungstherapie» fü
r
einen gewissen Zeitraum.

Wenn die nun anstehenden Studien gut verliefen, könnten
Xenotransplantationen Patienten auf den Wartelisten helfen, meint
Felgendreff. Und zwar «wirklich zeitnah - auch wenn wir da sicher
immer noch von Jahren sprechen müssen».

Empfänger von Schweineniere spricht von «Hoffnungsschimmer»

Der 66 Jahre alte Tim Andrews erhielt Ende Januar eine von eGenesis
entwickelte Schweineniere. Zuvor war er zwei Jahre lang auf Dialyse
angewiesen, wie weltweit Millionen andere Menschen mit kranken
Nieren. Durch die Blutwäsche fühlte er sich nach Unternehmensangaben
ständig müde und konnte seinen üblichen Aktivitäten nicht mehr
nachgehen. Er erzählt: «Sobald ich nach der Operation aufwachte,
verschwand die Dialysewolke. Ich fühlte mich wieder voller Energie
und revitalisiert.» Für Menschen wie ihn seien Schweinenieren ein
«Hoffnungsschimmer».

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