Klosterwald statt Supermarkt - Events in der Natur gefragt Von Christina Sticht, dpa

Für Jennifer Engelbrecht sind Wildpflanzen und Notnahrung nicht nur
ein Hobby. Die 36 Jahre alte Soldatin möchte vermitteln, was die
heimische Natur uns geben kann. Damit ist sie nicht allein.

Loccum (dpa) - Essbare Pflanzen für einen Salat im Winter sammeln?
Das hört sich für Laien wie eine absurde Idee an. Doch wer mit
Jennifer Engelbrecht unterwegs ist, erlebt verblüfft, dass dies
selbst bei Minusgraden funktioniert. Die Sammeltüte füllt sich mit
Grünzeug vom Wegesrand, noch bevor der Wald erreicht ist. Die
36-Jährige aus Stolzenau im Landkreis Nienburg bietet Kurse an - von
Wildkräuterwanderungen über Brotbacken bis zu Survival-Events im
Wald. 

An diesem Tag gibt sie ein Seminar für eine Gruppe angehender Wald-,
Natur- und Bauernhofpädagoginnen, Tagungsort ist der Waldcampus am
Kloster Loccum westlich von Hannover. 

Überleben in der Wildnis ist ein Trend-Thema

Ganz gleich, ob Waldbaden, Kräuterküche oder Führungen zu Moosen oder

Vögel - auch in den Niedersächsischen Landesforsten sind Events in
der Natur gefragt. Die Kurse der Waldpädagogikzentren seien sehr
beliebt, sagt Landesforsten-Sprecher Mathias Aßmann. Auch an das
Trendthema Überleben in der Wildnis - befeuert durch Survival-Shows
wie «4 vs. Wild» - knüpft der Landesbetrieb an. Es gebe zum Beispiel

Lagerfeuer-Kochkurse, die nur stattfinden, wenn die Waldbrandgefahr
dies gefahrlos zulasse, sagt Aßmann.

Der Waldcampus in Loccum nutzt keinen Wald im staatlichen Besitz,
sondern die Forstfläche, die zu dem mittelalterlichen evangelischen
Kloster gehört. Zunächst lässt Engelbrecht ihre Gruppe auf dem
Klostergelände ausschwärmen und essbare Pflanzen suchen. In den
Beuteln dürfen nur die Blätter, Wurzeln oder Samen landen, die sich
die Kursleiterin zuvor angeschaut hat. Zu jeder Pflanze gibt es von
der Expertin einen Kurzvortrag. 

So wirkt ein kalter Aufguss von Spitzwegerich entzündungshemmend, mit
Honig wird ein Hustensirup daraus. Gänseblümchen inklusive Blätter
und Wurzeln können wie Feldsalat zubereitet werden. «Super lecker mit
Himbeer-Vinaigrette und ein paar Walnüssen», schwärmt Engelbrecht.
«Ihr müsst das Zeug nur vernünftig waschen» Die getrockneten Blüt
en
könnten als Tee aufgegossen werden - etwa gegen die Erkältungswelle
im Kindergarten. Es folgen Informationen zu Schafgarbe, Nachtkerze,
Giersch und Haselkätzchen. 

Engelbrechts Botschaft an die Kursteilnehmer: Lernt heimische
Pflanzen und Kräute kennen! Traut euch, Nahrungsmittel und
Heilpflanzen aus der eigenen Umgebung zu sammeln, zu verarbeiten und
zu euch zu nehmen! «Wir sind es gewohnt, die Verantwortung für uns an
den Supermarkt oder die Apotheke abzugeben», sagt sie. 

Die Mutter von zwei sechs und zehn Jahre alten Söhnen hat Pflanzen
auf ihrem Unterarm tätowiert. Für ist die Beschäftigung mit der Natur

nicht einfach Hobby oder Nebenjob, sondern eine Lebenseinstellung.

Auf Instagram nennt sich Engelbrecht «La Loba Natura». Das Buch «Die

Wolfsfrau» von Clarissa Pinkola Estés habe sie inspiriert, erzählt
Engelbrecht. Sie habe es während eines Bundeswehr-Auslandseinsatzes
gelesen. La Loba sammelt die Knochen eines Wolfes, um zur wahren
Natur des Menschen zurückzufinden. «Ich möchte mich so ursprünglich

wie möglich ernähren», sagt die Wildkräuter-Expertin. «Alles, was
wir
brauchen, wächst um uns herum.» 

Engelbrecht wird auch für Junggesellen-Abschiede engagiert. Immer
noch seien die Frauengruppen eher an Kräutern, Kochen und Backen
interessiert und die Männer an Survival-Themen wie Notnahrung,
Feuermachen im Wald und Karte und Kompass, berichtet sie. Firmen
buchen die Kurse als Teambuilding-Event. Im Wald werden der
36-Jährigen zufolge Kompetenzen gefördert: Geduld, Fingerfertigkeit,
Kreativität und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. 

Darüber hinaus gehe es um Durchhaltevermögen. «Im Wald lernen wir,
dass wir mit den Dingen, die schieflaufen, leben müssen», sagt
Engelbrecht. Häufig müssten die Gruppenteilnehmer schon lernen, damit
umzugehen, dass das Wetter häufig nicht mitspielt und es nass und
kalt sei.

Wachsendes Bewusstsein für Natur - nicht nur wegen Klimakrise

In vielen Gegenden Niedersachsens gibt es ähnliche Angebote. Lutz
Sievers bietet in Wietze im Landkreis Celle Naturerlebnisse von
Kanutouren über Waldbaden bis hin zur Kräuterküche an. «Wir haben e
in
wachsendes Bewusstsein, was das Thema Natur betrifft, nicht nur in
Bezug auf die Klimakrise», sagt der 56-Jährige, der 30 Jahre lang
selbstständiger Steuerberater war. «Ich habe erkannt, wie gut mir die
Natur tut.» Anstelle von Überkonsum gehe es um Genügsamkeit.

Ähnlich sieht es Jennifer Engelbrecht. «Wir spüren alle, dass wir
gerne nach draußen wollen», sagt sie. Dies könne ein Grund für die

Beliebtheit von Survival-Formaten sein, in denen Prominente versuchen
in der Wildnis zurechtzukommen und sich dabei filmen. Engelbrecht
sagt: «Wir sind Teil vom Kreislauf der Natur und haben uns da nur
selbst herausgenommen.»

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite