Risiko für Long Covid hat sich deutlich verringert Von Annett Stein, dpa

Wie andere Erreger auch kann das Coronavirus Sars-CoV-2
Langzeitfolgen verursachen. Gerade zu Beginn der Pandemie gab es
viele Betroffene. Wie sieht es aktuell aus - und gibt es ein
Heilmittel?

Berlin (dpa) - Groß war das Entsetzen, als vor etwa vier Jahren immer
deutlicher wurde, dass Sars-CoV-2 die geistige und körperliche
Leistungsfähigkeit weit über die akute Infektion hinaus einschränken

kann. Längst hat das Phänomen von Symptomen, die länger als vier
Wochen andauern, mit Long Covid einen Namen bekommen. Von
ursächlicher Heilung solcher Langzeitfolgen ist die Medizin aber weit
entfernt.

Das Risiko ist deutlich gesunken

Eine gute Nachricht ist: Im Zuge von mehr Immunschutz durch Impfungen
und durchgemachte Infektionen sowie weniger aggressiver
Virusvarianten hat sich das Risiko, nach einer Erkrankung Long Covid
zu entwickeln, deutlich vermindert. Ergebnissen der «Virus
Watch»-Studie des University College London zufolge weisen die
jüngeren Omikron-Untervarianten ähnliche Wahrscheinlichkeiten für
Langzeitsymptome auf wie andere akute Atemwegserkrankungen. Omikron
ist die seit Anfang 2022 weltweit dominierende Corona-Variante.

In der ersten Infektionswelle der Pandemie habe das Risiko für mehr
als zwölf Wochen andauernde Beschwerden - Post Covid genannt - bei
etwa sechs bis acht Prozent gelegen, sagt Andreas Stallmach vom
Universitätsklinikum Jena (UKJ). Inzwischen liege es wahrscheinlich
bei ein bis zwei Prozent der Covid-Erkrankten.

Je länger die Symptome, desto schlechter die Prognose

«Der Anteil derer, bei denen sie innerhalb eines halben Jahres wieder
verschwinden, ist recht hoch», sagt Carmen Scheibenbogen von der
Charité Berlin. Kritisch wird es danach: «Wer nach einem halben Jahr
noch Symptome hat, hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach ein
oder zwei Jahren noch.» 

Doch was entscheidet darüber, ob man Long Covid entwickelt - und ob
es langfristig bleibt? Bekannt ist, dass Frauen zwei Drittel der
Long-Covid-Betroffenen stellen und ein großer Teil der Patienten
vergleichsweise jung ist - bei beiden Faktoren spielt das aktivere
Immunsystem eine Rolle, wie Scheibenbogen erklärt. Unter anderem
Menschen mit Übergewicht und Erkrankungen des Immunsystems haben
ebenfalls ein höheres Risiko. 

Eine standardisierte, ursächlich helfende Therapie gibt es bisher
nicht. Je nach Symptomen empfehlen Mediziner etwa Bewegungstherapie,
Schmerz- und Kreislaufbehandlung, Atemtherapie, Entspannungsverfahren
oder Hirnleistungstraining. Insbesondere bei schweren Fällen soll
streng darauf geachtet werden, Patienten nicht zu überlasten.

Diagnose weiterhin schwierig

Ein Grundübel bei der Diagnose besteht nach wie vor: Es gibt keinen
leicht zu bestimmenden Wert, an dem sich Long Covid festmachen ließe.
«Viele Symptome lassen sich unterschiedlich bewerten - zudem kann aus
dem Verdacht auf Long Covid eine ganz andere Diagnose werden», sagt
Stallmach, Leiter des Post-Covid-Zentrums am UKJ. 

An den häufigsten Symptomen von Long Covid hat sich seit Beginn der
Pandemie wenig verändert. Bei einer Studie unter Leitung von Winfried
Kern von der Universität Freiburg mit Menschen, die sich in der
ersten Corona-Welle infiziert hatten, zählten zu den vorherrschend
angegebenen Beschwerden Müdigkeit und Erschöpfung, kognitive
Störungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisschwäche, Schmerzen im
Brustkorb, Atemnot sowie Angst, Depressionen und Schlafprobleme. Bei
Menschen mit länger anhaltendem Post-Covid-Syndrom berichtete mehr
als ein Drittel, weniger belastbar bei Anstrengungen zu sein. 

Die wohl gefürchtetste Ausprägung bei Post Covid ist ME/CFS -
Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. Ein
Großteil der Langzeit-Post-Covid-Fälle gehe darauf zurück, bundesweit

seien aktuell geschätzt etwa 150.000 bis 200.000 Menschen betroffen,
erklärt Stallmach. Hinzu kommen zahlreiche Patienten, die ME/CFS
unabhängig von einer Corona-Infektion entwickeln.

Einige sind eingeschränkt bis zur Pflegebedürftigkeit

ME/CFS ist eine komplexe Erkrankung, die unter anderem von bleierner
körperlicher Schwäche und äußerst geringer Belastbarkeit geprägt
ist.
Typisch ist eine deutliche Verstärkung der Beschwerden schon nach
geringer körperlicher oder geistiger Belastung. Viele Betroffene
können sich kaum selbst versorgen. «Manche sind so schwer krank, dass
sie ihr vorheriges Leben komplett verloren haben», sagt Stallmach.
Auch in diesem Bereich sei bisher keine überzeugende Therapie
gefunden. «Ich bin aber optimistisch, dass sich das in den nächsten
Jahren ändern wird.»

Prävention ist ein zentraler Ansatzpunkt

Wichtig sei aber, nicht nur Therapien gegen Langzeit-Post-Covid zu
entwickeln, sondern sich auch mit Prävention zu beschäftigen, betont
Scheibenbogen, die das Charité Fatigue Centrum leitet. «Wie lässt
sich gezielt verhindern, dass sich nach einer Infektion Long Covid
entwickelt?» Metformin sei ein aussichtsreicher Kandidat dafür, aber
auch histaminhaltige Nasensprays. Nützen könnte das vielleicht einmal
Risikopatienten nicht nur bei Corona, sondern auch bei anderen
Infektionen.

Denn das Phänomen andauernder Nachwirkungen nach Infektionen kennen
Ärzte seit mehr als einem Jahrhundert - durch die immens hohen
Fallzahlen während der Pandemie wurde nur plötzlich ein Schlaglicht
darauf geworfen. 

Wie viele Menschen in Deutschland aktuell von Long oder Post Covid
betroffen sind, lässt sich nur grob schätzen. Experten wie Kern gehen
von einer sechsstelligen Zahl an Post-Covid-Patienten aus. Derzeit
fielen Patienten oft irgendwann aus dem Raster, sagt Stallmach. Nach
etwa zwei Jahren gehe es in Richtung Frühverrentung, danach verlören
viele Betroffene auch selbst die Hoffnung auf Genesung. «Das kann
nicht sein, zu sagen: Dann ist es eben so. Wir dürfen das nicht
akzeptieren, wir dürfen diese Patienten nicht vergessen.»

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