Angeklagter im Prozess um Messerangriff will keine Therapie
Ein Afghane verletzt im Mai 2024 sechs Menschen mit einem Messer -
ein Polizist stirbt später an seinen Verletzungen. Nun berichtet der
Angeklagte vor Gericht über seine Flucht nach Deutschland.
Stuttgart/Mannheim (dpa) - Der Angeklagte im Verfahren um die
tödliche Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz sieht nach
eigenen Angaben keine Notwendigkeit, sich therapeutisch helfen zu
lassen. «Nee, sehe ich keinen Bedarf», sagte er auf eine
entsprechende Frage des psychiatrischen Sachverständigen Johannes Fuß
vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
Der Sachverständige soll sich später auch zur Frage der
Schuldfähigkeit und der Frage einer möglichen Sicherungsverwahrung
des Angeklagten nach einer Haft äußern.
Sulaiman A. ist unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes
angeklagt. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hat der
mittlerweile 26-jährige Afghane am 31. Mai 2024 bei dem Angriff in
Mannheim sechs Menschen mit einem Messer verletzt: fünf Teilnehmer
einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE)
sowie den 29-jährigen Polizist Rouven Laur, der zwei Tage später an
seinen schweren Verletzungen starb.
Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
Der Bundesanwalt geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für
die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt. Er habe nach der
Machtergreifung der Taliban 2021 begonnen, sich für deren Ideologie
zu interessieren. Er habe sich dann intensiv mit dem Islam
auseinandergesetzt und radikale Gelehrte in sozialen Medien verfolgt
und so schließlich Sympathien für den IS entwickelt. Schließlich sei
er zur Überzeugung gelangt, dass es nicht nur legitim, sondern sogar
seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige zu töten.
Sulaiman A. will sich im Verlauf des Verfahrens zur Tat und den
Vorwürfen gegen ihn äußern. Dies bestätigte sein Verteidiger Axel
Küster auf Nachfrage. Wann dies genau sein wird, war zunächst unklar.
Er werde sich auch zu seiner Religion äußern, sagte Küster. Es sei
seinem Mandanten sehr wichtig, selbst auszusagen. «Ich glaube, man
möchte sich vielleicht immer noch als Mensch darstellen.» Die Tat
selbst werde man nie erklären können.
Vater Teppichhändler, Mutter Hausfrau
Am zweiten Verhandlungstag erzählte Sulaiman A. von seiner Kindheit
in Herat, einer Großstadt in Afghanistan, von seinem Vater, der als
Teppichhändler arbeitete und seiner Mutter, die Hausfrau war. Seine
Eltern hätten beide nicht lesen und schreiben können. «Angst hatte
ich vor Entführungen, vor Messerattacken», sagt A.. Hunger habe er
auch gehabt. «Wenn wir einen Monat gut gelebt hatten, dann hatten wir
zwei Monaten nicht so viel Geld, nicht so viel zu essen.» Doch als
der Richter ihn fragt, wie es ihnen im Vergleich zu anderen Familien
gegangen sei, sagt er: «Uns ging es gut.» Drei seiner Geschwister
leben heute ebenfalls in Deutschland.
Vermutlich mit elf Jahren verließ er Afghanistan, um nach Europa zu
fliehen, wie der Richter darlegte. A. sagte: «Ich weiß nicht, ob mit
elf oder früher oder später.» Monatelang sei er mit seinem älteren
Bruder im Iran gewesen, dann über die Türkei und Griechenland
letztlich nach Deutschland geflohen. Sein Bruder habe alles
entschieden. Zunächst hätten sie nach Schweden gewollt. Letztlich
kamen sie aber 2013 nach Frankfurt/Main, A. war zu diesem Zeitpunkt
14 Jahre alt.
Nach dpa-Informationen stellte er damals einen Asylantrag. Der Antrag
wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot
verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Vor der Tat war
der Angeklagte bei der Polizei nicht bekannt.
Schon in seiner Schulzeit trainierte A. Taekwondo
Schon in seiner Schulzeit noch in Afghanistan habe A. Taekwondo
trainiert, sagte der Richter. Sein Trainer in Deutschland habe später
ausgesagt, A. sei ein sehr guter Kämpfer gewesen. Er habe hart
trainiert und erfolgreich an Meisterschaften teilgenommen.
A. lernte nach der Ankunft in Frankfurt Deutsch, der Afghane spricht
heute relativ flüssig mit starkem Akzent. Er habe einen
Hauptschulabschluss und später in der Abendschule einen
qualifizierten Realschulabschluss gemacht. In der Schule habe er 2013
auch seine heutige Frau kennengelernt, die beiden haben mittlerweile
zwei Kinder. Die Familie hatte zuletzt im hessischen Heppenheim
gelebt, rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim.
Frau wählt am Abend der Tat den Notruf
Laut Richter soll seine Frau am Tag der Bluttat am 31. Mai den Notruf
gewählt haben und dort gesagt haben: «Er war sowieso psychisch nicht
mehr so stabil am Kopf, er hat auch ein MRT gemacht beim Arzt.» Dazu
will sich der Angeklagte allerdings nicht äußern. Auch soll er in der
Haft später von «Problemen mit seinem Kopf» gesprochen haben und von
Kopfschmerzen über Jahre hinweg. Aber auch dazu will A. nichts sagen.
Für das Verfahren sind noch rund 50 Verhandlungstermine bis Ende
Oktober angesetzt. Insgesamt sind für den Prozess nach Angaben des
Oberlandesgerichts bisher 17 Zeugen und neun Sachverständige geladen.
Unter den Zeugen sind fünf Polizeibeamte. Außerdem will der Senat
laut Sprecherin die fünf Opfer sowie rechtsmedizinische
Sachverständige und einen Islamwissenschaftler anhören.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.