Krise als Dauerzustand: Thomas Bach nimmt Abschied Christian Hollmann, dpa

Thomas Bach nähert sich nach zwölf bewegten Jahren dem Ende seiner
Amtszeit als IOC-Präsident. Vor allem in seiner Heimat riss die
Kritik an ihm nie ab.

Pylos (dpa) - Auf seinen letzten Metern im Amt schwankt Thomas Bach
zwischen Wehmut und Erleichterung. «Diese zwölf Jahre waren eine
Krise nach der anderen und manchmal mehrere zur gleichen Zeit», sagt
der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees kurz vor der
Wahl seines Nachfolgers am Donnerstag in einem griechischen
Luxus-Resort. Russisches Staatsdoping, Corona, der Krieg in der
Ukraine und serienweise olympische Notlagen - und doch beteuert Bach:
«Ich habe jeden Tag genossen.»

Lange hatte der 71-Jährige die olympische Welt im Ungewissen
gelassen, ob er nicht doch die olympische Charta ändern lassen und
eine dritte Amtszeit anstreben würde. Am Ende der leuchtenden
Sommerspiele von Paris machte Bach dann den Weg frei für die Wahl
eines neuen IOC-Chefs. Am 23. Juni wird der Unterfranke die
Amtsgeschäfte endgültig übergeben und aus dem Ringe-Zirkel
ausscheiden. 

«Er hat das IOC durch eine Zeit großer Herausforderungen geführt
und
übergibt es in einem exzellenten Zustand an seine Nachfolgerin oder
seinen Nachfolger», sagt Thomas Weikert, Präsident des Deutschen
Olympischen Sportbunds. Bachs Reform-Agenda habe die olympische
Bewegung zukunftsfähig gemacht, versichert Weikert. 

Nähe zu Putin und China

Gerade in seiner Heimat hält sich hartnäckig aber auch ein anderes
Bild vom neunten IOC-Präsidenten. Eine zu freundliche Nähe zu
Autokraten wie Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping wurde
Bach ebenso vorgeworfen wie zu große Nachsicht bei
Menschenrechtsverletzungen in Olympia-Gastgeberländern und eine zu
große Machtkonzentration an der IOC-Spitze.

Karla Borger, Präsidentin von Athleten Deutschland, monierte zudem
jüngst im «Deutschlandfunk» fehlende Mitbestimmungsrechte für die
Sportlergemeinde und wünscht sich eine stärkere Beteiligung der
Olympia-Teilnehmer an den Milliarden-Einnahmen des IOC. 

«Es ist immer noch viel zu tun», räumt Bach ein. «Ich hätte mir v
iele
Dinge gewünscht, aber so ist die Welt nicht, man kann nicht alles
erreichen in zwölf Jahren», fügt der Wirtschaftsanwalt hinzu. Zum
inzwischen zerbrochenen Männerbündnis mit Kremlchef Putin lässt Bach

wissen: «Vielleicht habe ich manchmal zu stark und zu lange an die
Gutmütigkeit von Leuten geglaubt.»

Ein zerbrochenes Männerbündnis

Zum Abschluss von Putins Propaganda-Show bei den sündteuren
Winterspielen von Sotschi 2014 hatte Bach noch «das Gesicht des neuen
Russlands» gelobt, das «effizient und freundlich, patriotisch und
offen für die Welt» sei. Wenige Tage später annektierte Russland di
e
Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Als dann noch das Ausmaß des staatlich
organisierten Dopings der Russen bei den Sotschi-Spielen deutlich
wurde, gerieten Bach und das IOC noch mehr in Bedrängnis.

Endgültig zum Bruch aber kam es erst, als Putins Armee kurz nach den
Winterspielen in Peking 2022 die Ukraine überfiel. Das IOC schloss
Russland zunächst von allen internationalen Wettbewerben aus.
«Seitdem werde ich in Russland als Nazi bezeichnet», sagte Bach dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland. Im Vorjahr in Paris durften dann
wieder einige russische Einzelstarter unter neutraler Flagge
teilnehmen.

Immer wieder olympische Krisen

Eine einfache Präsidentschaft war es für den Fecht-Olympiasieger von
1976 sicher nicht. Alle Olympischen Spiele während seiner Ägide
hätten «irgendwann auf der Kippe» gestanden, sagt Bach. Ob die
riesigen Finanznöte der Rio-Gastgeber 2016, die politische Krise um
Nordkorea vor dem Winter-Spektakel 2018 in Pyeongchang oder die
Pandemie-Ausgaben in Tokio 2021 und Peking 2022 - das IOC stand in
diesen Jahren unter Dauerdruck. 

Erst in Paris entfaltete sich Olympia, wie Bach es sich bei seinen
Reformen vorgestellt hatte. «Die Spiele sind nachhaltiger, urbaner,
jünger geworden», sagt das deutsche IOC-Mitglied Michael Mronz. Dies
sei «die klare Handschrift von Thomas Bach». 

Und die stete Kritik aus Deutschland an Bachs Wirken? «Wir sind ja
Weltmeister darin, Persönlichkeiten madig zu machen. Das haben wir
selbst mit Franz Beckenbauer hinbekommen», sagt Mronz. In weiten
Teilen der Welt werde der IOC-Chef positiv wahrgenommen. «Es kann
nicht sein, dass alle diese Länder falschliegen, und nur wir liegen
richtig», meint Mronz.

Milliarden-Einnahmen und viele Olympia-Bewerber

Auch Bach stellt sich ein gutes Abschlusszeugnis aus. Das IOC sei
«gesünder als je zuvor, wenn man auf die Zahlen und Fakten schaut».
Bis 2034 sind Gastgeber für die Olympischen Spiele gefunden, für 2036
und danach gibt es eine wohl zweistellige Zahl an Interessenten. 

Viele Milliarden an TV- und Sponsoringeinnahmen sind dem IOC schon
für die kommenden Jahre gewiss, einige große Partner wie Toyota,
Panasonic und Bridgestone stiegen allerdings zuletzt aus.
Fortschritte bei der Gleichstellung, einen Deal für ein
E-Sport-Olympia in Saudi-Arabien und die forcierte Nutzung von
Künstlicher Intelligenz in der olympischen Welt schreibt Bach sich
ebenfalls auf die Erfolgsliste.

An großen Aufgaben wird es seinem Nachfolger dennoch nicht mangeln.
Sechs Männer um Leichtathletik-Chef Sebastian Coe und Bachs
angebliche Favoritin Kirsty Coventry bewerben sich um das
IOC-Spitzenamt. Selbst weiter im Hintergrund mitmischen, das schließt
Bach aus. Er strebt nach eigener Aussage kein Amt im Sport mehr an,
auch wenn DOSB-Chef Weikert auf ein aktives Engagement des
Ehrenpräsidenten bei der deutschen Dachorganisation hofft.

Bachs Pläne sind vorerst andere: «Ich werde erst mal mindestens vier
Wochen schlafen. Und dann werde ich eine Pilgerwanderung auf dem
Jakobsweg machen und mich ganz alleine inspirieren lassen.»

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite