Was ist heute noch vom Corona-Lockdown in Bayern zu spüren? Von den dpa-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

Der 21. März 2020 war ein denkwürdiger Tag. In Bayern traten
weitreichende Beschränkungen in Kraft, um die Corona-Pandemie
einzudämmen. Manche Maßnahmen haben auch langfristig etwas verändert.


München (dpa/lby) - Partys, Kino, Shoppen, Freunde treffen - vor fünf
Jahren war es damit erst mal vorbei. Der Grund: nie dagewesene
Beschränkungen des sozialen Lebens zur Eindämmung der
Corona-Pandemie. Was ist davon in Bayern heute noch zu spüren? 

Freizeit: Naturflucht und teures Parken

Ins Ausland verreisen oder sich mit Freunden treffen? Damals alles
schwierig. Wem die heimischen Wände zu eng wurden, der entfloh in
Parks und Wälder, an Seen und in die Berge - soweit es die
Einschränkungen zulassen. Im Winter waren Skitourenausrüstungen und
Schneeschuhe gefragt wie lange nicht mehr. Auch ältere gebrauchte
Modelle waren im Nu verkauft. Dafür durften zeitweise keine Skilifte
fahren, für die Betreiber eine herbe Einbuße. Stattdessen musste man
nun an so manchen Talstationen in den Alpen fürs Parken zahlen. Bis
zu 15 Euro wurden verlangt - auch wenn es nur um eine Stunde geht. 

Ein gutes Geschäft, das viele nach der Pandemie weiterführen. Damals
teils von Hand kassiert stehen vielerorts inzwischen Parkautomaten.
Vor allem im Winter wird weiter abkassiert: Wer keine Liftkarte
kauft, ist wie damals mit bis zu 15 Euro dabei. 

Schulen: Psychische Folgen und Digitalunterricht 

Neben den Kitas gingen auch Schulen vorübergehend in den Lockdown,
gefolgt von einer langen Phase des Wechsel- und Distanzunterrichts.
Seitdem ist Schule viel digitaler geworden - ein Vorteil. Doch es
gibt auch negative Folgen. Kindern und Jugendlichen machte die
Trennung von Freunden zu schaffen, zumal auch Treffen in Sport- und
anderen Vereinen lange verboten waren. 

Viele vereinsamten, andere standen unter hohem Stress etwa durch
beengte Wohnverhältnisse. Durch den Distanzunterricht verlor ein Teil
der Schülerinnen und Schüler den Anschluss an den Lernstoff, große
Lücken entstanden. 

Die Auswirkungen sind bis heute in Form von psychischen Erkrankungen
und Entwicklungsstörungen zu spüren. Bei seelischen Leiden seien
Essstörungen wie Magersucht, Depressionen und Angststörungen am
häufigsten, fasst Christine Freitag vom Vorstand der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie (DGKJP) zusammen. Vor allem bei Jüngeren seien
Entwicklungsstörungen wie eine reduzierte Feinmotorik sowie geringere
Sprach- und Konzentrationsfähigkeit einschneidend. 

Dem im Dezember vorgelegten zweiten bayerischen Psychiatriebericht
zufolge hat etwa jeder vierte Heranwachsende psychische
Auffälligkeiten. Dazu trügen neben Corona auch familiäre oder soziale

Bedingungen sowie Belastungen etwa durch den Krieg in der Ukraine
bei.

Justiz: Corona-Welle bei Gericht 

Der Lockdown und die damit verbundenen Einschränkungen beschäftigen
die Justiz in Bayern bis heute. Allein der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München zählt rund 1.250 Verfahren,
die sich mit dem Lockdown befassen. Davon sind nach Angaben eines
Gerichtssprechers 800 Eil- und 450 Hauptsacheverfahren. Der erste
sogenannte Normenkontrollantrag, der die Rechtmäßigkeit überprüfen

sollte, ging den Angaben zufolge schon am 25. März 2020 ein, nur fünf
Tage nach dem Lockdown-Start. 51 der Hauptsacheverfahren laufen nach
VGH-Angaben heute noch, alle anderen seien erledigt. 

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Zu den genannten 1.250
kommen noch unzählige Verfahren an den einzelnen Verwaltungsgerichten
und weitere, die sich nicht konkret mit den Ausgangsbeschränkungen,
sondern anderen Auflagen befassen. Auch Bußgeldbescheide nach
Verstößen sind beispielsweise in diese Zahlen nicht eingeschlossen. 


Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums haben die
Landratsämter und größeren Städte im Freistaat inzwischen rund
187.000 rechtskräftige Bußgeldbescheide mit Bezug zu Verstößen gege
n
Corona-Regeln erlassen - nicht nur gegen bayerische, sondern auch
gegen bundesweite Vorschriften. Gegen welche Regel dabei jeweils
verstoßen wurde, sei nicht gesondert erfasst worden, sagte ein
Ministeriumssprecher.

Forschung: Zwischen Inzidenz und Abwasserfunden

Plötzlich waren Fachbegriffe wie Inzidenz in aller Munde und die
täglich veröffentlichten Zahlen entschieden über Freiheit oder
Einschränkungen für bestimmte Regionen. Eine wichtige
Informationsquelle: das Abwasser. Die Konzentration verschiedener
Erreger lässt Rückschlüsse auf die Entwicklung der Infektionszahlen
zu. 

Inzwischen wird über das Abwasser die Ausbreitung mehrerer
Atemwegserkrankungen überwacht. An bis zu 30 Messstellen in Bayern
werden Influenza-, RS- und Corona-Viren gemessen. Weitere Säule des
Frühwarnsystems für Infektionskrankheiten in Bayern ist die
wöchentliche Untersuchung von Abstrichen in knapp 200 Praxen bei
Menschen mit Atemwegsinfektionen. 

Das Monitoring könnte theoretisch ausgeweitet werden, erklärte der
Virologe Oliver Keppler vom Klinikum der
Ludwigs-Maximilian-Universität in München im Dezember. Im Labor seien
problemlos mehr als ein Dutzend verschiedene virale Erreger in
Abwasserproben messbar. 

Und nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Der Infektiologe
Christoph Spinner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen
Universität München sagt, worauf es ankommt: auf Frühwarnsysteme,
Überwachungsprogramme für bekannte und unbekannte Erreger sowie
internationale Zusammenarbeit und Wissensaustausch. Nötig seien auch
eine entschlossene und wirksame Reaktion sowie die Entwicklung von
Impfstoffen und Arzneimitteln.

Unternehmen: Mit Jogginghose im Heimbüro

Arbeiten von zu Hause aus - was früher für viele noch undenkbar war,
wurde durch Corona zur Selbstverständlichkeit. Bis heute nutzen viele
gerne dieses Angebot, auch wenn so manche Firmen ihre
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder im Büro sehen wollen, manche
gar jeden Tag. Das Bayerische Landesamt für Statistik meldete, dass
2023 im Freistaat rund 1,5 Millionen Beschäftigte mindestens einen
Tag in der Woche von zu Hause aus arbeiteten, etwa ein Viertel. 

Rückläufig ist dagegen die Zahl derjenigen, die täglich im Homeoffice

sind. Nach Angaben des Ifo-Instituts in München wird Homeoffice zudem
in Stellenanzeigen deutlich häufiger als Option angeboten.

Handel: Kauflust vor Ort und per Mausklick

Lebensmittelgeschäfte durften öffnen, Buchläden, Kleidungsgeschäfte

und andere Läden blieben zu. Für Händler eine heftige Erfahrung,
trotz staatlicher Hilfen. Viele Geschäfte seien immer noch in
Schieflage, sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Die
Hoffnung auf eine Rückkehr der Kauflust nach der Pandemie zerschlug
sich, auch wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Hohe
Energiepreise, Inflation und Verunsicherung sorgte dafür, dass die
Menschen ihr Geld zusammenhielten, meint Ohlmann. 

Positiv dagegen: viele Händlerinnen und Händler erkannten die Chancen
des Internets. «Da sind viele aus dem Dornröschenschlaf erwacht»,
beschreibt es Ohlmann. Die einen bieten ihre Waren im eigenen Webshop
an, andere nutzen große Marktplätze. Und auch im Geschäft vor Ort
wird es immer digitaler, beim bargeldlosen Bezahlen. «Das ging ab wie
eine Rakete», so Ohlmann. 

Kultur: Zwischen Systemrelevanz und Sparzwang

«Ohne uns wirds still!» Mit diesem Ruf wehrte sich die Kulturbranche
gegen die Schließungen. Statt Kinos boomten Streaminganbieter. Opern,
Theater oder Konzertanbieter suchten nach Wegen, ihr Publikum übers
Internet zu erreichen. Manche nutzten den Stillstand für
Renovierungsarbeiten. Doch finanziell war es ein Desaster, vor allem
für die freie Szene. Seitdem gilt in der Kultur eine neue
Zeitrechnung: vor und nach Corona. 

Inzwischen nähern sich viele Institutionen bei den Besucherzahlen
wieder dem Vor-Corona-Stand an. Aber eine Sorge ist geblieben: nicht
als systemrelevant eingestuft zu werden, sondern als beliebiger
Freizeitspaß, wie Christine Schmid-Egger von Landesstelle für die
nichtstaatlichen Museen in Bayern sagt. Dabei seien das
gesellschaftlich wichtige Bildungseinrichtungen. 

Doch in Zeiten knapper Kassen ist die Versuchung groß, bei Kunst,
Musik, Theater oder Kino zu sparen. «Wenn wir die Kultur abschaffen,
wird die Welt nicht besser», sagte dazu unlängst der
Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Vladimir Jurowski.
«Es muss Wege geben, die Kultur zu erhalten, aber natürlich werden
wir alle ein paar Cent irgendwo einsparen müssen.»

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