Blick zurück ohne Groll - Clubs nach der Pandemie Von Christian Schultz, dpa
Lange Zeit herrschte Stille - fast zwei Jahre waren Clubs dicht.
Betreiber stellte das vor große Herausforderungen - Folgen von Corona
spüren sie noch heute.
Mainz/Koblenz (dpa/lrs) - Norbert Schön muss kurz überlegen, wie es
damals war. «Am Anfang schon dramatisch», sagt der Besitzer des Clubs
«schon schön» in Mainz. Er meint den Beginn des ersten
Corona-Lockdowns, mit dem der von ihm über Jahre aufgebaute Club
seine Pforten schließen musste. Fast zwei Jahre blieb das so. Die
Gesellschaft habe sie damals abgeschrieben, für nicht systemrelevant
befunden. «Das macht schon was mit einem.»
Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown wird im «schon schön» längst
wieder getanzt und gefeiert. Trotz aller anfänglichen Probleme damals
blicken Schön und andere Clubbetreiber in Rheinland-Pfalz nicht mit
Groll zurück - im Gegenteil: Sie loben Hilfen, die geflossen sind.
Einig sind sie sich darin, dass Corona das Ausgehverhalten verändert
hat.
«Man muss sich heute eine Menge einfallen lassen»
«Es ist massiv anders geworden», sagt Ralf Prestenbach vom Circus
Maximus in Koblenz. Eine ganze Generation habe nicht das
Lebensgefühl, flügge zu werden und dabei clubben zu gehen. Es fehlten
vielleicht 20 Prozent der Gäste von früher. Und Besucher, die kommen,
«glühen» ihm zufolge häufig zuhause vor, starten den Abend also in
den eigenen vier Wänden und kommen erst später.
Gleichzeitig seien die Kosten für Mitarbeiter, Security, Energie und
vieles mehr nach oben gegangen, sagt Prestenbach. «Wir überleben nur,
weil wir uns breiter aufgestellt haben. Man muss sich heute eine
Menge einfallen lassen.» Er bietet inzwischen auch Escape Games im
Keller, Kleidertausch-Partys oder Stadtrallys mit Schnäpsen an.
Kneipen hätten Clubs ein Stück weit den Rang abgelaufen, böten auch
laute Musik, verlangten aber oft keinen Eintritt.
Wie war das in der Pandemie?
Rückblick: Ab dem 17. März 2020 galten in Rheinland-Pfalz massive
Einschränkungen für das öffentliche Leben, Bars, Clubs, Diskotheken
und ähnliche Einrichtungen mussten dicht machen. Am 21. März 2020
folgte die nächste Verschärfung, alle Gaststätten mussten schließen
,
Versammlungen von mehr als fünf Menschen wurden per Verfügung der
Landesregierung untersagt.
Auch Prestenbach plagten im Lockdown Existenzängste. Gleichzeitig sei
er aber mit den Schutzmaßnahmen gegen das Virus einverstanden
gewesen, erinnert er sich und betont: Die Unterstützung von
staatlicher Seite sei damals mehr als gut gewesen. Wer vorher
vernünftig gewirtschaftet habe, habe eine realistische Chance gehabt,
durch die schwierige Zeit zu kommen.
Clubbesitzer: Hilfsgelder wurden unbürokratisch ausgezahlt
«Ich habe es relativ rational gesehen», sagt Fabian Heubel vom Alten
Postlager in Mainz mit Blick auf damals. Ihm sei bereits im Januar
2020 klar gewesen, dass es auf einen Lockdown hinauslaufe. Er habe
damals ein Videospiel gespielt, bei dem es um die Folgen eines die
Atemwege befallenden Virus gegangen sei, das Szenario sei Realität
geworden. Als sein Club dicht gewesen sei, habe er es sogar aufgrund
der zuvor extremen Arbeitsbelastung ein bisschen als Erleichterung
empfunden.
Nach Heubels Erfahrung wurden Hilfsgelder schnell und unbürokratisch
ausgezahlt. Dass unter bestimmten Umständen Hilfen später
zurückgezahlt werden müssen, sei klar kommuniziert worden, da könne
er spätere Klagen nicht verstehen. «Ich würde nicht sagen, dass da
irgendjemand im Stich gelassen wurde», sagt Heubel.
Aus Bar wurde Pizzeria
Er habe seinerzeit einen Sonderkredit aufgenommen, den er noch
abzahlen müsse, aber das sei nun mal so. Eine Bar, die er damals
parallel zum Club betrieb, funktionierte Heubel mit seinem damaligen
Geschäftspartner kurzerhand in eine Pizzeria um, entlassen musste er
keine Mitarbeiter. Nichtsdestotrotz hatte der studierte Archäologe
mal den Gedanken, etwas ganz anderes zu machen - letztlich entschied
er sich dagegen.
Mit dem Neustart Mitte 2022 sei sofort bemerkbar gewesen, dass sich
was verändert habe, sagt Heubel. Vorher seien die Freitag- und
Samstagabende fast gleich stark vom Geschäft her gewesen, heute falle
der Freitag deutlich ab. Die Menschen seien eine ganze Weile viel
zuhause gewesen. «Einige haben Gefallen daran gefunden.»
Mehr Wertschätzung von einstigen Kritikern
Norbert Schön in Mainz betreibt direkt neben dem Club ein Café und
ein Restaurant. Die konnten in der Pandemie früher wieder öffnen, so
kam Geld in die Kasse. Außerdem startete er eine Kampagne auf
YouTube, fand zahlreiche Unterstützer. Mit einiger Anlaufzeit habe es
auch viel staatliche Unterstützung gegeben. Zurückzahlen musste Schön
später nichts. In einer gewissen Bittsteller-Rolle gewesen zu sein,
sei dennoch unangenehm gewesen. Eine Aufarbeitung politischer
Maßnahmen in der Pandemie wünscht er sich.
Nach seiner Erfahrung gehen junge Menschen heute nicht mehr so oft
aus wie früher. Aber wenn sie unterwegs seien, gäben sie mehr aus,
sagt Schön - trotz Inflation. Drumherum spürt er nach der Pandemie
mehr Wohlwollen, auch von Menschen, die Clubs vorher kritisch gesehen
hätten. «Man hat bei Corona gemerkt, was passiert, wenn keine Clubs
offen sind und die Leute am Rhein oder auf Plätzen sind. Betreutes
Feiern hat schon seinen Zweck für eine Stadt.»
Auch die zu Pandemie-Zeiten erweiterten Flächen für die
Außengastronomie hätte viele Menschen positiv aufgenommen, das habe
Städte belebt, sagt Schön. «Die Wertschätzung ist gestiegen.» Daf
ür
werde es immer schwieriger, Personal zu finden - in der Gastronomie
noch mehr als für Clubs. «Das ist dramatisch. Viele haben sich in der
Pandemie umorientiert und jetzt andere Jobs.» Er selbst hat die
Pandemie weit hinter sich gelassen und sagt: «Jede Krise ist auch
eine Chance, in der Gastronomie musst du krisenresilient sein.»
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