Das «Praxenland» steht unter Druck Von Sascha Meyer, dpa

Eine breite Versorgung in der Nähe ist für Millionen Menschen
wichtig. Das Netz der niedergelassenen Medizinerinnen und Mediziner
ist aber nicht überall gleich eng - und bald kommen Ruhestandswellen.

Berlin (dpa) - Die Zahl der Praxisärzte in Deutschland nimmt weiter
zu - die Behandlungskapazitäten für die Patienten bleiben aber oft
angespannt und regional unterschiedlich. Ende vergangenen Jahres
waren 189.551 Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten mit Kassenzulassung tätig. Das sind 2.110 mehr als
Ende 2023 und so viele wie nie zuvor. Zugleich nimmt aber auch
Teilzeitarbeit zu, wie die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
mitteilte. Patientenschützer forderten gezieltere
Praxis-Ansiedlungen.

KBV-Chef Andreas Gassen sagte: «Noch ist Deutschland Praxenland.»
Doch klar sei auch: «Die Ressource Arztpraxis ist kein Selbstläufer,
und die Ressource Arztzeit bleibt ein knappes Gut.» Immer mehr junge
Medizinerinnen und Mediziner entschieden sich für eine Anstellung
statt einer eigenen Praxis oder für Arbeit in Teilzeit - der Anteil
solcher Tätigkeiten mit reduzierter Stundenzahl stieg von 2023 zu
2024 von durchschnittlich 35,8 Prozent auf 37,9 Prozent. 

Dieser Trend führt dazu, dass die Zahl der Ärzte stärker steigt als
die tatsächliche Behandlungskapazität. Denn einen vollen Arztsitz zur
Versorgung gesetzlich Versicherter können sich zum Beispiel auch zwei
Ärztinnen teilen.

Ärztedichte nicht überall gleich hoch

Beim Versorgungsnetz gibt es auch erhebliche regionale Unterschiede.
Am dichtesten ist es in Heidelberg mit 413,5 Ärzten und
Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner, wie aus den Daten des
Bundesarztregisters mit Stichtag 31. Dezember 2024 hervorgeht. Am
wenigsten niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner in diesem
Verhältnis gibt es mit 88,4 im Landkreis Coburg in Bayern. Auf
Länderebene liegt Hamburg mit 310,3 an der Spitze, Schlusslicht ist
Brandenburg mit 201,3 Ärzten und Psychotherapeuten je
100.000 Einwohner.

Zur Gesundheitsversorgung in den Regionen tragen die Praxen der
Kassenärzte aber nicht alleine bei. Hinzu kommen Krankenhäuser oder
Physiotherapeuten, Logopäden und andere Heilberufler. Oft nutzen
Patienten und Patientinnen aus ländlichen Gegenden Praxen in nahen
Ballungsräumen. Und konkret kommt es auch darauf an, wie wie gut dann
die Anbindung mit Bussen und Bahnen ist.

Hausärzte stabilisiert - aber mehr Ältere

Bei den Hausarztpraxen als wichtigen ersten Anlaufstellen hat sich
die Lage etwas stabilisiert. Schon Ende 2023 war erstmals seit
längerem kein Rückgang mehr verzeichnet worden. Mit Stand Ende 2024
stieg die Zahl der Hausärzte um 308 auf 55.435 und die Zahl der
vollen Sitze um 47 auf 51.437. Allerdings hatte es zehn Jahre zuvor
noch 551 volle Hausarztsitze mehr gegeben. 

Außerdem zeichnet sich seit längerem eine Ruhestandswelle ab, und das
heißt vor allem auf dem Land: Praxisnachfolge dringend gesucht. Der
Altersschnitt bei Hausärzten liegt mit 55,1 Jahren etwas über dem
aller Ärzte (54,5 Jahre). 

Vor allem im Westen der Republik ist der Handlungsbedarf dringlicher:
So sind in Rheinland-Pfalz 21,3 Prozent der Hausärzte über 65 Jahre
alt, in der Region Westfalen-Lippe 19,2 Prozent und im Saarland 18,8
Prozent - in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur 8,3 Prozent und in
Sachsen 9,7 Prozent.

Ärztinnen holen auf

Frauen sind in den Praxen weiter auf dem Vormarsch.
Psychotherapeutinnen und Ärztinnen kommen zusammen auf 52,4 Prozent,
nachdem sie 2022 die 50-Prozent-Marke überschritten hatten.
Betrachtet man nur Ärztinnen, stieg ihr Anteil auf 46,7 Prozent. 

Dabei gilt: Je jünger, desto weiblicher. Bis zur Schwelle von 39
Jahren haben Ärztinnen einen Anteil von 57,2 Prozent und zwischen 40
und 49 Jahren von 55,6 Prozent. Über 65 Jahre gibt es noch mehr als
70 Prozent männliche Ärzte.

Regional betrachtet ist der Anteil der Ärztinnen und
Psychotherapeutinnen in den östlichen Bundesländern höher - sie sind

dort überall in der Mehrheit. Am höchsten ist der Frauenanteil im
Land Berlin mit 59,7 Prozent. 

Was bringt die neue Regierung? 

Kassenärzte-Chef Gassen forderte angesichts der
Koalitionsverhandlungen von Union und SPD: «Die nächste
Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, inwiefern sie
die inhabergeführte Praxis wieder attraktiver macht.»
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte auf den letzten
Metern noch ein Gesetz ins Ziel gebracht, das Hausärzten finanzielle
Anreize bringt. 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, es mangele
keinesfalls an ambulant arbeitenden Ärztinnen und Ärzten. «Was jedoch

grundsätzlich fehlt, ist eine bedarfsgerechte Steuerung der
medizinischen Niederlassungen», sagte Vorstand Eugen Brysch. Darunter
leide der ländliche Raum. Nötig sei auch, die «Rosinenpickerei» in

lukrativen, überversorgten Gebieten endlich zu beenden.

In den Koalitionsverhandlungen, bei denen Lauterbach dabei ist,
stehen viele Klärungen an. Denn im schwarz-roten Sondierungspapier
als Grundlage heißt es nur allgemein: «Die Gesundheitsversorgung muss
für alle gesichert bleiben.»

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