Blockieren Privatpatienten Termine? Ärzte sagen Nein Von Christopher Weckwerth, dpa

Langes Warten auf den Arzt: Viele gesetzlich Versicherte fühlen sich
bei der Terminvergabe benachteiligt. Ärztevertreter sehen das anders.
Doch der Bundesrat formuliert jetzt einen Appell.

Berlin/Hannover (dpa) - Die Suche nach einem Arzttermin empfinden
viele gesetzlich versicherte Patienten als mühsam und langwierig -
der Bundesrat hat deshalb jetzt einen Aufruf für eine gerechtere
Terminvergabe beschlossen.

Was fordert der Bundesrat?

Auf Antrag Niedersachsens forderte die Länderkammer die
Bundesregierung auf, zu prüfen, ob die bestehenden Regelungen
Kassenpatienten im Vergleich zu Privatpatienten benachteiligen. Damit
gesetzlich Versicherte genauso schnell Termine erhalten wie privat
Versicherte, sollen auch neue Vorgaben in Betracht gezogen werden.

Die niedersächsische Landesregierung kann sich etwa eine Mindestquote
von Terminen für gesetzlich Versicherte vorstellen oder finanzielle
Anreize für Ärzte, die überwiegend gesetzlich Versicherte behandeln.

Alle Bürgerinnen und Bürger müssten gleichberechtigt Zugang zu
schneller, hochwertiger medizinischer Versorgung haben, sagte
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) -
«unabhängig von ihrem Einkommen, ihrem Wohnort oder der Frage, ob sie
privat oder gesetzlich krankenversichert sind».

Nach Einschätzung von Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz
erhöht die Bundesratsinitiative den Druck, «die Ungleichbehandlung
einzudämmen».

Blockieren Privatpatienten die Termine?

Nein, sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Dafür gebe es gar nicht
genügend Privatpatienten. Rund 90 Prozent der Menschen in Deutschland
seien gesetzlich krankenversichert. «Auf sie entfällt dementsprechend
automatisch der mit Abstand größte Anteil der Termine», sagte Gassen.

«Zudem gehen die rund zehn Prozent privat Versicherten deutlich
seltener zum Arzt.»

Der Orthopäde sieht in dem niedersächsischen Vorstoß «pure
Augenwischerei»: Termine, die es nicht gebe, oder Leistungen, die
nicht vergütet werden, könnten auch nicht per Gesetz erzwungen
werden. 

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beklagt
hingegen eine «Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber
Privatpatienten bei der Terminvergabe», wie Vorstandsvize Stefanie
Stoff-Ahnis sagte. 

Wie lang sind die Wartezeiten?

Die KBV verweist auf eine Auswertung der Termin-Servicestellen unter
der Rufnummer 116 117: Facharzttermine wurden demnach im Jahr 2023
durchschnittlich binnen 12 Tagen nach der ersten Anfrage vermittelt.
Am schnellsten ging es demnach bei Hausärzten (4 Tage), länger
dauerte es etwa bei Kinderärzten (9 Tage), Augenärzten (11 Tage) oder
Hautärzten (14 Tage). Die längste Wartezeit weist der KBV-Bericht mit
im Schnitt 26 Tagen für die Endokrinologie (Hormonheilkunde) und
Diabetologie aus.

Wie nehmen die Patienten die Wartezeiten wahr?

Fast jeder dritte gesetzlich Versicherte (31 Prozent) empfindet das
Warten auf einen Facharzttermin als zu lang - und jeder Vierte wartet
nach eigenen Angaben länger als 30 Tage darauf. Das ist das Ergebnis
einer repräsentativen Umfrage von 2024 im Auftrag des
GKV-Spitzenverbandes. Auch in dieser Befragung schneiden die
Hausärzte besser ab: Dort hielten lediglich 12 Prozent die
Termin-Wartezeiten für zu lang.

Welches Problem sehen die Ärzte?

KBV-Chef Gassen fordert eine für alle Beteiligten verbindliche
Terminvergabe. Häufig würden Patienten nicht erscheinen, obwohl sie
einen Termin haben. Eigentlich müsste den Ärzten daher jeder Termin
von gesetzlich versicherten Patienten automatisch vergütet werden,
sagte der KBV-Chef: «Es geht eben nicht nur um ein Datum im Kalender
wie bei einem Friseurtermin, sondern um die Koordination von
Versorgung.»

Was wollen die Krankenkassen?

Im Fokus steht für den GKV-Spitzenverband eine digitale
Terminvermittlung, für die die Ärzte je nach Fachgruppe eine gewisse
Stundenzahl diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen müssten -
unabhängig vom Versichertenstatus. «Wer echte Gleichbehandlung will,
muss dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach
gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert
ist», sagte Vorstandsvize Stoff-Ahnis. «Ich hoffe, dass die neue
Bundesregierung das Thema zeitnah aufnimmt und nicht erneut
vergeblich versucht wird, das Problem über immer mehr Geld für die
Ärzteschaft zu lösen.»

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