Comeback der Nasenpflaster: Hokuspokus oder Wunderwaffe? Jordan Raza, dpa

Wissenschaftler zweifeln, doch immer mehr Sportler schwören auf das
Nasenpflaster. Ein Wimbledon-Sieger und ein Bundesliga-Profi
erklären, warum. Selbst ein Modedesigner äußert sich.

Berlin (dpa) - Die 90er Jahre waren nicht nur das Jahrzehnt der Baggy
Pants und tragbaren CD-Player. Auch einem kleinen Klebestreifen
gelang der Durchbruch: dem Nasenpflaster. Ursprünglich als
Anti-Schnarchmittel entwickelt, verhalfen NFL-Stars wie Jerry Rice
dem Mini-Plättchen zu einem Boom im Spitzensport. Die Idee dahinter:
Pflaster rauf, mehr Sauerstoff rein und so die Leistung steigern. 

Tennis-Legende Andre Agassi schwor ebenso auf den Wundereffekt des
rund drei Gramm schweren Schnipsels wie Basketball-Legende Patrick
Ewing oder Ex-Fußballer Olaf Marschall. Bei der EM 1996 feierte das
Nasenpflaster seinen wohl größten Auftritt, als sich ein Großteil der

Kroaten im Viertelfinale gegen die DFB-Elf den schmalen Balken
aufklebte.

Ende der 90er Jahre verschwand das biegsame Band genauso schnell, wie
es gekommen war. Wissenschaftler enttarnten das angebliche
Wundermittel als Hokuspokus. Eine ihrer Begründungen: Unter Belastung
atme man kaum durch die Nase, sondern durch den Mund. 

Alcaraz, Goggia und Tietz

Rund 30 Jahre später startet der Klebestreifen ein fulminantes
Comeback. Skirennfahrerin Sofia Goggia setzt ebenso auf die
Atmungshilfe wie Augsburgs Fußballprofi Phillip Tietz oder
Tennisstars um Wimbledon-Sieger Carlos Alcaraz und Casper Ruud.

«Es ist für meine Gesundheit. Ich bin etwas erkältet und kann so
besser atmen», begründete Alcaraz zuletzt den Einsatz des Streifens.
Hersteller versprechen eine Steigerung der Sauerstoffaufnahme um bis
zu 30 Prozent. Ruud glaubt, so länger in Ballwechseln durchhalten zu
können: «Es ist ein gutes Gefühl», sagte der Norweger und sprach vo
n
einer schnelleren Regeneration.

Auch Augsburgs Bundesliga-Profi Tietz scheint der kleine Schnipsel zu
helfen. Mit sechs Liga-Toren ist der 27 Jahre alte Mittelstürmer
zweitbester Torjäger beim FCA. «Durch das Nasenpflaster habe ich das
Gefühl, dass ich einfach besser atmen kann und besser Luft bekomme.
Ich trage das Nasenpflaster in den Spielen, aber nicht im Training.
Manchmal trage ich auch nachts beim Schlafen eines. Es gibt mir
einfach ein gutes Gefühl», sagte Tietz der dpa. 

«Besser ein Placebo-Effekt als gar keinen Effekt»

Nur ein subjektives Gefühl oder ist ein positiver Effekt auf Atmung,
Ausdauer oder Regeneration mittlerweile auch wissenschaftlich
haltbar? «Ihr Effekt auf die sportliche Leistung liegt im Bereich des
Placebo-Effekts, denn die leistungssteigernde Wirkung ist minimal bis
nicht messbar», sagte Sportwissenschaftler Lars Donath vom Institut
für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen
Sporthochschule Köln. 

Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2020, die 624 Arbeiten zu dem Thema
überprüfte, kam zu derselben Erkenntnis. Zunächst einmal genügten n
ur
19 dieser Studien den wissenschaftlichen Standards. Das Fazit der
Experten: Das Pflaster bringt keinerlei Vorteile. Null mit Blick auf
die Sauerstoffaufnahmefähigkeit, null bezüglich Puls und null
betreffend Belastungsempfinden. Also mehr Hokuspokus als Wunderwaffe.

Allein der Placebo-Effekt rechtfertigt aber wohl für viele Sportler
den Einsatz des kleinen Hilfsmittels. Denn wer sich gut fühlt, ist
dem Sieg die womöglich entscheidenden Prozentpünktchen näher. «Bess
er
ein Placebo-Effekt als gar keinen Effekt. Gerade im Spitzensport sind
minimale Unterschiede ergebnisrelevant und da kann der Placebo-Effekt
helfen. Man darf ihn aber nicht mit einer physiologischen Wirkung
gleichsetzen», erklärte Donath. 

Unsichtbares Nasenpflaster

Mittlerweile gibt es sogar die Möglichkeit, den kleinen Helfer
unauffällig anzubringen. «Es gibt jetzt transparente Gestelle, die in
die Nase eingeführt werden und somit nicht mehr sichtbar sind. Der
Effekt ist, dass die Nasenwände nach außen gedrückt werden und somit

ebenfalls der Luftstrom gefördert wird», erklärte Modedesigner Kilian

Kerner über die Nasenspreitzer. 

Ob nun auf oder in der Nase - eines wollte der Österreicher, der oft
in der Box des früheren US-Open-Champions Dominic Thiem saß,
klarstellen: «Ein modisches Accessoire ist dieses Pflaster definitiv
nicht».

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