Öffentlicher Dienst: Was steckt im Schlichterspruch? Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa
Arbeitgeber und Gewerkschaften konnten sich nicht einigen. Nun gibt
es eine Schlichtungsempfehlung. Aber noch ist die Kuh nicht ganz vom
Eis.
Berlin (dpa) - Wenn das klappt, sind Streiks im öffentlichen Dienst
vor den Osterferien vom Tisch: Für die mehr als 2,5 Millionen
Beschäftigten beim Bund und bei den Kommunen gibt es eine
Schlichtungsempfehlung. Demnach sollen die Einkommen dieses und
nächstes Jahr in zwei Stufen steigen und die Arbeitszeiten flexibler
werden. Noch ist ein Erfolg allerdings nicht garantiert. Am 5. April
steht noch eine Verhandlungsrunde an. Die wichtigsten Fragen und
Antworten:
Für wen wird verhandelt?
Es geht um Einkommen und Arbeitszeiten der Beschäftigten bei Bund und
Kommunen. Die arbeiten nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in
Kitas, Schulen und Universitäten, im Nahverkehr, bei den
Abfallbetrieben, in Klärwerken, Bädern, Pflegeeinrichtungen oder an
Flughäfen. Der Großteil von ihnen ist nach dem Tarifvertrag für den
öffentlichen Dienst (TVöD) beschäftigt, üblicherweise wird der
Abschluss später auf Beamtinnen und Beamte übertragen.
Weil es Dienstleistungen im Alltag betrifft, ist der Tarifstreit
indirekt für Millionen Bürgerinnen und Bürger von Bedeutung. Die
Gewerkschaft Verdi hatte etliche Warnstreiks organisiert, etwa in
Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, an Flughäfen oder bei der
Müllabfuhr. Während der Schlichtung herrscht aber Streikpause.
Was schlagen die Schlichter vor?
Die Beschäftigten sollen in zwei Stufen mehr Geld bekommen: Ab 1.
April 2025 empfehlen die Schlichter eine lineare Entgelterhöhung um
drei Prozent, mindestens aber 110 Euro im Monat. Stufe zwei käme ab
1. Mai 2026 in Höhe von 2,8 Prozent. Darüber hinaus soll das 13.
Monatsgehalt ab 2026 steigen. Wer nicht in Kliniken oder einem
Pflegeheim arbeitet, soll Teile dieser Jahressonderzahlung in freie
Tage tauschen können. Ab 2027 sollen die Beschäftigten einen weiteren
Urlaubstag bekommen.
Ab 2026 soll es möglich sein, die wöchentliche Arbeitszeit freiwillig
auf bis zu 42 Stunden zu erhöhen. Zudem empfehlen die Schlichter
bessere Regelungen zu Langzeitkonten, zur Gleitzeit und zur
Arbeitszeit von Rettungsdiensten.
Ab 1. Juli 2025 sollen Zulagen für Schichtarbeit auf 100 Euro und für
Wechselschichtarbeit auf 200 Euro angehoben werden. Beim Bund sollen
die Arbeitsbedingungen in Ost und West angeglichen werden. Die
Kommunen sollen Hebammen und Entbindungspfleger neu eingruppieren.
Sind die Beteiligten mit dem Schlichtungsergebnis zufrieden?
Das ist unklar. «Zwischen den Tarifvertragsparteien wurde vereinbart,
dass zu der Einigungsempfehlung darüber hinaus keine gesonderten
Presseerklärungen der Tarifvertragsparteien veröffentlicht werden»,
hieß es in einer Mitteilung. Das heißt: Man will sich erst einmal
sortieren, bevor die letzte Verhandlungsrunde ansteht. Auf beiden
Seiten gibt es sicher Klärungsbedarf. In der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeberverbände VKA sind fast 10.000 kommunale
Arbeitgeber organisiert. Einige Städte und Gemeinden sind in
Finanznot, während es anderen besser geht. Auf der Arbeitnehmerseite
ist die Bandbreite ebenfalls enorm vom Müllwerker bis zur
Busfahrerin, von der Pflegekraft bis zur Bibliothekarin im
Stadtarchiv.
Warum brauchte es überhaupt eine Schlichtung?
Die Tarifverhandlungen waren am 17. März für gescheitert erklärt
worden. Die Gewerkschaften Verdi und dbb Beamtenbund forderten
ursprünglich acht Prozent mehr Geld, mindestens aber 350 Euro mehr im
Monat. Zudem ging es um höhere Zuschläge für die Arbeit zu
belastenden und ungünstigen Zeiten und eine Erhöhung von
Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelten um 200 Euro
monatlich. Wichtig waren den Gewerkschaften drei zusätzliche freie
Tage im Jahr.
Die Arbeitgeber - neben der VKA verhandelt das Bundesinnenministerium
- erklärten die Forderungen von Anfang an für nicht finanzierbar. In
einer zähen dritten Verhandlungsrunde in Potsdam vor knapp zwei
Wochen näherte man sich zwar an, aber aus Sicht der Arbeitgeber nicht
genug. VKA-Präsidentin Karin Welge schätzte die Kosten des letzten
Verhandlungsstands auf 15 Milliarden Euro für zwei Jahre. Nicht
darstellbar, meinte sie.
Wie äußern sich die Schlichter?
Die Gewerkschaften hatten den früheren Bremer Staatsrat Hans-Hennig
Lühr benannt, die Arbeitgeberseite den früheren hessischen
Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Koch war diesmal der
sogenannte stimmberechtigte Schlichter, seine Stimme konnte den
Ausschlag geben. Beide erklärten zu ihrer Empfehlung, es sei
«herausfordernd» gewesen, einen Kompromiss zu finden. Das Ergebnis
liege aber im Rahmen dessen, was zuletzt an Einigungen erzielt worden
sei, erklärte Koch. Beide Schlichter betonten die Möglichkeit
flexiblerer Arbeitszeiten.
Wie geht es nun weiter?
Die Schlichtung funktioniert nach festen Regeln und Fristen. Mit der
Einigungsempfehlung müssen sich die Tarifparteien befassen. Die
nächste Runde ist für den 5. April in Potsdam angekündigt.
Arbeitgeber und Gewerkschaften können nachverhandeln. Hält eine Seite
den Kompromiss immer noch für unannehmbar, könnte die
Gewerkschaftsseite eine Urabstimmung einleiten. Dann könnte ein
unbefristeter Streik folgen. In den allermeisten Fällen klappt das
Schlichtungsverfahren. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht
angenommen - rund zehntägige flächendeckende Streiks folgten.
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