Krankenhausreform am Start - noch viele Klagen offen Von Bettina Grönewald, dpa

Beste Behandlung in hoch spezialisierten Kliniken - das klingt gut.
Aber haben dann alle noch ein gut erreichbares Versorgungsnetz? Mit
dem Startschuss zur Krankenhausreform ist noch nicht alles klar.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Am 1. April tritt die neue Krankenhausplanung
in Nordrhein-Westfalen in Kraft. Damit kommen auf Patienten und
Kliniken teils drastische Einschnitte bei bestimmten Behandlungen
zu. 

Was bringt die Reform den Patienten?

Die Qualität der Behandlungen soll durch stärkere Spezialisierung der
Krankenhäuser besser werden. Patienten sollen sich in Zukunft darauf
verlassen können, dass die Kliniken bei komplexeren Eingriffen nur
Leistungen erbringen, für die sie viel Erfahrung, ausreichend
Personal und die richtige Ausstattung haben - etwa bei
Krebsbehandlungen.

Was bedeutet das für die Krankenhäuser?

Benachbarte Kliniken dürfen nicht mehr genau das Gleiche anbieten.
Mehr als 300 Krankenhäuser an über 527 Standorten in NRW haben im
Dezember Bescheide erhalten, welche Leistungen sie künftig noch in
ihrem Portfolio bereithalten dürfen und welche nicht. Vor allem für
gut planbare Eingriffe sollen Doppel- und Mehrfachvorhaltungen in
räumlicher Nähe abgebaut werden. 

Was sagen Kritiker?

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchtet Versorgungslücken
und Mehrbelastung für Mitarbeitende. Die SPD-Opposition warnt vor
einem «Domino-Effekt», wenn eine Abteilung schließen muss, die
bislang einen anderen Bereich - etwa die oft chronisch
unterfinanzierte Geburtshilfe - quersubventioniert hat.
Bundesrechtlich vorgeschrieben ist, dass die nächstgelegene
Geburtshilfe innerhalb von 40 Pkw-Minuten erreichbar sein muss.

Welche Klinikbereiche sind besonders von Einschnitten betroffen?

Vor allem bei speziellen Krebseingriffen sowie den lukrativen Knie-
und Hüftprothesen wurde stark ausgesiebt: Bei der Behandlung von
Leberkrebs bekamen von 113 Klinikanträgen landesweit 29 grünes Licht.
Damit kann nur noch jeder vierte Standort diese komplexen Operationen
anbieten. Dagegen wurden bei der Geburtshilfe nach Angaben des
Ministeriums fast alle Antragsteller berücksichtigt. 

Muss man sich jetzt auf lange Wege ins Krankenhaus einstellen?

Nicht in der Grund- und Notfallversorgung - etwa bei einem
Schlaganfall. Intensivmedizin muss weiterhin flächendeckend
vorgehalten werden. Ein Krankenhaus zur Grundversorgung muss
innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto von 90 Prozent der Menschen in
NRW erreicht werden können. Nach Angaben von NRW-Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) wurde dieses Ziel «bei weitem
überschritten». Je seltener und spezialisierter eine Leistung ist,
desto längere Anfahrtswege müssen allerdings einkalkuliert werden. 

Was ist unter Grundversorgung zu verstehen?

Hier geht es um die stationäre Versorgung von häufigen Krankheiten.
Dazu zählen Krankheitsbilder auf den Gebieten «Innere Medizin» und
«Chirurgie», die keiner hoch spezialisierten Diagnostik und Therapie
bedürfen. Beispiele sind ein gebrochener Arm oder eine
Blinddarmoperation. 

Bleibt es bei der freien Krankenhauswahl?

Ja, nach Angaben des Gesundheitsministeriums bleibt sie gesichert.

Läuft ab sofort alles nach dem neuen Plan?

Grundsätzlich tritt der neue Krankenhausplan am 1. April in Kraft.
Allerdings gibt es für zehn Leistungsgruppen, die bei den
Umstrukturierungen oder der Schließung von Abteilungen einen
besonders hohen technischen und personellen Aufwand zu stemmen haben,
eine Übergangsfrist bis zum Jahresende. Das betrifft unter anderem
Bereiche der Kardiologie, der Notfallversorgung und der Orthopädie -
etwa bei speziellen Hüft-, Knie- und Wirbelsäuleneingriffen.

Gibt es Klagen gegen die Reform?

Ja, nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums gab es zum Stichtag
28. März landesweit 93 Hauptsache- und 44 Eilverfahren. Nach Angaben
des Gesundheitsministers sind von den bislang entschiedenen
Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten fast 80 Prozent zugunsten
des Landes entschieden worden. Zwei Drittel der Krankenhäuser hätten
überhaupt nicht geklagt. Von insgesamt rund 6.200 in den
Leistungsbescheiden getroffenen Einzelentscheidungen seien weniger
als zwei Prozent juristisch angegriffen worden. Laumann sieht den
Kern seiner Reform damit nicht tangiert. 

Haben Beschlüsse in Eilverfahren aufschiebende Wirkung?

Wo Kliniken im Eilverfahren recht bekommen haben, dürfen sie ihre
Leistungen bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Klage vorläufig

weiter anbieten. In Fällen, in denen Krankenhäuser in vorläufigen
Rechtsschutzverfahren erfolglos gewesen seien, habe der Beschluss
laut Krankenhausgestaltungsgesetz hingegen keine aufschiebende
Wirkung, erläuterte das Gesundheitsministerium. 

Beschwerden beim Oberverwaltungsgericht in Münster sind jeweils
möglich. Ob und wie viele Beschwerden eingelegt werden und bis wann
die Fälle letztlich entscheiden sind, können weder die Gerichte noch
das Ministerium prognostizieren. Patientenschützer beklagen eine
damit verbundene Verunsicherung der Patienten.

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