Pharma, Metall, Flughafen - Handelskrieg trifft Hessen Von Christian Ebner und Isabell Scheuplein, dpa
Hessens Wirtschaft ist zwar nicht so exportorientiert wie die in
Bayern oder Baden-Württemberg. Die Zoll-Drohungen von US-Präsident
Trump treffen das Land aber dennoch empfindlich.
Frankfurt/Wiesbaden (dpa) - Hessens Wirtschaft steht wegen der
angedrohten US-Zölle vor einer schweren Belastungsprobe. Waren im
Wert von 9,3 Milliarden Euro haben Unternehmen aus Hessen im
vergangenen Jahr in die Vereinigten Staaten geliefert. Fast die
Hälfte des Volumens entfiel dabei mit gut 4,2 Milliarden Euro auf
chemische und pharmazeutische Produkte, wie das Statistische
Landesamt berichtet. Zweitgrößter Posten sind Maschinen vor
Fahrzeugen, Metallerzeugnissen und Elektrotechnik.
Die hessische Industrie- und Handelskammer ist alarmiert. Präsidentin
Kirsten Schoder-Steinmüller schildert die Dimension: «Die USA sind
für Hessen der wichtigste Exportmarkt. Fast zwölf Prozent unserer
Ausfuhren gehen dorthin - mehr als im Bundesschnitt. Neue Zölle
belasten hessische Unternehmen, die auf internationale Absatzmärkte
angewiesen sind, und gefährden langjährige Geschäftsbeziehungen.»
Pharmaindustrie will Planungssicherheit
Hessens Pharma-Hersteller haben im vergangenen Jahr Medikamente im
Wert von rund 3 Milliarden Euro in die USA exportiert, was mehr als
ein Viertel ihrer gesamten Ausfuhren ausmacht. Vorerst sind
Arzneimittel von den Strafzöllen ausgenommen. Die Geschäftsführerin
des VCI Hessen, Sula Lockl, warnt davor, dies zu ändern:
«Arzneimittel sind ein sensibles Gut. Wenn hier durch die
Handelspolitik der USA Planungsunsicherheit entsteht, macht sich das
mittel- bis langfristig bei Innovationen, Produkteinführungen und
Investitionen bemerkbar. Auch Versorgungsengpässe können die Folge
sein.»
US-Präsident Donald Trump hat mit einem gewaltigen Zollpaket
Handelspartnern auf aller Welt den Kampf angesagt. Geplant sind neue
pauschale Zölle in Höhe von zehn Prozent auf Importe aus allen
Ländern. Hinzu kommen individuelle Strafabgaben. Auf Einfuhren aus
Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union in die USA
sind demnach neue Zölle in Höhe von 20 Prozent vorgesehen.
Sorgen am Flughafen
Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt blickt man ebenfalls
angespannt auf mögliche Auswirkungen eines Handelskriegs im
Passagier- und Frachtverkehr. Zwar hat Lufthansa-Finanzchef Till
Streichert noch vor wenigen Tagen von einer stabilen Nachfrage bei
den Transatlantik-Flügen berichtet. Auch der Flughafenbetreiber
Fraport sieht aktuell keine konkreten Auswirkungen auf den
Passagierverkehr. Das kann sich allerdings schon bald ändern, wenn
infolge des möglichen Handelskriegs die Inflation in den USA
angeheizt wird und die Kaufkraft der dortigen Kunden schwindet.
Unmittelbare Auswirkungen sind zunächst eher bei der Luftfracht zu
erwarten. «Ohne Zweifel dürfte bei Handelshemmnissen das Volumen der
Luftfracht zurückgehen», sagt Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV.
Gerade hochwertige Tech-Produkte, Autoteile oder Medikamente werden
häufig per Flugzeug geflogen.
Rhein: «Belastungsorgie»
In Hessen sind die betroffenen Industrieverbände wie auch die Politik
alarmiert. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) spricht von einer
«Belastungsorgie für die Wirtschaft». Zölle kosteten am Ende immer
Wohlstand. «Europa und Deutschland müssen auf die drastischen Zölle
von US-Präsident Trump eine Antwort der Souveränität geben», sagt d
er
CDU-Politiker. Er spricht sich für einen ausgedehnten Freihandel mit
anderen Weltregionen wie Südamerika, Afrika und Indien aus.
Finanzminister Alexander Lorz (CDU) rechnet mit stark steigenden
Verbraucherpreisen in den USA.
Ein besonderes Problem haben die Fluggesellschaften. Der
Lufthansa-Konzern wartet händeringend auf längst überfällige
Langstreckenflugzeuge des US-Herstellers Boeing, der eine große
Zielscheibe für europäische Gegenzölle werden könnte. Ohnehin sind
die beiden weltweit führenden Flugzeughersteller Boeing und Airbus
eng mit Zulieferern vom jeweils anderen Kontinent verflochten, warnt
der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI).
Zölle könnten schnell die ohnehin angespannten Lieferketten stören
und große Schäden auf beiden Seiten anrichten. Die Ankündigungen
Trumps seien daher ein beispielloser Angriff auf den Welthandel, auf
den es eine geschlossene Reaktion der Europäischen Union geben
müsse.
Hessenmetall sorgt sich um Lieferketten
Die Wirkung der Zölle auf die international verflochtenen
Wertschöpfungsketten trifft zahlreiche hessische Metall- und
Elektrounternehmen. Hessenmetall- Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert
berichtet: «Ein Unternehmen, das Vorprodukte an andere Unternehmen in
Deutschland oder beispielsweise nach Mexiko oder Kanada liefert, die
dort weiterverarbeitet und in die USA weiterverkauft werden, ist
damit von den Zöllen betroffen, selbst wenn es gar keinen direkten
Handel mit Kunden in den USA betreibt. Die ständigen Ankündigungen
neuer Zölle durch die USA und Gegenzölle seitens der betroffenen
Länder verunsichern die Unternehmen und Konsumenten und sind Gift für
die internationale Wirtschaft.»
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