Solingen-Prozess: Mehr NS-Material aufgetaucht
Im Prozess um den Vierfachmord von Solingen ist noch mehr Material
mit NS-Bezug aufgetaucht. Eine Anwältin erstattete Strafanzeige gegen
Polizisten. Auch der Richter zeigte sich erstaunt.
Wuppertal (dpa) - Im Zusammenhang mit dem Vierfachmord von Solingen
hat eine Rechtsanwältin den Wuppertaler Polizeipräsidenten und
mehrere Polizisten angezeigt. Es bestehe der Verdacht, dass
Beweismaterial zurückgehalten wurde, das auf eine rechtsradikale
Gesinnung und ein entsprechendes Motiv des Angeklagten deuten könnte,
sagte Nebenklage-Vertreterin Seda Ba?ay-Yildiz im Prozess um den Mord
und weitere Verbrechen. «Welches Beweismaterial gab es noch, das uns
nicht vorgelegt wurde?», fragte sie.
Es seien Fotos von Literatur über NS-Größen aufgetaucht, von denen
niemand im Prozess gewusst habe. Warum die ermittelnden Beamten diese
nicht vorgelegt hätten, sei schleierhaft. Auch der Vorsitzende
Richter Jochen Kötter zeigte sich erstaunt: «Ich könnte da auch aus
der Haut fahren, wenn ich das sehe», sagte er. «Ich muss Ihnen
zugestehen, dass das nicht passieren darf.»
Wem gehören die Bücher?
Ob die Bücher allerdings dem geständigen Angeklagten zugeordnet
werden können, ist umstritten. Seine Verteidiger sagen, er habe die
Räume, in denen die Bücher gefunden wurden, nicht bewohnt. Die
Schlüsselgewalt für die Räume habe beim Vater gelegen, die Wohnung
sei bis kurz vor der Durchsuchung noch vermietet gewesen. Beim
Angeklagten habe sich kein Schlüssel zu dieser Wohnung gefunden.
Fotos aus dem Haus, indem der Angeklagte wohnte, zeigen zehn Bücher
unter anderem mit Hitler im Titel, eine «Kriegsfibel», «Die
Wehrmacht», «Hermann Göring», «Das neue Universum», «Karin G
öring».
Der Polizeipräsident hatte nach den Taten gesagt, dass es keine
Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund gibt.
Ein Polizist des Staatsschutzes sagte aus, auch eine nochmalige
Überprüfung des Angeklagten habe nichts ergeben, was diesen mit
rechtsextremen Straftaten in Verbindung bringt. Seine Freundin habe
im Tatzeitraum Inhalte der SPD online geteilt.
Die Anwälte der Angehörigen hatten darauf hingewiesen, dass in den
vom geständigen Angeklagten angezündeten Häusern fast ausschließlic
h
Menschen mit Migrationshintergrund gelebt hätten. Eine der
Brandstiftungen sei am Jahrestag der Pogromnacht gewesen. In einem
Chat habe sich der Angeklagte zudem rassistisch geäußert.
Bei dem tödlichen Feuer starben zwei kleine Kinder und die Eltern
Der mutmaßliche Mörder und Brandstifter hat bereits umfassend
gestanden. Bei dem tödlichen Feuer am 25. März 2024 starb in Solingen
eine bulgarische Familie im Dachgeschoss - die 28 und 29 Jahre alten
Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen
Monaten. Als Motiv gab der Angeklagte «Stress mit der Vermieterin»
an. Ihm war wegen Mietrückständen gekündigt worden.
Der deutsche Angeklagte gestand neben mehreren Brandlegungen auch
eine Macheten-Attacke, bei dem er einen Bekannten lebensgefährlich
verletzte. Der 40-Jährige muss sich in Wuppertal wegen vierfachen
Mordes und Mordversuchen an bis zu 21 Menschen vor Gericht
verantworten. Ein Psychiater hatte ihn als hochgefährlich eingestuft.
Das Landgericht hat für den Prozess zwei weitere Verhandlungstage bis
zum 15. April angesetzt. Das Gericht will nun entscheiden, wie es mit
weiteren Anträgen der Nebenkläger umgeht. Der Prozess wird am
kommenden Mittwoch (9. April) fortgesetzt.
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