Experten-Warnung: Mpox könnte zu ernster Bedrohung werden
Ist doch weit weg, dieses Mpox. Oder? Das Virus nicht als globale
Gemeinschaft engagiert zu bekämpfen, könnte sich schwer rächen,
warnen Experten.
Guildford (dpa) - Ein zu leichtfertiger Umgang mit dem Virus könnte
Mpox zu einer ernsten globalen Gesundheitsbedrohung werden lassen,
warnt ein britisches Forscherduo im Fachmagazin «Nature Medicine».
Zwar sei keine eindeutige Vorhersage zu Entwicklung und Auswirkungen
möglich, es gebe jedoch klare Hinweise auf ein hohes Epidemie- oder
sogar Pandemierisiko.
Dazu zählten die Fähigkeit des Virus, von Mensch zu Mensch übertragen
zu werden, die vier unabhängig voneinander anhaltenden Ausbrüche
verschiedener Viruskladen und die außerordentlich hohe Rate von
Übergängen der Klade Ia vom Tier zum Menschen.
Mpox-Häufung in Berlin
Die aktuell kursierenden Mpox-Varianten werden überwiegend durch
engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen, vor allem beim
Sex. Das Infektionsgeschehen konzentriert sich derzeit auf bestimmte
afrikanische Länder. Erst kürzlich meldete aber zum Beispiel das
Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin, dass sich
in der Hauptstadt seit Jahresbeginn mehr als viermal so viele
Menschen nachweislich mit Mpox infiziert haben wie in den zwei Jahren
zuvor.
Bis zum 23. März wurden demnach 43 Fälle gemeldet. Betroffen seien
ausschließlich Männer, im Durchschnitt 34 Jahre alt. Und für die
kommenden Monate ist nicht mit Entspannung zu rechnen: «In den
vergangenen Jahren haben internationale Großveranstaltungen und
Festivals für Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben,
im Frühjahr und Frühsommer zu längeren Übertragungsketten
beigetragen», hieß es vom Lageso.
Ausbrüche halten länger an als früher
Intime Kontakte seien anders als in den Jahrzehnten davor inzwischen
eine wichtige Verbreitungsart des Virus, erklärte Carlos Maluquer de
Motes von der University of Surrey in Guildford. «Dieser Wandel in
der Art der Übertragung führt zu längeren Übertragungsketten und
anhaltenden Ausbrüchen.»
Deutschlandweit wurden in diesem Jahr bislang 154 Fälle an das RKI
übermittelt (Stand 3.4.2025). Experten gehen unter anderem wegen des
mit der Erkrankung verbundenen Stigmas von einer hohen Zahl nicht
erfasster Fälle aus. Todesfälle gab es hierzulande noch nicht. Das
Virus verursacht einen typischen Hautausschlag, aber auch Fieber und
Muskelschmerzen. Vor allem bei Kindern und immungeschwächten Menschen
kann es zu schweren Verläufen kommen.
Schwache Gegenmaßnahmen lassen das Epidemierisiko steigen
Die Bekämpfung von Mpox müsse auf der globalen Gesundheitsagenda nach
oben rücken, ist Maluquer de Motes überzeugt. Bisher seien nur
begrenzte Diagnoseinstrumente und noch weniger antivirale
Behandlungen verfügbar. «Wir brauchen dringend eine bessere
Überwachung und lokale oder regionale Kapazitäten, um das zu
produzieren, was wir brauchen - sonst riskieren wir künftige
Epidemien.»
Das Virus scheine spezifische genetische Mutationen zu entwickeln,
die durch Enzyme im menschlichen Körper ausgelöst werden und die
viralen Eigenschaften verändern, erläutert der Virusforscher zusammen
mit David Ulaeto vom CBR Division, Defence Science and Technology
Laboratory in Salisbury in «Nature Medicine». «Je länger diese Vire
n
unter uns zirkulieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass
diese Mutationen dazu beitragen, dass sich Mpox an den Menschen
anpasst.»
Pocken waren eine der gefährlichsten Krankheiten überhaupt
Das Mpox verursachende Virus ist in West- und Zentralafrika heimisch
und gehört der gleichen Virusfamilie an wie jenes, das früher die
Pocken auslöste. Die Pocken zählten lange zu den gefährlichsten
Krankheiten überhaupt für den Menschen, an der Infektion starb ein
großer Teil der Betroffenen. Impfkampagnen brachten die Rettung, seit
1980 gilt die Welt als pockenfrei. Diese Impfstoffe schützten auch
vor Mpox.
Seit sie nicht mehr benötigt wurden, sank in der Bevölkerung weltweit
auch der Schutz vor Mpox, früher Affenpocken genannt. In den
vergangenen Jahrzehnten kam es vermehrt zu Übertragungen durch
infizierte Tiere wie Nagetiere und Affen - und in der Folge auch zu
Übertragungen von Mensch zu Mensch. 2003 wurde der Erreger erstmals
außerhalb Afrikas nachgewiesen. 2022 kam es dann zum ersten globalen
Ausbruch der Krankheit mit Schwerpunkt in Europa und Nordamerika.
Konkurrenz von Varianten ist ein Motor für bessere Anpassung
Aktuell gibt es in Afrika Ausbrüche mit vier Varianten des Erregers,
Klade 1a, 1b, 2a und 2b genannt. Die gemeinsame Verbreitung der
Kladen Ia und Ib in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) bedeute
direkte Konkurrenz zwischen den Varianten und sei ein potenzieller
Motor für Evolution und Anpassung, geben die beiden Experten zu
bedenken. Sie sehen die Gefahr, dass ein Virustyp insbesondere der
Klade I einen erneuten, aber umfassenderen globalen Ausbruch
verursachen könnte.
Es sei eine gefährliche Situation, dass mit der
Mensch-zu-Mensch-Übertragung aller vier Kladen und der
außergewöhnlichen Anzahl von Zoonosen der Klade Ia so viele Varianten
um die menschliche Nische konkurrierten. «Ein solcher Wettbewerb ist
ein weiterer evolutionärer Antrieb für diese Viren, sich biologisch
anzupassen und ihre Mensch-zu-Mensch-Übertragung zu verfeinern.»
Risiko für Kinder
Entscheidend für das Ausmaß weiterer globaler Mpox-Ausbrüche werde
sein, ob das Virus einen anderen Übertragungsweg als den über sehr
engen Kontakt findet und sich in weiteren Bevölkerungsgruppen
etabliert. Ein besorgniserregendes Risiko sehen die beiden Experten
für Übertragungen zwischen Kindern. «Die anhaltende Zunahme von
Zoonosen der Klade Ia in der Demokratischen Republik Kongo betrifft
vor allem Kinder, aber es gibt bisher keine Hinweise auf anhaltende
Mensch-zu Mensch-Übertragung durch Netzwerke im Kindesalter.»
In einem entscheidenden Punkt unterscheiden sich Mpox und Pocken, wie
Maluquer de Motes und Ulaeto auch erläutern: Das Mpox-Virus hat
tierische Reservoire - was bedeutet, dass es selbst mit
großangelegten Impfkampagnen nicht vollständig ausgerottet werden
könnte. «Wenn die Mensch-zu-Mensch-Übertragung unterbrochen wird,
bleibt das Reservoir der Nagetiere eine Quelle für neue Ausbrüche.»
Der Erreger könne also immer wieder aufs Neue die globale Gesundheit
bedrohen. Dass es zu weiteren weltweiten Epidemien kommt, sei
wahrscheinlich.
Natur steht nicht freiwillig still
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im Februar entschieden,
die Mpox-Lage weiter in die höchste Alarmstufe, als «Gesundheitliche
Notlage von internationaler Tragweite» (PHEIC), einzustufen. Konkrete
Folgen hat das nicht, soll aber die internationale Aufmerksamkeit
erhöhen.
Werde der Kampf gegen das Virus in Afrika von der internationalen
Gemeinschaft nicht verbessert und intensiviert, bleibe die Zukunft
von Mpox der Natur und dem Zufall überlassen, warnen Maluquer de
Motes und Ulaeto. «Über den Zufall können wir uns nicht äußern, a
ber
unser Verständnis der Natur lässt vermuten, dass Mpox nicht
stillstehen und auch nicht verschwinden wird, wenn man es in Ruhe
lässt.»
Zwar gibt es schützende Impfstoffe, die das Risiko für einen Ausbruch
Krankheit senken und den Krankheitsverlauf abmildern. An der
Verfügbarkeit in Afrika mangelt es aber, ebenso wie an Diagnose- und
Behandlungsmöglichkeiten.
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