Mehr Geld und flexiblere Arbeitszeit im öffentlichen Dienst Von Verena Schmitt-Roschmann und Theresa Münch, dpa

Nach vier langen Runden gibt es eine Einigung. Wer bei Bund oder
Kommunen angestellt ist, kann sich auf mehr Geld freuen. Doch die
Arbeitnehmer haben lange nicht alles durchgesetzt.

Potsdam (dpa) - Das war eine harte Nuss. Seit Januar stritten
Arbeitgeber und Gewerkschaften über die künftigen Einkommen und
Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen. Immer
wieder gab es Warnstreiks - mal fuhren Busse nicht, mal blieb der
Müll liegen, die Kita zu. Schlichter mussten vermitteln. Nun steht
endlich ein Tarifabschluss. Weitere Streiks sind vom Tisch. Und eine
mögliche schwarz-rote Koalition hat zumindest einen Konflikt weniger
auf der Tagesordnung. Sie muss sich aber auf Milliardenkosten
einstellen.

«Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger
Haushaltslage verantworten können», sagte die geschäftsführende
Innenministerin Nancy Faeser (SPD), als sie am Sonntagvormittag
gemeinsam mit Gewerkschaften und Kommunen die Einigung verkündete.
Auch Gewerkschaften meinten: «Ein schwieriges Ergebnis in schwierigen
Zeiten». Aber letztlich gelungen. 

Welche Berufsgruppen profitieren vom Ergebnis?

Der Tarifabschluss betrifft mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte der
Kommunen und des Bundes. Das sind Angestellte in den Verwaltungen,
aber auch in Kitas und Schulen, im Nahverkehr, bei den
Abfallbetrieben, in Klärwerken, Bädern, Pflegeeinrichtungen oder an
Flughäfen. Üblicherweise wird der Abschluss später auf Beamtinnen und

Beamte übertragen, das soll dieses Mal aber erst die neue
Bundesregierung entscheiden. Nicht betroffen sind Beschäftigte der
Länder, also zum Beispiel Lehrer, für die im Herbst separat
verhandelt wird.

Wie viel Geld gibt es mehr?

Die Beschäftigten sollen in zwei Stufen mehr Geld bekommen: Ab 1.
April 2025 drei Prozent, mindestens aber 110 Euro mehr im Monat.
Stufe zwei folgt ab 1. Mai 2026 in Höhe von 2,8 Prozent. Ab 1. Juli
2025 sollen außerdem Zulagen für Schichtarbeit von 40 auf 100 Euro
und für Wechselschichtarbeit von 105 auf 200 Euro angehoben werden.
Zudem soll das 13. Monatsgehalt ab 2026 steigen. 

Verdi-Chef Frank Werneke rechnete vor, für eine Erzieherin oder einen
Erzieher erhöhe sich das Entgelt in der Laufzeit damit um ungefähr
230 Euro, für einen Müllwerker um 200 Euro. 

Ist das alles?

Nein, zusätzlich soll die Arbeitszeit deutlich flexibler werden. Die
Beschäftigten sollen zum Beispiel Teile des erhöhten 13.
Monatsgehalts in bis zu drei zusätzliche freie Tage eintauschen
können. Das gilt allerdings nicht für kommunale Krankenhäuser, wo die

Arbeitgeber nur schlecht Ersatz finden. Ab 2027 gibt es einen
zusätzlichen Urlaubstag. 

Zugleich sollen die Beschäftigten ab 2026 die Möglichkeit bekommen,
ihre Wochenarbeitszeit freiwillig und befristet auf bis zu 42 Stunden
zu erhöhen, also mehr zu arbeiten und auch mehr zu verdienen. 

Wer hat sich durchgesetzt?

Das Paket ist vielfältig, sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber
haben einige Punkte gesetzt - und mussten an anderer Stelle Kröten
schlucken. Die Gewerkschaften hätten vor allem beim Thema flexible
Arbeitszeit gern noch mehr erreicht und wollen in späteren
Tarifrunden nachlegen. Die Berufe müssten attraktiver werden, denn es
gebe Hunderttausende unbesetzte Stellen, erklärte Werneke. Außerdem
mussten sich die Gewerkschaften mit drei sogenannten Leermonaten
zufriedengeben, da die Lohnerhöhung erst ab April greift und nicht
schon im Januar. Dadurch sparen die Arbeitgeber einiges an Geld.

Im Gegenzug mussten Bund und Kommunen akzeptieren, dass die
Beschäftigten künftig möglicherweise weniger arbeiten und sie
häufiger Lücken stopfen müssen. Das kann in Berufen mit
Fachkräftemangel schwierig werden. 

Zuletzt hakten die Gespräche am Vorschlag, die Arbeitszeit freiwillig
auszudehnen auf 42 Wochenstunden. Die Gewerkschaften befürchteten
Nachteile bei Neueinstellungen oder befristeten Verträgen, wenn
Beschäftigte zu dieser Aufstockung nicht bereit sind. Nun wurde laut
Werneke vereinbart: «Niemand kann gedrängt werden, mehr zu arbeiten.»

Und wer freiwillig mehr arbeite, erhalte dafür auch einen Aufschlag.
Die Regelung soll nach fünf Jahren überprüft werden.

Kann sich der Staat das Paket leisten?

Auf den Bund und die Kommunen als Arbeitgeber kommen Mehrkosten zu,
allerdings in sehr unterschiedlicher Höhe. Rund 1,94 Milliarden Euro
sind es laut Innenministerium für den Bund - gerechnet über die
gesamte Laufzeit von 27 Monaten. Das an sich sollte kein großes
Problem sein. Bei der Rechnung ist allerdings noch nicht
berücksichtigt, dass das Ergebnis voraussichtlich auf die Beamten
übertragen wird - und dann dürfte es deutlich teurer werden. Alles in
allem scheint der Abschluss für die werdende Koalition von CDU-Chef
Friedrich Merz aber verkraftbar zu sein.

Bei den Kommunen ist das schon kritischer. Welge nannte Kosten von
mehr als zehn Milliarden Euro jährlich. Und einige Kommunen sind so
hoch verschuldet, dass sie schon jetzt bei der Sanierung von
Schwimmbädern und Schulen sparen müssen. Dazu kommt die maue
Wirtschaftslage, die sie Gewerbesteuer-Einnahmen kosten wird. Die
Kommunen seien einfach unterfinanziert, sagte selbst
Gewerkschaftschef Werneke. «Sie bluten aus.»

Der Landrat aus dem sächsischen Meißen, Ralf Hänsel (CDU), beklagte
auch sofort, das Ergebnis überfordere die Städte und Gemeinden. Die
Kommunen hätten das höchste Finanzierungsdefizit seit der
Wiedervereinigung. Der Kommunale Arbeitgeberverband Sachsen habe
gegen den Abschluss gestimmt, müsse ihn nun aber dennoch umsetzen.

Gibt es jetzt keine Streiks mehr?

Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 27 Monaten, gilt allerdings
rückwirkend ab 1. Januar 2025. Damit dürfte nun bis Ende März 2027
erst einmal Ruhe sein an der Streikfront. Allerdings gilt das nur für
diesen Tarifkonflikt. 

In Berlin zum Beispiel könnten Bus- und U-Bahn-Fahrer bald wieder
streiken, da sie nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt werden. Ende
des Jahres beginnen dann auch Tarifverhandlungen für die
Beschäftigten der Länder - und es drohen Warnstreiks zum Beispiel von
angestellten Lehrern.

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