Maßregelvollzug am Limit - Ausbau reicht nicht aus Tatjana Bojic, dpa
Trotz geplanter Neubauten bleibt der Maßregelvollzug in
Baden-Württemberg überlastet. Welche Herausforderungen stehen der
Landesregierung noch bevor?
Stuttgart (dpa/lsw) - Zu viele Patienten, zu wenige Ressourcen - das
ist die Situation des Maßregelvollzugs auch in Baden-Württemberg. Das
Sozialministerium in Stuttgart rechnet schon jetzt damit, dass der
bereits geplante Ausbau an Plätzen nicht ausreichen wird. «Wir gehen
davon aus, dass wir zusätzlich zu den bereits in Planung befindlichen
Projekten (...) noch einen zusätzlichen Standort brauchen werden, um
die Verdichtungsmaßnahmen in den Einrichtungen vor Ort wieder
zurücknehmen zu können», sagt eine Behördensprecherin in Stuttgart.
Zu den Verdichtungsmaßnahmen zählen das Aufstellen von Stockbetten,
die Umnutzung von Räumlichkeiten wie Patienten- und Besucherzimmern
und Therapieräumen. «Die fachlichen Standards können in
Baden-Württemberg nicht mehr flächendeckend in dem Maße erfüllt
werden, wie wir das gerne hätten», sagt Udo Frank, Leiter des
Zentralbereichs Maßregelvollzug des Zentrums für Psychiatrie
Südwürttemberg. Die Stationsgröße werde regelmäßig überschrit
ten.
«Dies ist therapeutisch nicht förderlich», sagte Frank.
Wo der neue Standort entstehen könnte, ist Frank zufolge noch unklar.
Wünschenswert wäre neben Stuttgart etwa der Bereich Karlsruhe. Denn
viele Patienten aus diesen beiden Regionen würden sehr heimatfern
behandelt.
Pläne der Landesregierung: Bau neuer Einrichtungen
Straftäterinnen und Straftäter kommen in den Maßregelvollzug, wenn
ein Gericht sie als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft
und deshalb erneut erhebliche Taten zu erwarten sind. Bei den
Suchtkranken erfolgt bei längeren Freiheitsstrafen ein Vorwegvollzug
eines Teils der Strafe, anschließend folgt der Maßregelvollzug. Dort
entscheidet der Behandlungsverlauf, ob der Verurteilte zur Verbüßung
der Reststrafe in Haft zurückkehren muss oder auf Bewährung auf
freien Fuß kommt.
Zuletzt wurden am Standort Heidelberg neue Plätze geschaffen. Das
ehemalige Gefängnis «Fauler Pelz» wird seit August 2023 als
Einrichtung für den Maßregelvollzug genutzt und verfügt über 80
Plätze. Dies gilt als Zwischenlösung bis zum Sommer 2025.
Neubauten gibt es in Wiesloch (Eröffnung am 11. Oktober 2024) und
Calw (Eröffnung am 22. Januar 2025). Weitere Neubauten sind in
Schwäbisch Hall (100 Plätze), Winnenden (75 Plätze), Weinsberg
(Jugendforensik 10-12 Plätze) und Weissenau (48 Plätze) geplant.
Außerdem sollen durch verschiedene Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an
weiteren Standorten zusätzliche Platzkapazitäten erschlossen werden.
Mit der Inbetriebnahme des neuen Standorts in Schwäbisch Hall rechnet
das Sozialministerium im Herbst/Winter 2025. «Für die Umsetzung des
Maßregelvollzugsvorhabens in Winnenden sind noch umfangreiche
Vorarbeiten notwendig.» Mit einer Inbetriebnahme werde dort
frühestens 2028/2029 gerechnet. Im vergangenen Jahr waren die
Maßregelvollzugseinrichtungen laut dem Ministerium durchschnittlich
mit 1605 Menschen belegt. Zum Stichtag 28. Februar warteten noch 27
Suchtkranke auf eine Aufnahme.
Immer weniger Suchtkranke in den Einrichtungen
Die Platzkapazitäten hängen der Behördensprecherin zufolge letztlich
von der Entwicklung der gerichtlichen Zuweisungen ab. Denn während
sich bei Zuweisungen von Suchtkranken in die Unterbringung ein
Rückgang abzeichne, gebe es bei Unterbringungen im psychiatrischen
Krankenhaus eine steigende Entwicklung.
Laut Frank geht aber nicht die Anzahl an Suchtkranken zurück, wie
aufgrund der Entwicklung angenommen werden könnte. Die Trendwende
gehe vielmehr einher mit der Reform des Paragrafen 64 StGB. Seit
Anfang Oktober 2023 seien die Voraussetzungen für eine Unterbringung
deutlich restriktiver gefasst. Daher seien auch die Zahlen
rückläufig, sagte Frank.
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