Klinikpersonal erlebt immer wieder Gewalt im Berufsalltag Von Andrea Löbbecke, dpa

Experten sehen ein strukturelles Problem und verweisen auf eine
zusätzliche Dunkelziffer. Aus welchen Situationen entwickelt sich die
Aggression? Und was können Kliniken dagegen tun?

Wiesbaden (dpa/lhe) - Krankenhauspersonal wird immer wieder Opfer von
körperlichen Attacken am Arbeitsplatz. Im vergangenen Jahr seien
insgesamt 189 Klinikangestellte betroffen gewesen, teilte die
Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Wiesbaden mit. Unter den
Opfern waren 34 Ärztinnen und Ärzte sowie 155 Pflegerinnen und
Pfleger. Für die Statistik wurde Gewaltkriminalität mit dem Tatort
«Klinik» und «Krankenhaus» ausgewertet. Gezählt wurden Straftaten

gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und Freiheit zum
Nachteil von Ärzten und Pflegern. 

Ballungszentren stärker betroffen als ländliche Regionen

2023 lag die Zahl der Opfer noch etwas höher, nach Zahlen des
Gesundheitsministeriums waren 173 Pflegerinnen und Pfleger sowie 33
Ärztinnen und Ärzte von gewalttätigen Angriffen betroffen. «In den

Ballungszentren, in denen sich mehrere Krankenhäuser und Kliniken
befinden, wurden proportional mehr Fälle erfasst als in den übrigen
ländlich geprägten Regionen», erläuterte das Ministerium in einer
Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Landtagsfraktion.

Schutz durch Sicherheitsdienste und Panikknöpfe?

«Die Landesregierung verurteilt Angriffe und Gewalt gegen
Mitarbeitende in Krankenhäusern, Beschäftigte im Gesundheitswesen,
Einsatz- und Rettungskräfte und darüber hinaus auf das Schärfste»,

bekräftigte das Gesundheitsministerium. Über Schutzmaßnahmen müsste
n
die Kliniken jeweils vor Ort entscheiden. In Betracht kämen etwa
Absprachen mit der Polizei, eigene Sicherheitsdienste, bauliche
Änderungen oder Panikknöpfe.

Krankenhausgesellschaft verweist auf Dunkelziffer

«Die gemeldeten Zahlen zeigen: Gewalt gegen Pflegekräfte und
Ärztinnen und Ärzte ist leider kein Einzelfall mehr, sondern ein
strukturelles Problem - auch in hessischen Kliniken», bilanzierte
eine Sprecherin der hessischen Krankenhausgesellschaft. «Die
Dunkelziffer dürfte wahrscheinlich noch etwas höher liegen, da nicht
jeder Vorfall zu einer Anzeige gebracht wird.»

Schutzmaßnahmen, die einige Kliniken bereits eingeführt haben,
zeigten punktuell Wirkung, ergänzte die Sprecherin. Dazu zählten
Sicherheitsschleusen, Videoüberwachung und Schulungen für
Mitarbeitende. «Dennoch bleibt die Zahl der Angriffe hoch - eine
Entspannung der Lage lässt sich leider derzeit nicht feststellen.»
Die Herausforderungen im Klinikalltag wie Personalmangel, steigende
Arbeitsbelastung, zunehmende Aggressivität und auch Frustration in
Teilen der Gesellschaft trügen zur Eskalation bei.

Gewalt entsteht nach Erfahrungen der Krankenhausgesellschaft meist
wegen Wartezeiten in der Notaufnahme, Sprachbarrieren, Sucht oder
psychischen Belastungen oder auch Besucherkonflikten. Besonders
betroffen seien Notaufnahmen, psychiatrische Stationen oder
Pflegekräfte im Nachtdienst.

Die Landesärztekammer erfasst über einen digitalen Meldebogen Gewalt
gegen die Ärzteschaft und Praxisteams. «Unsere Meldedaten deuten
darauf hin, dass die Aggressivität gegenüber dem medizinischen
Personal seit Erhebungsbeginn im Jahr 2019 gestiegen ist», erklärte
eine Kammer-Sprecherin. Insbesondere während der Corona-Pandemie habe
es mehr registrierte Fälle gegeben. Die Mehrheit der Meldungen stamme
aus dem Gebiet der Allgemeinmedizin, gefolgt von der Psychiatrie und
Psychotherapie.

«Weiterhin leben wir in krisenhaften Zeiten. Dies kann zu
Überforderung führen, die unter anderem mit einer gesteigerten
Aggressivität gegen die Ärzteschaft sowie Gesundheitsfachkräfte
einhergeht», ergänzte die Sprecherin der Landesärztekammer. «Manche

Patientinnen und Patienten, die immer fordernder werden, zeigen in
einigen Fällen weniger bis gar kein Verständnis für die derzeitige
Arbeitsbelastung der Ärzteschaft sowie der Mitarbeitenden.» 

Auslöser für das aggressive Verhalten seien laut Meldedaten
überwiegend Wartezeiten oder die Verweigerung von
Medikamentenverschreibung. Teilweise unterstellten Angehörige einem
behandelnden Arzt/ einer behandelnden Ärztin auch eine fehlerhafte
Behandlung. 

Code-Wort kann im Notfall helfen

Die Carl-Oelemann-Schule der Landesärztekammer bietet seit 2024 für
Medizinische Fachangestellte die Fortbildung «Aggression im
Praxisalltag - Lösungsstrategien» an. «Die kommende
Fortbildungsveranstaltung ist bereits ausgebucht, sodass man von
einer hohen Nachfrage ausgehen kann», erklärte die Sprecherin. Es sei
wichtig, dass die Ärzteschaft gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden ein
Konzept entwickelt, wie mit aggressiven Patientinnen und Patienten
umgegangen werden sollte, rät die Landesärztekammer. Dies könne etwa

ein Code-Wort sein, mit dem unauffällig andere Teammitglieder um
Unterstützung gebeten werden.

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