Was der Gold-Boom im Amazonas anrichtet Von Philipp Znidar, dpa
Vergiftete Flüsse, zerstörte Lebensräume: Trotz Maßnahmen der
brasilianischen Regierung floriert der illegale Goldabbau im
Regenwald. Die steigende weltweite Goldnachfrage verschärft die
Situation.
Sinop (dpa) - Von oben wirkt der dichte, smaragdgrüne Regenwald
zunächst wie ein einziges, endloses Paradies. Doch die Narben, die
der illegale Goldabbau in den indigenen Gebieten des
Amazonas-Regenwaldes gerissen hat, sind beim Überflug unübersehbar.
Statt sattem Grün klaffen kahle Erde, schlammige Gruben und
rostbraune Wasserlöcher. Was einst undurchdringlicher Regenwald war,
ist nun - oft mit Schadstoffen verseuchtes - Ödland.
Das hat fatale Folgen für Umwelt, Tiere und indigene Gemeinschaften,
die dort leben. «Ich bin sehr besorgt. Wenn sie so weitermachen und
in unserem Gebiet Bergbau betreiben, zerstören sie die Natur - mit
Auswirkungen, die die ganze Welt zu spüren bekommt», sagt Raoni
Metuktire, Häuptling des Kayapó-Volkes, der Deutschen Presse-Agentur.
Er ist durch seinen jahrzehntelangen Einsatz für den Erhalt des
Amazonas-Regenwaldes und der indigenen Kulturen zu einer
international bekannten Symbolfigur geworden.
Ein aktueller Bericht der Umweltorganisation Greenpeace zeigt: Trotz
der Eindämmungsmaßnahmen der aktuellen Regierung von Präsident Luiz
Inácio Lula da Silva gegen den illegalen Goldabbau auf indigenem Land
sind die Bergbauaktivitäten nicht zurückgegangen. Sie haben sich
lediglich von einem indigenen Gebiet in ein anderes verlagert.
Greenpeace dokumentiert seit Jahren mit Hilfe von Satellitendaten und
Überlandflügen, die auch journalistische Recherchen ermöglichen, die
Goldabbau-Aktivitäten in vier bedeutenden indigenen Territorien im
Norden Brasiliens. Während der illegale Bergbau demnach zwischen 2023
und 2024 in der Yanomami-Region (minus 7 Prozent), der
Munduruku-Region (minus 57 Prozent) und der Kayapó-Region (minus 31
Prozent) zurückging, hat er in der Sararé-Region (plus 93 Prozent)
stark zugenommen.
In den letzten zwei Jahren seien allein in diesen Gebieten 4.219
Hektar Regenwald durch Goldschürfer zerstört worden - eine Fläche,
die rund der Hälfte der Fläche des Bezirks Manhattan der US-Stadt New
York City entspricht.
Massive Umweltschäden durch Quecksilber
Illegale Goldsucher (portugiesisch: Garimpeiros) dringen in
geschützte Gebiete vor, schlagen ihre Camps auf und versuchen Gold zu
finden. Dabei holzen sie oft großflächig Bäume ab und graben tiefe
Löcher. Beim Überflug sind Maschinen und Ausrüstung wie Bagger und
Pumpen zu sehen. Sich den Schürfern zu nähern, könnte gefährlich
sein. «Sie wissen um die Illegalität ihrer Tätigkeiten und könnten
bewaffnet sein», erklärt Jorge Eduardo Dantas, Greenpeace-Sprecher in
Brasilien.
Werden die Goldgräber fündig, kommen große Mengen hochgiftiger
Chemikalien wie Quecksilber zum Einsatz, um das Gold aus dem Gestein
zu lösen. Sie verschmutzen dabei das Wasser, oft sterben Fische. Die
indigenen Bewohner können unwiderrufliche Schäden des Nervensystems
davontragen. «Sehstörungen, Lern- und Entwicklungsstörungen bei
Kindern können die Folge sein», erklärt Harald Gross,
Greenpeace-Experte für Waldschutz. Eine im letzten Jahr
veröffentlichte Studie der nationalen Forschungseinrichtung Oswaldo
Cruz Institut zeigt, dass 84 Prozent der Bevölkerung in neun
Yanomami-Dörfern erhöhten Quecksilber-Werten ausgesetzt waren.
Nicht selten werden die Goldabbau-Gebiete von kriminellen Netzwerken
betrieben, die mit Drogenkartellen verbunden sind. Dabei kommt es
laut Greenpeace auch zu Gewalttaten und tödlichen Übergriffen
gegenüber den Indigenen.
Goldschürfer oft auch Opfer von Menschenhandel
Für die Arbeiter ist das Geschäft lukrativ. Oft haben sie auch kaum
eine andere Wahl. Illegales Goldgraben wird vergleichsweise gut
bezahlt und bietet eine Möglichkeit, die Familie gut zu versorgen.
Auf der anderen Seite sind die Garimpeiros gefährlichen Bedingungen
ausgesetzt, wie das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und
Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Brasilien in einer Studie zeigte.
Bis zu 40 Prozent der Goldgräber im Amazonasgebiet könnten demnach
Opfer von Menschenhandel und Zwangsarbeit sein.
Steigende Goldnachfrage treibt illegalen Bergbau an
«Der Goldpreis ist derzeit auf einem historischen Hoch, das Geschäft
ist mega lukrativ», sagt Gross. Die steigende globale Goldnachfrage
treibe den illegalen Bergbau in der Amazonasregion an. Über
undurchsichtige Handelsketten wird das Gold dem Greenpeace-Bericht
zufolge geschmuggelt, oft mit Gold aus legalen Minen vermischt und
über Mittelsmänner verkauft, bevor es in den internationalen Handel
gelangt. «Das Gold geht durch so viele Hände und wird immer wieder
neu verschmolzen, sodass ein wirklicher Herkunftsnachweis schwierig
ist», sagt Gross.
Eine Studie des Instituts Escolhas vom vergangenen Jahr zeigt, dass
94 Prozent des von der Europäischen Union importierten
brasilianischen Goldes aus den Bundesstaaten Pará und Amazonas
stammen - Regionen mit hoher Wahrscheinlichkeit für illegale
Goldgewinnung. Im Jahr 2023 importierten demnach Deutschland, Italien
und Tschechien zusammen 1,5 Tonnen Gold aus diesen Gebieten.
Lula will eigentlich gegensteuern
Im Unterschied zu seinem Vorgänger, Ex-Präsident Jair Bolsonaro, der
die Ausbeutung des Amazonasgebiets befürwortete und den Goldabbau in
indigenen Gebieten erlauben wollte, hatte Lula versprochen, den
Umwelt- und Klimaschutz zu stärken. Die Umweltbehörde Ibama führt
immer wieder Razzien durch, bei denen Ausrüstung von Goldgräbern
zerstört wird. Doch Greenpeace zufolge wäre eine kontinuierliche und
anhaltende Überwachung und Kontrolle nötig, damit die Bergleute nicht
zurückkehren, sobald die Maßnahmen beendet seien. Die Escolhas-Studie
betont, dass mehr Transparenz in der Lieferkette nötig sei.
Gerade in diesem Jahr steht Brasilien im Fokus der Öffentlichkeit:
Die Weltklimakonferenz COP30 findet im November in der
brasilianischen Amazonas-Stadt Belém statt.
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