Wo Schüler jetzt psychologische Hilfe finden
Einsamkeit, Angst und Erschöpfung haben bei vielen Kindern und
Jugendlichen in der Corona-Zeit zugenommen. Eine neue
Online-Plattform soll helfen - nicht nur den Schülern.
Hannover (dpa/lni) - Eine neue Online-Plattform soll Schülerinnen und
Schülern helfen, psychische Belastungen zu erkennen und zu lindern.
Unter jugendlichestaerken-niedersachsen.de werden Hilfsangebote
gebündelt. Neben Erklärungen und Ansprechpartnern sind dort auch
Arbeitsblätter für Lehrkräfte und Informationen für Eltern zu finde
n.
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg verwies bei der
Vorstellung auf eine Studie des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf, wonach unter Kindern und Jugendlichen rund jeder
Fünfte seine gesundheitliche Lebensqualität als gemindert ansehe.
Ähnlich viele berichteten von psychischen Auffälligkeiten und
Angstsymptomen, hinzu kämen Mobbing, Gewalt, sexuelle Übergriffe und
der Einfluss sozialer Medien. «Das sind natürlich Alarmsignale, die
wir sehr ernst nehmen müssen», sagte die Grünen-Politikerin.
Schüler brachten den Stein ins Rollen
Die Plattform geht zurück auf eine Initiative des Landesschülerrats.
Das Ziel: eine zentrale Anlaufstelle für psychische Gesundheit, statt
sich durch einen Wust von Angeboten klicken zu müssen. Wichtig sei,
dass die Plattform jetzt auch an den Schulen ankomme, sagte der
Schülerrats-Vorsitzende Matteo Feind.
Ministerin Hamburg will deshalb die Schulleitungen anschreiben und
die Plattform bewerben. Sie hofft, dass darüber auch die
Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zur psychischen Gesundheit noch
besser angenommen werden. Hamburg appellierte zudem an die Eltern,
ihre Kinder nicht mit den Krisen alleine zu lassen: «Die Welt ist
gerade belastend, und trotzdem haben wir alle auch die Pflicht,
unsere Kinder dabei zu begleiten und zu unterstützen.»
«Viele junge Menschen kämpfen im Stillen mit Problemen»
Eine professionelle psychologische Hilfe kann und soll die Plattform
jedoch nicht ersetzen, wie der Sozialpsychologe Mathias Kauff von der
Medical School Hamburg betonte, die die Seite im Auftrag des
Kultusministeriums entwickelt hat. Daher enthalte die Plattform auch
Hinweise, wann und wie die Jugendlichen Erwachsene einbeziehen
sollten.
Aber: Häufig seien es Freunde und Mitschüler, die Veränderungen in
ihrer Gruppe wahrnehmen würden. «Viele junge Menschen kämpfen im
Stillen mit Problemen», sagte Kauff. Wer sich um einen Freund oder
eine Freundin sorge, soll sich daher auf der Webseite über psychische
Gesundheit und Störungen informieren können - bis hin zum Thema
Suizidgedanken.
«Es ist völlig normal, manchmal Hilfe zu brauchen, und ein Zeichen
von Stärke, danach zu fragen», heißt es auf der Seite. Kernzielgruppe
sind Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren. Das Land hat dafür
200.000 Euro bereitgestellt.
Psychotherapeuten sehen hohen Medienkonsum kritisch
Wie stark Kinder und Jugendliche gerade unter der Corona-Zeit
gelitten haben, erlebt auch die Psychotherapeutenkammer
Niedersachsen. «80 Prozent sind widerstandsfähig durch die Krise
gegangen, aber 20 Prozent eben nicht», sagte Vorstandsmitglied Götz
Schwope. Durchschnittlich sechs bis acht Stunden Medienkonsum,
Vereinsamung, Depressionen und Ängste sowie Essstörungen überwiegend
bei Mädchen seien die Folgen.
Die Nachfrage nach Therapieplätzen sei sprunghaft angestiegen. Durch
den hohen Medienkonsum fehlten rund 100 Tage im Jahr, in denen zwar
Informationen zuhauf gesammelt würden, aber keine Erfahrungen im
richtigen Leben. «Die vielen Krisen, eine zunehmende Radikalisierung
und Polarisierung, da muss man schon einigermaßen widerstandsfähig
sein, um Antworten zu finden.» Zumal viele Eltern ebenso viel Social
Media konsumierten.
Niedrigschwellige Präventionsangebote könnten entlasten
«Wir reden auch über Jugendliche mit zwölf Stunden täglicher
Medienzeit und 150 Kilo Gewicht, die zwei Jahre nicht zur Schule
gegangen sind», berichtete der Psychotherapeut aus der täglichen
Praxis. Entlastung könnten niedrigschwellige gruppentherapeutische
Präventionsangebote für psychisch belastete Kinder und Jugendliche
bieten.
Zudem müssten insbesondere Grundschulen besser mit Sozialarbeitern
und Lehrerinnen und Lehrern aus anderen Kulturkreisen ausgestattet
werden. «Rettet wenigstens die Grundschule», sagte Schwope. «Was wir
da verlieren, wird teuer.»
Bis zur Behandlung dauert es oft fast ein halbes Jahr
Zusammen mit dem Kinderschutzbund Niedersachsen fordert die
Psychotherapeutenkammer eine landesweite Strategie, um die psychische
Gesundheit junger Menschen zu stärken. Die Wartezeiten seien
unzumutbar lang: Im Schnitt liegen sie für eine psychotherapeutische
Sprechstunde bei circa drei Wochen, bis zum Behandlungsbeginn dauere
es dann nochmal 20 Wochen.
«Unabhängig davon, ob die Zahlen steigen oder nicht: Das Leiden
vieler Kinder und Jugendlicher verfestigt sich», sagte Pablo Sennett
vom Kinderschutzbund. Zahlreiche Krankheiten hätten ihren Ursprung im
Kindes- und Jugendalter - mit massiven Folgen für die Betroffenen.
Seine Forderung: ein ausreichendes Angebot an Psychotherapieplätzen.
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