Freispruch nach Tod von bedrohter Ärztin in Österreich Von Albert Otti, dpa
Wurde eine Covid-Impfbefürworterin in den Tod getrieben? Oder
gerieten zwei kämpferische Persönlichkeiten tragisch aneinander? Nun
liegt ein Freispruch vor. Doch der Fall ist noch nicht abgeschlossen.
Wels (dpa) - «Ich bin der Meinung, dass nicht jede Tragödie ein
Verbrechen ist und nicht jedes Opfer einen Täter hat», sagte die
Anwältin des Deutschen, der in Österreich wegen gefährlicher Drohung
gegen eine Ärztin angeklagt war. Das Landgericht Wels folgte
weitgehend dieser Argumentation. Es sprach den
Corona-Maßnahmen-Gegner aus Oberbayern vom Vorwurf frei, die
Impfbefürworterin durch Drohschreiben mit in den Tod getrieben zu
haben.
Der Angeklagte habe nicht vorhersehen können, dass die
oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr im Juli 2022 im
Alter von 36 Jahren Suizid verüben würde, argumentierte die
Richterin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Mann aus Bayern vorgeworfen, dass er
die steigende Angst und Verzweiflung der engagierten Landärztin
mitverursacht habe. In E-Mails und Twitter-Nachrichten hatte er
Kellermayr ab Anfang 2022 geschrieben, dass er «solche Kreaturen» wie
Kellermayr vor ein «Volkstribunal» stellen, ins Gefängnis bringen und
sie mit Gleichgesinnten beobachten werde. Kellermayr verübte im Juli
2022 Suizid.
Zweiter Hass-Poster bislang nicht gefasst
Doch der Gerichtsprozess ergab ein komplexeres Bild. Kellermayr hatte
nicht nur von dem vorbestraften Mann bedrohliche Nachrichten
erhalten. Ein zweiter Verfasser schickte ihr äußert brutal
ausformulierte Todes- und Folterdrohungen. Nach diesem Schreiber, der
unter dem Namen «Claas» auftrat, suchen die Behörden bis heute.
Auslöser der Hassnachrichten war ein Twitter-Posting Kellermayrs, in
dem sie Corona-Maßnahmen-Gegner fälschlicherweise beschuldigt hatte,
bei einer Demonstration die Zufahrt einer Klinik blockiert zu haben.
Der Öffentlichkeit war Kellermayr durch ihre Medien-Interviews und
Online-Beiträge bekannt, in denen sie den Nutzen von Covid-Impfungen
bewarb, sich negativ über Impfskeptiker äußerte und von den Drohungen
gegen sie berichtete.
Bei der Schilderung ihrer Bedrohungslage und der angeblich mangelnden
Hilfe seitens der Behörden habe es die Ärztin «nicht immer nicht so
genau» mit der Wahrheit genommen und auch übertrieben, stellte die
Richterin fest.
Ohnmachtsgefühle bei Impfgegner und -befürworterin
Ob sich Kellermayr hauptsächlich von «Claas» bedroht fühlte, und ob
der Angeklagte auch einen Anteil daran hatte, konnte das Gericht
nicht mit Sicherheit feststellen. Der 61-Jährige argumentierte, dass
er die Ärztin nicht bedroht habe, sondern sie kontaktierte, um gegen
eine drohende Impfpflicht anzukämpfen.
«Meine Ohnmacht habe ich durch Aktivismus kompensieren müssen. Ich
war tatsächlich in einer Angst gefangen», sagte er dem Gericht.
Unbestritten ist hingegen, dass auch Kellermayr unter zunehmender
Angst litt. Sie stellte in ihrer Praxis wegen der Drohungen einen
Security-Mitarbeiter an und ließ einen kostspieligen Schutzraum
einrichten.
«Es sollte ein Ort werden, an dem ich zur Ruhe kommen kann», schrieb
sie über ihre Praxis. «Aus einem Ort der Geborgenheit wurde ein
Hochsicherheitstrakt», fügte sie in den Aufzeichnungen hinzu, die
nach ihrem Tod ausgewertet wurden.
Angeklagter zwischen Bedauern und Angriffslust
Der Angeklagte drückte vor dem Urteil sein «ehrliches Bedauern» übe
r
den Tod der Ärztin aus. «Mich hat seinerzeit der Tod erschüttert»,
sagte er. Zugleich zog er aber auch die Bedrohungslage der Ärztin in
Zweifel. «Realitätsbezug war nicht ihre Stärke», sagte der
Angeklagte.
Ein psychiatrisches Gutachten und anderes Beweismaterial ergaben,
dass Kellermayr nicht nur unter den Drohungen litt. Sie kämpfte schon
länger mit psychischen Problemen und hatte aufgrund der teuren
Sicherheitsmaßnahmen auch finanziellen Probleme. «Es war halt einfach
so ein gesamtes Bedrohungsbild. Es ist halt einfach so
ineinandergeflossen», fasste die Richterin Kellermayrs Lage zusammen.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.