Wird Hessen kriegstüchtig? - Umdenken nach Russlands Angriff Von Jens Albes, dpa

Nach dem Mauerfall sind hiesige Bunker vielerorts in Vergessenheit
geraten. Doch seit Russlands Invasion in der Ukraine sind Schutzräume
für Bürger und kriegsbereite Kliniken wieder aktuell. Was noch?

Wiesbaden (dpa/lhe) - Der Kalte Krieg ist lange vorbei, doch Hessen
bereitet sich auf neue Bedrohungen vor. Nur rund zwei Flugstunden
entfernt tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. «Er
bedeutet eine signifikante Veränderung bei den Bedrohungsszenarien
für den Schutz der Bevölkerung», sagt der hessische Innenminister
Roman Poseck (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. 

Bunker für Bürger, kriegsbereites Gesundheitssystem, Reservisten im
Heimatschutz, für Militärfahrzeuge geeignete Straßen und
zivil-militärische Zusammenarbeit lauten hier einige Stichwörter.
Boris Pistorius (SPD), geschäftsführender
Bundesverteidigungsminister, hat im Herbst 2023 die Öffentlichkeit
mit dem Satz aufgerüttelt, Deutschland müsse kriegstüchtig werden -
und später etwas milder von nötiger Verteidigungsfähigkeit
gesprochen.

Hessen hat nur noch 15 «sehr begrenzt nutzbare» Bunker 

Laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
in Bonn hat es einst allein «in den alten Bundesländern rund 2.000
öffentliche Schutzraumanlagen» gegeben. Heute seien es bundesweit
noch 579 «akut nur sehr begrenzt nutzbare» Bunker. Auf Hessen
entfallen davon seinem Innenministerium zufolge 15 Bunker mit
insgesamt 33.000 Schutzplätzen - in einem Bundesland mit rund 6,2
Millionen Einwohnern. 

Allerdings gelten große öffentliche Bunker auch nicht mehr als
zeitgemäß. Bei Vorwarnzeiten von nur noch wenigen Minuten bei
Angriffen mit modernen Waffen könnten sie von den meisten Anwohnern
nicht rechtzeitig erreicht werden, erklärt das hessische
Innenministerium. Zudem könnten sich Ansammlungen von mehreren
Hunderten oder gar 1.000 Menschen «selbst zu einem Ziel für einen
Angreifer entwickeln».

Schutz im Krieg in U-Bahn-Stationen und Tiefgaragen

Es gehe heute vornehmlich um den Schutz vor herumfliegenden
Trümmerteilen oder Splittern in rasch erreichbaren Schutzräumen wie
Kellern, die sich leicht zu Selbstschutzräumen umbauen ließen. Auch
U-Bahn-Stationen, Tunnel und Tiefgaragen sollen nach den Angaben als
Zufluchtsort genutzt werden können. Ein «Nationales
Schutzraumkonzept» werde von Bund und Ländern ausgearbeitet, unter
Beteiligung des hessischen Innenministeriums.

Landesgesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) sagt der dpa, dass auch
«Kliniken krisenfest aufgestellt sein müssen». Rettungsdienst und
ambulanter Bereich müssten dafür ebenfalls in den Blick genommen
werden.

Handbuch für Krankenhäuser auch für einen Krieg

In den vergangenen Monaten ist laut Gesundheitsministerium von
zahlreichen Experten ein neues Handbuch zu Alarm und Einsatzplanung
erarbeitet worden - auch für «Szenarien im Verteidigungsfall».
Notfalls könnten Sanitätszüge oder Medizinische Task Forces
«zusätzliche Behandlungsplätze für 25 oder 50 Patientinnen und
Patienten vor den Aufnahmebereichen von Krankenhäusern einrichten».
Diese würden «nach Sichtung notfallmedizinisch versorgt und in
weiterführende medizinische Versorgungseinrichtungen transportiert». 


Überdies hat Hessen eine «Sanitätsmittelbevorratung» bei jeder
unteren Katastrophenschutzbehörde in 21 Landkreisen und fünf
kreisfreien Städten - in Kliniken, Apotheken oder Behördengebäuden
«für den Massenanfall von Verletzten», wie das Gesundheitsministerium

weiter mitteilt.

Heimatschützer üben auch am Wochenende

Im Juni 2024 war auch das Sicherheitskabinett der hessischen
Landesregierung zu einer auswärtigen Kabinettssitzung auf dem
Flugplatz der U.S. Army Garrison in Wiesbaden zusammengekommen, um
mit Experten über Landesverteidigung, Ukraine-Hilfen und Heimatschutz
zu beraten. 

Das Heimatschutzregiment 5 der Bundeswehr ist im Herbst 2024 in
Wiesbaden aufgestellt worden. Im Krisenfall soll es die Truppe
unterstützen. Es besteht großenteils aus Freiwilligen, die sich für
das Programm «Ungediente für die Reserve» gemeldet hatten. Bewerber
durchlaufen einen Gesundheitstest und einen Sicherheitscheck. Die
Heimatschützer mit einem zivilen Hauptberuf werden an bestimmten
Werktagen und einzelnen Wochenenden ausgebildet. Dann können sie etwa
bei Naturkatastrophen, aber eben auch bei der Sicherung von Kasernen
und Flughäfen eingesetzt werden.

Sind Hessens Brücken für schwere Militärfahrzeuge geeignet? 

Landesregierung und Streitkräfte haben in Hessen überdies die
Instandhaltung des sogenannten Militärstraßengrundnetzes im Blick.
Dieses besteht größtenteils aus Autobahnen und Bundesstraßen, die
auch für Militärfahrzeuge geeignet sein sollen. Der geschäftsführen
de
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos) hat einst gesagt:
«Deutschland ist logistischer Dreh- und Angelpunkt für Europa.» Das
gelte seit Russlands Invasion in der Ukraine «in besonderem Maße auch
für militärische Transporte». 

Viele Straßenbrücken der Republik sind aber sanierungsbedürftig. Doch

eine parlamentarische Anfrage des BSW im vergangenen Jahr, ob die
damalige Bundesregierung von einer ausreichenden Nutzbarkeit der
Brücken für Militärfahrzeuge ausgehe, hatte das
Bundesverteidigungsministerium bejaht. Das Militärstraßenrundnetz
werde «laufend aktualisiert».

In Wiesbaden befindet sich Hauptquartier der US-Armee in Europa

Hessens Landeshauptstadt Wiesbaden ist ein Militärstandort mit
internationaler Bedeutung, etwa mit dem Europa-Hauptquartier der
US-Streitkräfte und dem neuen Ukraine-Kommando der Nato zur
Koordinierung der Waffenhilfe für das angegriffene Land. Hessen steht
nach Auskunft seines Innenministeriums im engen Austausch mit den
deutschen und ausländischen Streitkräften auf seinem Gebiet.
Innenminister Poseck betont, auch im Sinne des Bevölkerungsschutzes
werde Hessen diese Zusammenarbeit «weiter vertiefen».

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