Britisches Gesundheitswesen verschuldet
Warten ist angesagt
Ein hoher Schuldenstand beim staatlichen Gesundheitssystem bringt die Reformen der Labour-Regierung unter Tony Blair in Schwierigkeiten. Nach Berechnungen des Senders BBC könnte das Defizit der staatlichen Krankenfürsorge zum Jahresende rund 750 Millionen Pfund (umgerechnet über 1 Milliarde Euro) betragen. Kritiker werfen Blair vor, dass das System zu viel Geld verschlingt, weil es nicht effizient funktioniere und den Managern zu viel zahle. Seit Labour 1997 wieder an die Macht kam, haben sich die Ausgaben beinahe verdreifacht. Für den Haushalt 2007/2008 liegen sie bei 92 Milliarden Pfund (umgerechnet 133 Milliarden Euro).
Für den Bürger ist die Behandlung durch den National Health Service (NHS) kostenlos - abgesehen von einer Rezeptgebühr von umgerechnet rund 10 Euro. Krankenkassenbeiträge gibt es nicht, da das System aus dem Steueraufkommen finanziert wird. Allerdings hat die Qualität der medizinischen Versorgung keinen guten Ruf. Sie ist nach Einschätzung britischer Medien schlechter als jene in Deutschland.
Die Wartezeiten sind oft immer noch enorm, obwohl sich die Regierung um eine Senkung bemüht hat. In letzten Winter musste der Zeitung «The Guardian» zufolge erstmals niemand länger als sechs Monate auf eine Operation warten. Doch der Mangel an Ärzten, besonders außerhalb der Großstädte, ist immer noch erheblich.
Vor allem Patienten mit Zahnproblemen müssen sich gedulden. Landesweit stehen mehr als 5500 Patienten auf den Listen der NHS-Zahnärzte. Viele müssen bis zu 65 Kilometer weit fahren, um einen staatlichen Dentisten zu finden. Mit einer Reform, die am 1. April in Kraft tritt, bekommen die Ärzte in staatlichen Zahnpraxen nun ein garantiertes Mindesteinkommen. So soll verhindert werden, dass sich noch mehr Zahnärzte aus dem staatlichen System lösen und private Praxen eröffnen, in denen sie keine NHS-Patienten mehr behandeln.
Wer es sich leisten kann, geht zu privaten Zahnärzten, die nach den besten internationalen Maßstäben bohren - aber für eine Füllung schnell umgerechnet 300 Euro verlangen. Eine Frau in der nordenglischen Stadt Bradford hatte dafür kein Geld. Sie betrank sich - und ließ sich von einem Freund den schmerzenden Zahn mit der Zange ziehen.