Stichwort Vogelgrippe
Das aggressive Vogelgrippevirus H5N1 ist auch für Menschen gefährlich
Vogelgrippe, Geflügelpest, Hühnerinfluenza – die weltweit verbreitete und seit über hundert Jahren bekannte Erkrankung von Vögeln hat viele Namen. Sie wird durch das Influenza-A-Virus verursacht. Da die Erreger Influenza-A-Viren – also Grippeviren - sind, haben sich die Tiermediziner international auf die Bezeichnung Vogelgrippe (Aviäre Influenza) geeinigt.
Das aggressive Vogelgrippevirus H5N1 ist auch für Menschen gefährlich. Weltweit hatten sich Mitte Februar 2006 nach WHO-Angaben über 200 Menschen infiziert. Allerdings gilt der Erreger nicht als von Mensch zu Mensch übertragbar. Menschen können sich durch engen Kontakt zu infiziertem Geflügel anstecken, indem sie beispielsweise virushaltige Staubteilchen einatmen oder sich nach dem Tierkontakt nicht gründlich die Hände waschen. Das Vogelgrippe-Virus befindet sich in Sekreten der Atemwege der Vögel und in ihrem Kot. Es ist eng mit dem Erreger der menschlichen Virusgrippe verwandt.
Gesundheitsexperten fürchten jedoch eine denkbare Vermischung des Vogelgrippevirus mit einem menschlichen Influenzaerreger. Ein derartiges Mischvirus könnte so ansteckend sein wie die menschliche Grippe und so tödlich wie die Vogelgrippe. Einer der türkischen Vogelgrippe-Toten war mit einem genetisch veränderten Virus infiziert. Diese Mutationen erleichtern möglicherweise das Kapern menschlicher Zellen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf berichtete. Das Virus habe eine Veränderung an seiner Andockstelle zu den Körperzellen, schreibt die WHO. Es seien jedoch weitere Forschungen nötig, um die von dem Virus ausgehende Gefahr abzuschätzen. Derzeit gebe es noch keinen Hinweis auf eine Ansteckungskette unter Menschen.
Das derzeit grassierende Vogelgrippevirus ist nach Angaben von Experten ungewöhnlich aggressiv. "Das Virus mutiert sehr schnell", sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts, Professor Reinhard Kurth. Daher könne das Virus wie befürchtet zu einer Pandemie unter Menschen führen. Noch immer sei nicht abschätzbar, wann, wo und wie eine Pandemie
ausbrechen würde, sagte Kurth. Sollte es dazu kommen, würde es drei Monate dauern, bis allen Menschen in Deutschland ein entsprechender Impfstoff verabreicht werden könnte. "Wir rechnen damit, dass wir jeden Menschen zwei Mal impfen müssten - dann bräuchten wir sogar mehr als 160 Million Dosen des Impfstoffes."
Als problematisch gilt die schnelle Behandlung der Krankheit. Die Inkubationszeit betrage im Schnitt mehrere Tage, sagte die Direktorin des Instituts für Virologie am Benjamin Franklin-Klinikum, Prof.
Regine Heilbronn. "Ein Patient geht aber meist erst zum Arzt, wenn er schon hohes Fieber hat", sagte sie. Dann habe die Krankheit bereits ihren Höhepunkt erreicht.
Einen wirksamen Impfschutz für Menschen gegen die Vogelgrippe gibt es bislang noch nicht. Die Schutzimpfung gegen die menschliche Virusgrippe verhindert nicht die Ansteckung mit der Vogelgrippe. Wer in betroffene Regionen reist, sollte sich aber vorher gegen Grippe impfen lassen, um die gleichzeitige Infektion mit menschlichen und tierischen Influenza-Viren zu verhindern.
Zur medikamentösen Behandlung der Vogelgrippe werden Neuraminidasehemmer eingesetzt. Ausreichende klinische Erfahrungen mit diesem Wirkstoff liegen allerdings noch nicht vor. Wer nach der Rückkehr aus dem Urlaub befürchtet, sich mit der Vogelgrippe angesteckt zu haben, kann einen tropen- oder reisemedizinisch erfahrenen Arzt um Rat fragen.
Anzeichen für die Vogelgrippe beim Menschen sind hohes Fieber, Husten, Atemnot und Halsschmerzen. Etwa die Hälfte der Erkrankten leidet auch unter Durchfall. Im weiteren Verlauf der Vogelgrippe entwickelt sich meist eine Lungenentzündung. Etwa die Hälfte der infizierten Menschen stirbt an der Erkrankung.
Bei der Fahndung nach dem Vogelgrippe-Virus beschreiten Labore immer parallel zwei Wege: Molekularbiologische Verfahren und den klassischen Nachweis in Hühnereiern.
MOLEKULARBIOLOGISCHER NACHWEIS: Zunächst wird geklärt, ob Proben etwa von toten Tieren Erbmaterial von Grippeviren enthalten. Ist dies der Fall, bestimmen sie mittels molekularbiologischer Verfahren, ob es sich um einen der Vogelgrippe-Subtypen H5 oder H7 handelt. Wird auch dies mit ja beantwortet, muss noch geprüft werden, ob der Erreger zu den aggressiven Untertypen zählt. Schließlich analysieren die Fachleute das N-Eiweiß (Neuraminidase) auf der Oberfläche des Virus. Erst dann wissen sie, ob die untersuchten Vögel das gefährlichen H5N1-Virus oder einen anderen Subtypen tragen. Gewöhnlich habe die Labore nach spätestens drei bis vier Tagen ein Ergebnis.
KLASSISCHER NACHWEIS IM TIER: Parallel läuft die althergebrachte, klassische Virusdiagnostik in Hühnereiern und lebenden Tieren. Dazu wird ein Teil der genommenen Proben in bebrütete Hühnereier gespritzt und beobachtet, ob der Embryo in ihnen stirbt. Nach einigen Tagen prüfen Experten, ob die Eiflüssigkeit Hühnerblutzellen verklumpen lässt - ein Hinweis auf Grippeviren. Handelt es sich um Influenza des Typs H5 oder H7, wird dieses Virus im nächsten Schritt Hühnern in die Venen gespritzt und anschließend weiter untersucht. Dieses Verfahren kann im Einzelfall mehrere Wochen dauern.
(dpa)