Gericht verdirbt Novartis Milliarden-Geschäft mit Lucentis
30-facher Preis für Lucentis im Vergleich zum nahezu wirkstoffgleichen Avastin
Das Düsseldorfer Sozialgericht hat dem Pharma-Riesen Novartis ein milliardenschweres Geschäft mit seinem Medikament Lucentis zunächst verdorben. Novartis verlangt den 30-fachen Preis für Lucentis im Vergleich zum nahezu wirkstoffgleichen Avastin von Roche. Im Gegensatz zu Lucentis ist Avastin bisher aber nicht zur Behandlung der Augenkrankheit «feuchte Makula-Degeneration» zugelassen, sondern gegen Darmkrebs. Novartis hatte Augenärzte verklagt, die sich vertraglich gegenüber Krankenkassen verpflichteten, überwiegend Avastin zu verschreiben. Diesen Vertrag hatte Novartis angegriffen, weil er nach Konzernauffassung einem Boykott seines Medikaments gleichkomme, erklärte ein Gerichtssprecher der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Dies sah das Gericht im Hauptsacheverfahren wie schon in seiner Einstweiligen Entscheidung anders, bestätigte der Sprecher. Da der Vertrag das Verschreiben von Lucentis nicht verhindere, sei er zulässig. Zwar sehe das Gesundheitsrecht vor, dass ein Medikament ohne Zulassung nur verordnet werden darf, wenn es kein wirksames Zugelassenes gibt, aber: «Bei Mehrkosten von 1,4 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung spielt auch deren Stabilität eine große Rolle», so das Gericht.
Beide Medikamente waren von der US-Firma Genentech entwickelt worden. Eine Behandlung der Augenkrankheit kostet mit Avastin 600 Euro, mit Lucentis fast 15 000 Euro. Im Jahr werden in Deutschland etwa 100 000 Patienten gegen das Leiden behandelt. Kritiker haben geargwöhnt, Roche beantrage absichtlich keine Zulassung seines Medikaments Avastin als Augenheilmittel, um den Lucentis-Markt von Novartis zu schützen. Roche gehört zu einem Drittel dem Pharma-Riesen Novartis. Beide haben ihren Sitz in Basel (Schweiz).
Das Urteil werfe die Frage auf, ob die Arzneimittelzulassung eine Monopolstellung verschaffen dürfe, die dem Hersteller jede Preisgestaltung erlaube, sagte der Medizinrechtler Reinhold Preißler. Novartis werde das Urteil kaum hinnehmen. Aus der Politik war die Forderung erhoben worden, man müsse Roche dazu verpflichten, einen Zulassungsantrag zu stellen. Es wurde auch erwogen, den Antrag auf Zulassung durch Krankenkassen stellen zu lassen.