BGH-Urteil erleichtert Umgehung der Sozialversicherungspflicht

Mit Scheinverträgen können Sozialversicherungsbeiträge vermieden werden

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) erleichtert es deutschen Unternehmern, mit Scheinverträgen die hohen deutschen Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Nach der am 24. Oktober 2006 in Karlsruhe verkündeten Entscheidung macht sich ein Arbeitgeber nicht strafbar, wenn er vortäuscht, seine Angestellten seien im Ausland beschäftigt und nur vorübergehend nach Deutschland entsandt - vorausgesetzt, er kann eine entsprechende EU-Bescheinigung der ausländischen Sozialbehörden vorweisen. Im konkreten Fall hatte ein Münchner Bauunternehmer seine Arbeiter pro forma bei einer Firma in Portugal angestellt, wo die Beitragssätze etwa halb so hoch sind wie in Deutschland. (Az: 1 StR 44/06 vom 24. Oktober 2006)

Damit sprach der BGH den Geschäftsführer einer Fassadenbaufirma und einen an den Scheinverträgen beteiligten Ex-Rechtsanwalt frei, die vom Landgericht München I wegen Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen zu Bewährungsstrafen verurteilt worden waren. Sie hatten vorgetäuscht, die Arbeiter seien nur für eine gewisse Zeit in Deutschland tätig. In Deutschland legten sie dazu eine von den portugiesischen Behörden ausgestellte «E 101- Bescheinigung» vor. Damit bestätigten die Portugiesen, dass für die Arbeiter in Portugal Sozialversicherungsbeiträge abgeführt würden - womit, wie bei «Entsendungen» ausländischer Arbeitnehmer vorgesehen, die Versicherungspflicht für Deutschland entfiel.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte in mehreren Urteilen - zuletzt in diesem Jahr - bestätigt, dass diese E 101- Bescheinigungen für Behörden und Justiz in Deutschland bindend sind. Daran war der BGH gebunden - der dem EuGH allerdings zugleich den Rücken stärkte. «Diese Entscheidung leuchtet dem Senat ein», sagte der Senatsvorsitzende Armin Nack bei der Urteilsverkündung. «Nur so kommen wir dem Ziel näher, einen einheitlichen Raum des europäischen Rechts zu schaffen.»

Nack räumte zwar ein, dass man solche «Schlupflöcher» als unbefriedigend empfinden könne. Dieses Problem müsse aber von den Regierungen und vom Gesetzgeber auf europäischer Ebene gelöst werden. Laut EuGH seien die Sozialbehörden bei der Ausstellung von E 101- Bescheinigungen zur sorgfältigen Prüfung verpflichtet. Gegen erschlichene Bescheinigungen müssten die dadurch benachteiligten Staaten auf der Verwaltungsebene oder notfalls durch ein EU- Vertragsverletzungsverfahren vorgehen.

dpa